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Verfahrensbeiständin für ein Pflegekind - Teil 2
Themen:
Zweiter Besuch bei Mira
Die Pflegeeltern bieten mir einen Kaffee an, den ich annehme. Mira kommt nach ein paar Minuten, um mir zu erklären, dass sie lieber mit ihrer Freundin weiterspielen möchte. Ich mache deutlich, dass wir das Treffen vereinbart haben und ich extra für sie gekommen bin und daher erwarte, dass sie auch mit mir redet. Sie diskutiert nicht darüber und ist einverstanden, fragt aber, ob ihre Freundin an dem Gespräch teilnehmen kann. Außerdem würde das Gespräch nicht lange dauern, denn sie habe sich alles schon genau überlegt.
Mira, ihre Freundin und ich gehen in ihr Zimmer.
„Können Sie ihr mal erklären, was Sie für mich sind?“ fragt Mira. Ich erkläre es kurz nochmals der Freundin, während Mira stolz zuhört. Die Freundin ist beeindruckt.
Mira spricht nochmals eindringlich auf mich ein, dass sie doch gern die weiterführende Schule „hier“ besuchen möchte und nicht nach Köln fahren will. Außerdem würde ihre Freundin auch „hier“ zur Schule gehen. Ich wundere mich, dass die Entscheidung über die Schule nicht jetzt schon – Mitte Mai – gefällt sein sollte – woraufhin Mira beteuert, dass sie in beiden Schulen angemeldet sein und daher noch eine Chance bestände „hier“ gehen zu können, „obwohl Mama das nicht will“.
Ich erkläre ihr, dass der Richter mich nicht dazu, sondern nur zur Frage der Besuchskontakte beauftragt hat und ich es zwar bedaure, ihr darin aber nicht weiterhelfen könne. Als ich dann eine Weile später „auf Thema“ kommen möchte, geht die Freundin nach Hause.
Mira beginnt mir sofort zu erklären, welche Kontakte zu wem sie sich wann wünscht.
Um nachvollziehen zu könne, um welche Personen es wo geht, bitte ich sie, mir doch mal die verschiedenen Menschen und Familien in verschiedene Häuser zu malen.
Sie malt drei Häuser und schreibt diese mit folgenden Worten voll:
Haus 1: Mama, Papa, Mausi, Matthi – Freunde Pia, Mipi, Nipa und die aus meiner Klasse („das ist hier, wissen Sie“ und zeigt mit großer Geste um sich).
Haus 2: Mama, Reyen, Dave, Nadiene, Freunde auch von Mama
Haus 3: Papa, Bäsie und Ela bekommen einen eigenen Kreis neben Oma, Opa- Seda, Armine und 3 Onkel.
Ganz präzise beschreibt sie mir dann ihre Wünsche:
Alle 14 Tage im Wechsel Mama/Papa. Bisher ging sie um 12.00 Uhr zu Papa „das will ich anders haben, das ist sonst unfair wegen des Besuchs bei Mama“.
Jetzt stellt Mira sich abwechselnde Besuche vor – mal mit, mal ohne Übernachtung. Es dauert eine Weile, ehe wir ganz genau und ‚ganz gerecht‘ die Wochenenden aufgeteilt haben. Ich mache dann zwei Zettel, einen für sie und einen für mich. Auf diese Zettel schreiben wir penibel genau, wie sie sich die Kontakte vorstellt:
- Erstes Wochenende zuhause (Pflegefamilie)
- Zweites Wochenende bei Mama mit Übernachtung – samstags 11 bis sonntags 16 Uhr.
- Drittes Wochenende zuhause
- Viertes Wochenende bei Papa samstags 11 bis 18 Uhr.
Dann Wechsel:
- Erstes Wochenende zuhause
- Zweites Wochenende bei Mama Samstag 11 bis 18 Uhr
- Drittes Wochenende zuhause
- Viertes Wochenende bei Papa mit Übernachtung samstags 11 bis sonntags 16 Uhr
Dann wechseln wieder von vorne beginnend.
Dazu erklärt mir Mira eindringlich, was ich zu dieser Regelung zusätzlich noch sagen sollte:
„Das soll jetzt mindestens ein halbes Jahr gelten, wenn das halbe Jahr vorbei ist, kann können sie wieder mit Mira darüber reden, aber bis dahin müssen wir es so machen, wie wir das besprochen haben“.
Ich gebe dann zu bedenken, dass die Rechtsanwältin der Mutter dazu sicherlich etwas anderes sagen wird, da sie – Mira – mit der Mutter diese Termine so nie besprochen hat, sondern im Gegenteil immer gesagt hat, sie sei mit dem so einverstanden, wie die Mutter es haben will (ich habe diese Information aus der Akteneinsicht im Gericht aus den Schreiben der Anwältin entnommen).
„Das stimmt“ antwortet Mira „Ich kann das Mama nicht sagen, wie es haben will. Sie denkt dann, ich will ihr was und überhaupt – sie macht eine lange Pause – das ist ganz schwierig alles, aber ich bin doch hier zuhause und möchte mal die Wochenenden so ganz normal verbringen, wie auch meine Freundimmen ihrer Wochenenden verbringen, lange schlafen, einfach nur so rummachen usw.“
„Es ist schwer für dich, deiner Mama das so zu sagen“ stelle ich fest.
„Ja“ sagt sie „ich kann da auch nicht drüber streiten, das geht einfach nicht, aber ich will es so haben, wie wir das überlegt haben“.
„Wenn du bisher deiner Mama gesagt hast, dass du es so haben möchtest, wie SIE es eben will, ich nun etwas anderes sage, glaubst du, dass sie mir das abnehmen wird?“
„Ja, weil ich das will und es gut für mich ist – und wenn einer sagt, dass ist nicht so, dann sagen Sie: ICH habe mit Mira geredet und nicht SIE.“
„Genauso werde ich es machen“ sage ich.
„Es kann aber sein, dass der Richter auch noch einmal selbst mit dir sprechen möchte, würdest du ihm das dann auch erklären können?“
„Nein, Sie haben gesagt, Sie sprechen für mich, also muss er Ihnen dann auch glauben“.
Wir beenden unser Gespräch, nach dem wir vereinbart haben, dass ich nächste Woche noch einmal wiederkomme, ihr noch mal genau sage, was ich für den Richter aufschreiben werde und sie mir sagt, was sie sich bis dahin vielleicht noch überlegt hat.
Überlegungen zur weiteren Vorgehensweise
Auf dem Rückweg überlege ich, ob es wichtige wäre, noch mit anderen Beteiligten z.B. der Mutter zu sprechen. Ein paar Tage nach meiner Bestellung zum Verfahrenspfleger hatte nämlich das Jugendamt als Aufenthaltsbestimmungspfleger in einem Brief an die Beteiligten fast genau die Besuchsregelung angeordnet, die Mira sich gewünscht hatte. Die Pflegeeltern hatten den Auftrag, nun danach zu verfahren, die Mutter wehrte sich jedoch über ihre Rechtsanwältin dagegen. Es wird mir deutlich, dass die Mutter diese Anordnung des Jugendamtes wieder als „Bösartigkeit“ des Amtes auffassen muss, da sie ja aus ihrem Beisammensein mit Mira nur weiß, dass Mira mit ihren Wünschen einverstanden ist. Da Mira zu ihr selbst nicht über die Veränderung der Kontakte gesprochen hat, versteht sie gar nicht, warum es denn nun eigentlich einen Konflikt gibt und schiebt dies dem Jugendamt und den Pflegeeltern in die Schuhe. Die Sozialarbeiterin R. hat schon mehrfach versucht, Miras Meinung der Mutter zu vermitteln. Die Mutter glaubt ihr aber nicht.
Für meinen Auftrag ist es also wesentlich, dass die Beteiligten – besonders die Mutter – MIR glauben, wenn ich Miras Willen vermittle. Dazu scheint es mir notwendig, eine deutliche Abgrenzung zu allen Erwachsenen um Mira herum zu schaffen, besonders aber zum Jugendamt, um der Mutter vermitteln zu können, dass ich AUSSCHLIEßLICH Mira vertrete. Es muss mir gelingen, Mira in ihren Ängsten, in ihrer Vorsichtigkeit, in ihren Begrenzungen und ihren Bedürfnissen dazustellen, um erreichen zu können, dass die Mutter (und ihre Anwältin) sie verstehen kann.
Ich entscheide mir daher dazu, keine weiteren Gespräche außer mit Mira zu führen.
Drittes Gespräch mit Mira
Das dritte Gespräch gilt dann gewissermassen der gegenseitigen Klarstellung und Verdeutlichung. Ich vergewissere mich, ob Mira noch das Gleiche will wie vorher oder Veränderungen angedacht sind und Mira will noch einmal hören, ob ich denn alles auch wirklich richtig verstanden und aufgeschrieben habe. Mira bleibt eindeutig bei den schon benannten Vorschlägen und ist zufrieden, als ich alles genau so wiedergebe.
Im Teil 3 schreibe ich über meine Mitteilung an den Richter und die Folgen dieses Berichtes.