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Adoptiveltern klagen gegen ein Jugendamt wegen unzulänglicher Aufklärung
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Die Klage ist durch mehrere Instanzen gegangen. Die Adoptiveltern erklären, dass sie von der Adoptionsvermittlungsstelle nicht über die Alkoholerkrankung der leiblichen Mutter ihres Adoptivkindes aufgeklärt worden seien und somit von einer möglichen Behinderung des Kindes nicht ausgehen konnten. Ein Kind mit einer möglichen Behinderung hätten sie nicht adoptieren wollen. In der Klage verlangen die Adoptiveltern einen finanziellen Ausgleich, da die Adoptivmutter wegen der FAS-Behinderung des Kindes nicht berufstätig sein konnte. Nun liegt das letztgültige Urteile des Oberlandgerichtes Hamm vor, welches eine Revision nicht mehr zugelassen hat.
Das Urteil des OLG Hamm beschreibt zwar die gegebene Situation und das Begehren des Kläger und des Beklagten, urteilt aber letztendlich nicht zu der Frage, ob es denn eine unzulängliche Aufklärung gegeben hat oder nicht, sondern weist die Beschwerde der Adoptiveltern zurück, weil die Angelegenheit verjährt sei.
Trotzdem ist es von Interesse sich mit dem Urteil zu beschäftigen.
Auszüge aus den Gründen der Klage:
Sie (die Adoptiveltern)werfen der Mitarbeiterin O des Jugendamtes der Beklagten vor, sie über den Alkoholkonsum der leiblichen Mutter während der Schwangerschaft nicht hinreichend aufgeklärt zu haben und auch nicht darauf hingewiesen zu haben, dass ein solcher Alkoholkonsum zu einem Krankheitsbild im Erwachsenenalter führen könne, obwohl ihr das bekannt gewesen sei oder jedenfalls hätte bekannt sein müssen. Zudem habe auch eine Pflicht zur Ermittlung einer möglichen Alkoholschädigung des Kindes bestanden. Bei Kenntnis vom Risiko einer Behinderung des Kindes hätten sie von einer Adoption abgesehen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, weil ihnen die konkreten Konsequenzen der angeborenen Alkoholschädigung, die Endgültigkeit der Behinderung und die geringe Zugänglichkeit des FAS-Krankheitsbildes für medizinische und therapeutische Maßnahmen bei I bei der erstmaligen Diagnose von FAS im Jahre 2007 noch nicht bekannt gewesen seien.
Die Beklagte hat eine unzureichende Aufklärung und eine Pflicht zur Abklärung möglicher künftiger Behinderungen des Kindes vor der Adoption in Abrede gestellt, den geltend gemachten Schaden bestritten und sich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Beklagte eine den Klägern gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt habe. Ansprüche seien jedenfalls mit Ablauf des 31. Dezember 2010 verjährt. Die Kläger hätten von den den geltend gemachten Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners vor dem 31. Dezember 2007 Kenntnis erlangt. Bereits 1996 hätten die Kläger gewusst, dass ihr Kind dem Alkoholmissbrauch der Kindesmutter während der Schwangerschaft ausgesetzt gewesen sei und dass bei I eine Behinderung vorgelegen habe. Es habe allein noch die Kenntnis der Kausalität zwischen diesen beiden Ursachen gefehlt. Diese habe nach Einholung der Gutachten vom 30. Oktober 2007, 13. November 2007 und 05. Dezember 2007 vorgelegen.
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Ihr Schadensersatzanspruch ziele vielmehr auf alle Kosten ab, die den Klägern nicht entstanden wären, wenn sie bei Kenntnis von irgendeiner Behinderung die Adoption abgelehnt hätten.
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Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter, hinsichtlich des Zahlungsantrages allerdings reduziert auf einen Betrag von 138.418,32 €, wobei es sich dabei um den entgangenen Verdienst der Klägerin 1) in der Zeit von 1997 bis Juli 2011 handeln soll.
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Die Kläger vertiefen zudem ihren Vortrag zu den Voraussetzungen eines nach ihrer Auffassung gegebenen Amtshaftungsanspruchs. Zur Kausalität wiederholen sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, dass sie I keinesfalls adoptiert hätten, wenn sie von der langjährigen Alkoholerkrankung der Kindesmutter gewusst hätten. Sie hätten den Aussagen des Jugendamtes der Beklagten vertraut, dass keine Gefahr der Behinderung des vermittelten Kindes bestehe, was dazu geführt habe, dass jahrelang die Auffälligkeiten und Behinderungen des Kindes nicht hätten geklärt werden können und viele Therapien ins Leere gelaufen seien.
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Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, deren Richtigkeit durch die Berufungsangriffe der Kläger nicht erschüttert werden, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil etwaigen Schadensersatzansprüchen der Kläger die dauernde Einrede der Verjährung entgegensteht (§ 214 BGB)
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Denn selbst wenn die sozialrechtliche Anerkennung des medizinisch im Jahre 2007 geklärten Zusammenhangs zwischen Alkoholkonsum der leiblichen Mutter und den geistigen und körperlichen Defiziten der Adoptivtochter der Kläger als Behinderung noch unsicher gewesen sein sollte, so stand für die Kläger jedenfalls fest, dass ihnen entgegen der (von ihnen behaupteten) Zusicherung der Mitarbeiterin des Jugendamtes der Beklagten und ihrer darauf basierenden Erwartung ein Kind vermittelt worden war, welches von einer körperlichen und geistigen Behinderung betroffen war, die Dr. G in seinem Gutachten vom 05. Dezember 2007 zur dringenden Empfehlung an die Kläger veranlasst hat, I in einer vollstationären Einrichtung unterzubringen sowie einen betreuten Arbeitsplatz für sie zu suchen (S. 4 des Gutachtens = Bl. 63 der Beiakte). Danach konnte auch aus laienhafter Sicht der Kläger kein Zweifel daran bestehen, dass das – nach ihrem Vorbringen - pflichtwidrige Verhalten der Mitarbeiterin des Jugendamtes die jetzt mit dem Zahlungsantrag geltend gemachten Vermögenseinbußen verursacht hatte. Dieser Schaden in Form von entgangenen Erwerbseinkünften auf Seiten der Klägerin zu 1) war schon eingetreten und konnte auch nicht mehr durch die im Jahre 2007 noch nicht verlässlich zu beurteilende weitere Entwicklung I’s kompensiert werden. Diese Unsicherheit hinderte allein daran, den Zukunftsschaden konkret zu beziffern. In dieser Situation war es zumutbar, jedenfalls eine Feststellungsklage zu erheben. Seit 2007 hat sich demgemäß auch vom Standpunkt der Kläger aus an der Beurteilung der Voraussetzungen für die geltend gemachte Amtshaftung dem Grunde nach nichts geändert.