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Diskriminierung von und wegen Kindern
Themen:
Aus der Einleitung des Rechtsgutachtens
Gegenstand der Untersuchung
In Politik und Gesellschaft ist das Bekenntnis zu den Rechten von Kindern und zur Notwendigkeit ihres Schutzes omnipräsent. Dies zeigen die jüngsten Debatten um die Rechte der nachwachsenden Generationen im Rahmen der Klimapolitik oder um die Verankerung von Kindergrundrechten im Grundgesetz ebenso wie der Streit um den Schutz der Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen bei der Bekämpfung der Coronapandemie. Weitgehend unter dem Radar bleiben jedoch ganz alltägliche Situationen, in denen sich Kinder und ihre Eltern Benachteiligungen ausgesetzt sehen. Diese reichen von Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt über den Zugang zu Hotels bis hin zu Nachbarschaftsbeschwerden gegen Kindertagesstätten und Freizeiteinrichtungen. Insofern werden Kinder häufig als Störfaktor angesehen. Allein die Vielzahl von Klagen gegen sogenannten Kinderlärm1 deutet darauf hin, dass es im Hinblick auf die Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen im gesellschaftlichen Miteinander oftmals bei Lippenbekenntnissen bleibt.
Das Alter ist in § 1 AGG als verpöntes Differenzierungskriterium aufgeführt. Darunter ist nach einhelliger Auffassung das Lebensalter zu verstehen; junge und alte Menschen stehen folglich gleichermaßen unter dem Schutz des Antidiskriminierungsrechts. Während Benachteiligungen aufgrund hohen Alters in Rechtsprechung und Literatur – namentlich im Arbeitsrecht – bereits viel Aufmerksamkeit erfahren haben, ist die Benachteiligung aufgrund „jungen Alters“ bisher nicht systematisch untersucht worden. [....]
Ziel der Untersuchung
Trotz oder gerade wegen der fehlenden empirischen Erkenntnisse ist ein rechtswissenschaftlicher Blick auf die Benachteiligung von beziehungsweise wegen Kindern geboten. Die fehlende (wissenschaftliche) Auseinandersetzung deutet auf eine unzureichende Wahrnehmung dieser Art von Diskriminierungserfahrungen hin. Sind Frauen und Männer etwa wegen ihrer familiären Verpflichtungen Benachteiligungen ausgesetzt, wird diese Erfahrung häufig der Kategorie „Geschlecht“ zugeordnet. Dies mag auch daran liegen, dass das geltende Recht keinen Schutz vor als diskriminierend empfundenen Verhaltensweisen aufgrund des Familienstands gewährleistet [....]
Ausblick auf den Gang der Untersuchung
[....] In Kapitel 6 werden unterschiedliche Fallgruppen von Gütern und Dienstleistungen untersucht, bei deren Inanspruchnahme Kinder, Jugendliche und Familien Benachteiligungen ausgesetzt sein können. Im Mittelpunkt des Interesses stehen der Zugang zu Wohnraum, zu Urlaub und Freizeiteinrichtungen, zur Kindertagesbetreuung und zur selbstbestimmten medizinischen Behandlung. Eingegangen wird zudem auf besondere Preisgestaltungen zugunsten von Kindern, Jugendlichen und Familien. Im Wege einer Literatur- und Rechtsprechungsanalyse wird ermittelt, an welche Kategorien Benachteiligungen in diesen Fallgruppen anknüpfen, ob diese unmittelbar oder mittelbar wirken und welche Rechtfertigungsgründe im Falle unmittelbarer Benachteiligungen herangezogen werden. Mehrfachdiskriminierungen und intersektionale Diskriminierungen, etwa die Benachteiligung von Regenbogenfamilien, wird gegebenenfalls in den jeweiligen Fallgruppen thematisiert. [....]
Fazit des Gutachtens
Die langfristige und sicher schwierigste Aufgabe besteht darin, generell eine kinderfreundliche Gesellschaft zu fördern. Eine entsprechende staatliche Verpflichtung hat das BVerfG bereits seit Langem aus Art. 6 Abs. 1 GG hergeleitet: Eltern übernähmen mit der Erziehung ihrer Kinder „Aufgaben, deren Erfüllung sowohl im Interesse der Gemeinschaft als Ganzer als auch jedes einzelnen gelegen ist. Darum ist der Staat gehalten, eine kinderfreundliche Gesellschaft zu fördern …“
Um dieses Gebot umfassend umzusetzen, bedarf es der Verankerung des Diskriminierungsschutzes von Kindern, Jugendlichen und Eltern im AGGG. Dezidierte Regelungen im Antidiskriminierungsrecht würden nicht nur der UN-KRK gerecht, sie böten Verlässlichkeit und Rechtssicherheit und hätten überdies eine Signalwirkung, die über die völkerrechtsfreundliche Auslegung des bislang geltenden Rechts weit hinausginge.
Autoren der Studie:
Constanze Janda und Mathieu Wagner, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer