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Distanz und Nähe
Behütete Kinder erleben in ihrer Entwicklung in den ersten Lebensjahren dass das Grundbedürfnis von Zugehörigkeit durch das fürsorgliche und angemessene Verhalten der Eltern wachsen kann. Sie fühlen sich den Eltern nahe, entwickeln Bindung und Vertrauen und entwickeln ein Gefühl von Nähe zu Vertrautem und Distanz zu Fremden. Diese Distanz zum Fremden entwickelt sich aus dem Wissen um die Nähe zum Vertrauten. Aus dem Vertrauten heraus betrachte ich mit Distanz das Neue und Fremde und entscheide dann, ob ich mich diesem Fremden nähere.
Beispiel:
Die Mutter ist mit ihrem 2Jährigen auf dem Spielplatz. Dieser spielt eine zeitlang in der Nähe der Mutter. Dann wird er immer neugieriger den anderen Kindern im Sandkasten gegenüber. Er tippelt ein paar Schritte weg von der Mutter, dreht sich wieder um, um sicher zu sein, dass sie noch da ist, und bewältigt die nächsten Schritte. Manchmal kommt er auch ganz wieder zurück – es war wohl noch ein bisschen zu viel. Schließlich schafft er es bis zur Buddelkiste und setzt sich so hinein, dass er seine Mama im Blick hat. Diese wiederum gibt ihm durch aufmunternde Blicke oder Worte zu verstehen, dass sie da ist und bleibt und er sich sicher fühlen kann.
Kinder, die aufgrund ihrer Lebensgeschichte keine sicheren Bindungen eingehen konnten und die Nähe zu ‚ihrem’ Erwachsenen als bedrohlich erlebten kennen nicht dieses Gefühl von sicherer Zugehörigkeit und Schutz. Sie kennen nicht das Gefühl sicherer Nähe und vorsichtsgebietender Distanz.
Die feinen sozialen Regeln von
- wie weit nähere ich mich jemanden
- wen fasse ich an
- wie fasse ich jemanden an
- was sage ich wie zu wem
- wie reagiere ich auf Signale des anderen
- etc., etc.
werden von den Kindern so nicht beherrscht.
Vernachlässigte Kinder suchen in fast jedem Erwachsenen einen möglichen potenziellen Versorger und nähern sich ihm daher entsprechend viel zu schnell, viel zu nah, viel zu auffordernd, viel zu übergriffig.
Oder auch genau umgekehrt – mit größter Abwehr, völligem Desinteresse und nur auf sich selbst bezogen.
Durch die Hinwendung des Kindes zu neuen Eltern wird das Nähe-Distanz-Verhalten durch die zunehmend empfundene Beziehung bis hin zur engen Bindung des Kindes an die Eltern normalisiert. Aber diesen Weg braucht es auch.
Tipps für den Alltag
Machen Sie klar, dass SIE der Versorger sind. Geben Sie Ihrem Kind dazu klare Regeln:
- gegessen wird nur bei uns
- nur wir holen dich aus dem Kindergarten/Schule ab
- nach der Schule kommst du erst einmal nach Hause
- bei uns gibt es die und die Vereinbarungen
- Um ... Uhr bist du abends zu Hause
- Du gehst nur mit meiner Erlaubnis da und da hin
- Du gehst mit keinem Fremden mit
- Etc. etc.
Die Regeln müssen klar machen: Wir sind die Eltern, die Erwachsenen, wir haben das Sagen und passen gut auf dich auf.
Sprechen Sie auch mit Ihrer Verwandtschaft, Ihren Nachbarn und Freunden darüber – so dass diese Ihr Verhalten verstehen lernen.
Neben diesen Regeln ist für das Kind natürlich IHR Vorbild von ausschlaggebender Bedeutung. ZEIGEN Sie, wie man sich „richtig“ verhält. Diskutieren Sie aber nicht beständig über „falsches“ Verhalten, sondern versuchen Sie mit einem Blick, einer Geste das Kind auf den geeigneten Weg zu führen. Und – bemerken Sie „richtiges“ Verhalten und erwähnen Sie dies Ihrem Kind gegenüber in einer entspannten Situation.
Bitte verstehen Sie, dass das Kind in einer krisenhaften Situation wieder in ein schwierigeres Nähe-Distanz-Verhalten fällt, wenn es z.B. eine ihm vertraute Person (Lehrerin, Kindergärtnerin, nette Nachbarin) verliert und sich dadurch verunsichert fühlt. Sehen Sie diesen „Rück“fall dann als Sprache seiner Gefühle an und bleiben Sie geduldig auf Ihrem Weg hin zu einer sicheren Beziehung.
RITUALE in der Familie können das Kind sicherer machen. Es lernt, dass es Dinge gibt, auf die man sich verlassen kann und die immer wieder so eintreten. Neben den großen Feiertagsritualen sind es die kleinen Rituale des Alltags, die diese Sicherheit unterstützen und Nähe bringen:
- wecken SIE Ihr Kind, es lernt sich auf jemanden zu verlassen
- nehmen Sie es am Morgen (vorsichtig) in den Arm und zeigen ihm Nähe
- zeigen Sie dass Sie sein Bedürfnis von immer vorhandenem Essen verstehen und füllen Sie mit ihm abends eine Schüssel mit Knäckebrot und ein Trinkglas
- schließen Sie mit ihm deutlich abends Türen und Fenster zu wenn es ein hohes Schutzbedürfnis hat
- erzählen Sie Geschichten
- lesen Sie vor
- singen SIE –
- schaukeln Sie es in einem Tuch
- kuscheln Sie mit ihm
Tun Sie die Dinge, die Nähe fördern und die regelmäßig gemacht werden können.