Sie sind hier

09.10.2023
Dokumentation

Die Entwicklung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege zwischen 2011 und 2023

Vergleich der Sätze der Bundesländer mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins

Der Deutsche Verein publiziert seit Herbst 2008 seine Empfehlungen zu den Pauschalsätzen in der Vollzeitpflege. Moses Online publiziert seit dem Jahr 2011 das Themenheft "Pflegefamilien Finanzen" mit einer Übersicht über die Pauschalbeiträge in der Vollzeitpflege für jedes Bundesland. Auf Basis dieser Daten geben wir für die letzten 12 Jahre einen dokumentarischen Überblick über die Entwicklung der Pauschalbeträge in den einzelnen Bundesländern. Die Bundesländer liegen inzwischen in ihren Pauschalsätzen meist dicht beieinander - aber im Land Berlin muss jetzt dringend etwas passieren.

Diese Dokumentation inkl. aller Anhänge als PDF-Datei

Pflegepersonen, die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung §33 SGB VIII ein Kind in Vollzeitpflege aufgenommen haben, erhalten Unterhaltszahlungen für das Pflegekind. Dieses Pflegegeld wird im Rahmen von Pauschalbeträgen monatlich ausgezahlt.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) publiziert seit Herbst 2008 - also mit Gültigkeit ab dem Jahr 2009 - seine Empfehlungen zu den Pauschalsätzen in der Vollzeitpflege. Mit diesen Empfehlungen gibt der DV den Bundesländern und Kommunen fundierte Richtwerte an die Hand, wie diese in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich die Zahlungen an ihre Pflegeeltern ausgestalten können. Wichtig ist dabei vor allem die Vorausschau: der DV untersucht, wie sich die Kosten, die die Pflegeeltern in ihrem Alltag mit dem Pflegekind haben, im nächsten Jahr entwickeln - und empfiehlt vor diesem Hintergrund regelmäßig, die Zahlungen um einen bestimmten Anteil zu erhöhen. Stichwort: Inflationsausgleich.

Moses Online publiziert seit dem Jahr 2010 das Themenheft "Pflegefamilien Finanzen" in einer jährlich aktualisierten Ausgabe. Seit 2011 geben wir darin für jedes Bundesland eine Übersicht über die Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege - gemeinsam mit den jeweils für das Jahr geltenden Empfehlungen des DV.

Vor diesem Hintergrund ist die Idee entstanden, für die letzten 12 Jahre - und damit für die überwiegende Zeit, seit der DV seine Empfehlungen ausspricht - einen dokumentarischen Überblick über die Entwicklung der Pauschalbeträge in den einzelnen Bundesländern zu geben.

Diese vorliegende Dokumentation ist der erste Teil einer Reihe, die wir zu diesem Thema publizieren. Alle Daten, die wir zu Grunde legen, entnehmen wir den bisherigen Ausgaben unseres Themenheftes "Pflegefamilien Finanzen" - und alle darin genannten Informationen beruhen auf den zu der jeweiligen Zeit öffentlich zugänglichen Quellen der Behörden bzw. des DV.

Erläuterungen zu den Empfehlungen des Deutschen Vereins

Zusammensetzung der Pauschalbeträge

Sachaufwand und Erziehungskosten

Die pauschalen Zahlungen an Pflegeeltern teilen sich auf in zwei Teilbeträge. Der erste ist der Sachaufwand - also die Summe der Kosten, die Pflegeeltern monatlich für den Unterhalt des Pflegekindes aufwenden. Der zweite Bereich sind die Kosten der Erziehung - ein Betrag, den die Pflegeeltern dafür erhalten, dass sie das Kind bei sich aufnehmen.

Der DV empfiehlt, den Teil des Sachaufwandes über die Dauer der Kindheit und Jugend in drei Schritten zu staffeln. Alle sechs Jahre - gemessen am Alter des Kindes bzw. des Jugendlichen - soll für den Sachaufwand ein höherer Grundbetrag angenommen werden. Pflegeeltern sollen also für ein kleines Kind im Alter unter 6 einen bestimmten Betrag erhalten, für ein Kind mittleren Alters unter 12 einen etwas höheren Betrag und für ein Kind im jugendlichen Alter ab 12 bis zur Volljährigkeit einen noch einmal höheren Betrag. Dahinter liegt der Gedanke, dass der Unterhalt älterer Kinder höhere Kosten verursacht als der Unterhalt jüngerer Kinder.

Der zweite Teil - der Betrag für die Kosten der Erziehung - soll gemäß den Empfehlungen des DV konstant - also unabhängig vom Alter des Kindes sein. Der Gedanke hier ist, dass die Erziehung an sich einen Wert hat - egal, wie alt das Kind ist.

Wir betrachten in dieser Untersuchung nur die genannten Posten des Sachaufwandes und der Kosten der Erziehung für die Unterbringung eines Pflegekindes ohne besondere Bedarfe.

Jährlich neue Empfehlung des Deutschen Vereins

Anpassung an die Inflation

Im September eines jeden Jahres spricht der DV eine aktualisierte Empfehlung für die Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege aus, die im Folgejahr an die Pflegeeltern gezahlt werden sollten. Die Steigerung der Pauschalbeträge ermittelt der DV anhand der allgemeinen Preissteigerungen, die im Laufe eines Jahres eintreten. Zu Zeiten niedriger Inflation steigen auch die Empfehlungen des DV nur gering; zu Zeiten höherer Inflation steigen auch die Empfehlungen des DV entsprechend stärker.

Das Verhalten der Bundesländer vor dem Hintergrund der Empfehlungen des Deutschen Vereins

Die Bundesländer verhalten sich dazu sehr unterschiedlich. Manche Bundesländer passen die Pauschalbeträge den Empfehlungen des DV vollständig an. Andere Bundesländer folgen dem DV zwar, aber mit zeitlicher Verzögerung (z.B. einem Quartal oder einem Halbjahr). Wieder andere Bundesländer entscheiden sich für eigene Beträge. Es kommt auch vor, dass ein Bundesland für einen bestimmten Zeitraum dem DV folgt, dann in späteren Jahren wieder eigene Beträge angibt. Wieder andere Bundesländer geben gar keine landesweiten Vorgaben. Hier entscheiden die einzelnen Jugendämter selbst.

Dokumentation der in den einzelnen Ländern gezahlten Pauschalbeträge und Vergleich mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins

Für diese Dokumentation haben wir die Informationen zu den Empfehlungen des DV und den Pauschalbeträgen der einzelnen Länder, die wir im Laufe der vergangenen 12 Jahre in unseren Jahresausgaben des Themenheftes "Pflegefamilien Finanzen" publiziert hatten, tabellarisch zusammengetragen und grafisch aufbereitet. Wir können dabei das Verhalten aller Bundesländer außer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern darstellen. Diese beiden Bundesländer haben keine landeseinheitlichen Regelungen. Daher liegen auch keine landesweiten Werte vor, die wir damals in den Themenheften hätten publizieren können - oder die wir jetzt dieser Darstellung zu Grunde legen könnten. Im Folgenden sind also mit "Bundesländer" immer alle außer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gemeint.

Der Weg zu aussagekräftigen Vergleichszahlen

In jedem Bundesland sind die Kosten für den Sachaufwand nach Alter gestaffelt. Manchmal so, wie vom DV empfohlen: also drei Staffelungen zu jeweils sechs Lebensjahren. Bei anderen sind die Staffelungen ungleichmäßig: ein Betrag für die ersten sechs Lebensjahre, ein höherer für die folgenden sieben Lebensjahre, ein noch höherer für die dann noch folgenden fünf. Oder ein Betrag für die ersten sieben Lebensjahre, ein höherer für die nächsten sieben Lebensjahre und eine zweite Anhebung für die verbleibenden vier Lebensjahre. Die Summe der Lebensjahre ist immer 18 - also bis zur Volljährigkeit.

Wir möchten aber - damit wir das Verhalten der Bundesländer besser miteinander vergleichen können - für jedes Bundesland anstatt drei Zahlen nur eine einzelne Zahl pro Jahr betrachten. Selbes gilt für die Empfehlungen des DV: eine Zahl pro Jahr.

Mittelwerte für einfachere Vergleichbarkeit

Daher ermitteln wir aus den unterschiedlichen Zahlen pro Bundesland und pro Jahr einen Mittelwert. Und diese einzelnen Mittelwerte können wir dann sehr gut miteinander vergleichen.

Den Mittelwert der in einem Bundesland für den Sachaufwand gezahlten Beträge erhalten wir, indem wir

1. jeden der drei altersabhängigen Beträge zum Sachaufwand mit der Anzahl der jeweils betreffenden Lebensjahre multiplizieren,

2. diese drei Multiplikationsergebnisse dann addieren und

3. diese Summe durch 18 teilen.

4. Zu diesem berechneten Mittelwert addieren wir dann noch den (für alle Lebensalter identischen) Betrag der Kosten der Erziehung.

Beispiel 1 - Empfehlung des Deutschen Vereins für 2023:
  • Alter 0 bis 6 (also 6 Jahre vor Vollendung des 6. Lebensjahres): 639 €,
  • Alter 6 bis 12 (also 6 Jahre nach Vollendung des 6. aber vor Vollendung des 12. Lebensjahres): 783 €,
  • Alter 12 bis 18 (also 6 Jahre nach Vollendung des 12. aber vor Vollendung des 18. Lebensjahres): 919 €,
  • Erziehungskosten: 275 €

Berechnung:

( ( 639 € x 6 + 783 € x 6 + 919 € x 6 ) : 18 ) + 275 € = 1055,33 €

Beispiel 2 - Pauschalen in Nordrhein-Westfalen für 2023:
  • Alter 0 - unter 7 (also 7 Jahre vor Vollendung des 7. Lebensjahres): 671 €,
  • Alter 7 - unter 14 (also 7 Jahre nach Vollendung des 7. Lebensjahres aber vor Vollendung des 14. Lebensjahres): 765 €,
  • Alter ab 14 (also 4 Jahre nach Vollendung des 14. Lebensjahres aber vor Vollendung des 18. Lebensjahres): 932 €,
  • Erziehungskosten: 318 €

Berechnung:

( ( 671 € x 7 + 765 € x 7 + 932 € x 4 ) : 18 ) + 318 = 1083,56 €

Wir sehen schon, dass die Staffelung der Jahre hier von der Empfehlung des DV abweicht: während der DV seiner Staffelung jeweils 6 Lebensjahre zu Grunde legt,  
entscheidet sich NRW für 7 Jahre + 7 Jahre + 4 Jahre.

Durch die Multiplikation der einzelnen Staffelbeträge mit den jeweiligen Lebensjahren gelingt es uns, die ungleiche Verteilung über die Lebensjahre des Kindes in dem berechneten Mittelwert mit abzubilden.

Würde Nordrhein-Westfalen drei gleich lange Zeiträume (jeweils 6 Jahre) für die Zahlung zu Grunde legen, dann würden die Pflegefamilien ja über die Jahre etwas mehr erhalten - dann wäre das Ergebnis:

( ( 671 € x 6 + 765 € x 6 + 932 € x 6 ) : 18 ) + 318 = 1107,33 € - also fast 24 Euro (oder 2,2%) höher.

Mittelwerte eines Jahres

Gelegentlich kommt es vor, dass ein Bundesland die Höhe der Zahlungen nicht zum Anfang eines Jahres anpasst, sondern im Verlauf eines Jahres. Dieses ist ein zweiter Fall, in dem wir einen Mittelwert bilden.

Beispiel - Pauschalen im Saarland für 2023:
  • Empfehlung des DV für 2022 (Durchschnittswert gemäß obiger Berechnung): 943 €,
  • Empfehlung des DV für 2023 (Durchschnittswert gemäß obiger Berechnung): 1055,33 €,

Das Saarland folgt eigentlich den Empfehlungen des DV, hat aber im Jahr 2023 die Höhe der Zahlungen statt im Januar erst im April angepasst. Zwischen Januar und April - also für 3 Monate - erhielten Pflegeeltern also noch den Betrag von 2022. Und erst in den verbliebenen 9 Monaten erhalten Pflegeeltern den Betrag für 2023.

Berechnung:

( 943 € x 3 + 1055,33 € x 9 ) : 12 = 1027,25 €

Nach diesen beiden Mittelwert-Berechnungen haben wir also nun pro Bundesland (und DV) pro Jahr genau eine aussagekräftige Zahl.

Vergleich der Empfehlungen des Deutschen Vereins mit der Inflation

Bevor wir die Empfehlungen des DV mit den Zahlungen in den Bundesländern vergleichen, möchten wir noch vorab diese Frage beantworten: Gelingt es dem DV, mit seinen Empfehlungen - die ja wie gesagt auf wirtschaftlichen Prognosen beruhen - die alljährlichen Preissteigerungen abzubilden? Im Umkehrschluss stellt sich die Frage so: bleibt die Kaufkraft der Pflegeeltern, die sie durch die Pauschalbeträge erhalten und für Ihr Pflegekind aufwenden, über die Jahre konstant?

Wir haben dazu für die Jahre 2011 bis 2023 das Ansteigen der Beträge, die der DV im Rahmen seiner Empfehlungen nennt, verglichen mit der allgemein vorliegenden Inflation.

In der folgenden Tabelle sehen Sie:

a) in der ersten Spalte den Anteil, um den die Empfehlung des DV (also immer: unser ermittelter Mittelwert) von einem Jahr auf das nächste angestiegen ist,     
b) in der zweiten Spalte einen offiziellen Wert zur Inflation - genauer: den "Harmonisierten Verbraucherpreisindex HVPI", wie er vom Statistischen Bundesamt ermittelt und publiziert wird
(https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Wirtschaft-Finanzen/Inflation.html).

Wenn man den Inflationswert eines Jahres mit dem im jeweiligen Folgejahr vom DV vorgeschlagenen Anstieg vergleicht, dann erscheint durchaus nachvollziehbar, wie der DV in der Ermittlung seiner Empfehlungen auch die Inflation des jeweiligen Vorjahres zu Grunde legt und abzubilden sucht. Natürlich sind die Ansätze, denen der DV bei der Entwicklung seiner Empfehlungen folgt, komplexer als dieser simple Vergleich mit dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex. Aber zu Zwecken der Demonstration ist es hier durchaus hilfreich.

Um aber die Differenzen zwischen den Prozentwerten noch weiter einschätzen zu können haben wir ergänzend in zwei weiteren Spalten dargestellt, wie sich die Kaufkraft eines Euro im Jahre 2010 über die Jahre verändert - und zwar

c) unter Berücksichtigung der prozentualen Änderung der alljährlich aktualisierten Empfehlungen des DV,
d) unter Berücksichtigung der Inflation, wie sie im Harmonisierten Verbraucherpreisindex vom Statistischen Bundesamt offiziell abgebildet wird.

Jahr

Anstieg der vom DV empfohlenen Beträge

Inflation (HVPI)

Kaufkraftverlust gemäß DV

Kaufkraftverlust
gemäß HVPI

2010

 

1,1%

1,00 €

1,00 €

2011

0,9%

2,5%

0,99 €

0,98 €

2012

2,2%

2,2%

0,97 €

0,95 €

2013

1,8%

1,6%

0,95 €

0,94 €

2014

1,7%

0,8%

0,94 €

0,93 €

2015

0,8%

0,7%

0,93 €

0,92 €

2016

0,0%

0,4%

0,93 €

0,92 €

2017

0,3%

1,7%

0,93 €

0,90 €

2018

0,8%

1,9%

0,92 €

0,89 €

2019

5,5%

1,4%

0,87 €

0,88 €

2020

1,3%

0,4%

0,86 €

0,87 €

2021

0,5%

3,2%

0,85 €

0,84 €

2022

4,9%

8,7%

0,81 €

0,77 €

2023

11,9%

7,5% *)

0,71 €

0,71 €

*) Der gezeigte Inflationswert für 2023 ist der Mittelwert der für die Monate Januar bis August 2023 vom Statistischen Bundesamt publizierten Werte.

Wir sehen, dass ausgehend von dem einen Euro, mit dem wir in beiden Berechnungen 2010 starten, die Kaufkraft des einzelnen Euro (wie zu erwarten) Jahr für Jahr zurückgeht - und die Werte (nachdem sie über die Jahre ein wenig umeinander getanzt sind) sich im Jahre 2023 bei 0,71 Euro treffen. Es ist natürlich Zufall, dass sich die Beträge gerade jetzt (2023) so genau treffen. Es ist aber offensichtlich, dass es dem DV gelingt, über den Vergleichszeitraum von 12 Jahren die Inflation und die zu Grunde liegenden wirtschaftlichen Entwicklungen bei der Erstellung seiner Empfehlungen treffend zu berücksichtigen. Die Kaufkraft der Pflegeeltern bleibt also über die Jahre rechnerisch konstant, wenn ein Land den Empfehlungen des DV folgt.

Vergleich der einzelnen Bundesländer

Nun möchten wir die Pauschalbeträge in den einzelnen Bundesländern miteinander vergleichen - und das Ganze mit den Empfehlungen des DV in Beziehung bringen.

Dazu bieten wir zwei Grafiken an.

Die erste Grafik "Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege: Bundesländer und Empfehlungen des Deutschen Vereins" stellt den Verlauf der (wie oben) berechneten Durchschnittswerte der in den Ländern gezahlten Pauschalbeträge über den Zeitraum der Jahre 2011-2023 dar.

Auf der Y-Achse tragen wir den Betrag in Euro ab - auf der X-Achse tragen wir die Jahre ab.

Die schwarze gestrichelte Linie beschreibt den Verlauf des Durchschnittswertes der Empfehlungen des DV.

Hinter dieser Linie des DV verbergen sich auch alle Bundesländer, die in ihren Zahlungen der Empfehlung des DV exakt folgen.

Die weiteren farbigen Linien beschreiben den Verlauf der Durchschnittswerte der Bundesländer, die dem DV nicht exakt folgen. Sie sehen dabei auch, dass manche Bundesländer dem Verlauf des DV nur teilweise folgen (also irgendwann aus der DV-Linie ausbrechen oder in sie hineinlaufen).

Die zweite Grafik "Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege: Abweichung der Bundesländer von den Empfehlungen des Deutschen Vereins" stellt dar, wie weit die Bundesländer im Zeitraum der Jahre 2011-2023 von den Empfehlungen des DV abgewichen sind.

Auf der Y-Achse tragen wir die Abweichung in Prozent (%) ab - auf der X-Achse tragen wir die Jahre ab.

Der jeweils für das betreffende Jahr ermittelte Durchschnittswert des DV bildet die Basis von 0%.

Auch hier verbergen sich hinter dieser Linie des DV alle Bundesländer, die in ihren Zahlungen der Empfehlung des DV exakt folgen.

Die weiteren farbigen Linien beschreiben die Abweichung der Durchschnittswerte der jeweiligen Bundesländer. Werte über 100% bedeuten, dass das jeweilige Bundesland in seinen Zahlungen die Empfehlungen des DV übertrifft. Werte unter 100% bedeuten, dass das jeweilige Bundesland die Empfehlungen des DV unterschreitet.

Hier erhalten Sie beide Grafiken auf einer Seite einer PDF-Datei zum ausdrucken.

Wir möchten uns nun das Verhalten des DV und der einzelnen Länder über die Jahre anschauen.

Deutscher Verein

In der Mitte der 10er Jahre gab es nur eine sehr geringe Inflation. Daher steigen auch die Beträge, die der DV empfiehlt, nur gering. 2016 sogar gar nicht. Seit 2019 und insbesondere seit 2021 steigert der DV seine Empfehlungen jedes Jahr deutlich.

Im Jahre 2022 hatte der DV zwei unterschiedliche Staffelungen von Beträgen für die Sachleistungen genannt. Wenn man es kurz zusammenfassen möchte, kann man das so interpretieren, dass dem ersten Satz von Zahlen der "eigentlich" ermittelte Bedarf der Pflegefamilien zu Grunde lag (die sogenannte "Sonderauswertung"), während ein zweiter, niedrigerer Satz von Zahlen vorgeschlagen wurde, der den angespannten Kassen der Kommunen in den Ländern entgegenkommen sollte. 2023 hat der DV diesen Weg wieder verlassen und eindeutige Empfehlungen ausgesprochen. In unseren grafischen Darstellungen sind die Empfehlungen des DV im Jahr 2022 ohne die "Sonderauswertung" ausgewiesen - wir zeigen also den "niedrigeren" Betrag.

Bayern

Bayern liegt während des überwiegenden Teils des Untersuchungszeitraumes mit seinen Sätzen bundesweit an der Spitze. Die Pauschalbeträge, die in Bayern gezahlt werden, liegen gelegentlich sogar im zweistelligen Prozent-Bereich über den Empfehlungen des DV.

Baden-Württemberg

Die Zahlungen in diesem Bundesland lagen im Zeitraum vor 2015 einige Prozent über den Empfehlungen des DV. Dann hat man sich entschlossen, den Empfehlungen des DV zu folgen. Daraus wurden vier Jahre, ehe dann wieder eigene Beträge ermittelt wurden, die erneut etwas über den Empfehlungen des DV lagen.

Hamburg

Hamburg lag nahezu durchgehend (2011 hatten wir noch keine Zahlen) 2-3% über den Empfehlungen des DV. Der Vorsprung nahm aber in den letzten Jahren ab - und 2023 ist Hamburg knapp unter die vom DV empfohlenen Werte gefallen. Hamburg hat die vom DV empfohlenen Sätze zwar 2023 übernommen - aber sie sind erst im Februar 2023 eingeführt worden. Und das kostet dann übers Jahr gesehen knapp ein Prozent.

Nordrhein-Westfalen

Das größte Bundesland hat eine besonders auffällige Karriere in Bezug auf die Zahlungen der Pauschalbeträge. Während das Land bis 2013 zur Schlussgruppe gehörte - damals noch 5% weniger zahlte als vom DV empfohlen - hatte man sich in Düsseldorf offenbar dazu entschlossen, die Zahlungen nachhaltig aufzubessern. Ab 2016 laufen die Werte nah an den Empfehlungen des DV, bis es 2021 noch einmal einen auffällig großen Sprung nach oben gab. Nordrhein-Westfalen liegt nun knapp hinter Bayern. Und wenn es die ungleichmäßige Altersstaffelung der Beträge nicht gäbe (wenn also - wie in unserem Beispiel von eben gesehen - die Pflegeeltern jugendlicher Pflegekinder nicht erst ab 14, sondern schon ab 12 Jahren den Maximalbetrag der Sachkosten erhalten würden), dann läge Nordrhein-Westfalen sogar vorne.

Thüringen

Noch auffälliger als Nordrhein-Westfalen ist aber Thüringen: es war 2011-2013 abgeschlagenes Schlusslicht mit Abschlägen gegenüber den DV-Empfehlungen von teilweise über 10%. zwischen 2014 und 2021 hat man sich dann weiter in der Schlussgruppe aufgehalten aber mit steigender Tendenz, bis dann plötzlich in 2022 Beträge gezahlt wurden, die nahezu identisch mit denen der DV-Empfehlungen waren. Seit 2023 folgt Thüringen nun offiziell den Empfehlungen des DV.

Niedersachen

Niedersachsen ist unsichtbar in den Grafiken - es folgt ohne jegliche Abweichung den Empfehlungen des DV.

Rheinland-Pfalz

Vor 2023 ebenso unsichtbar wie Niedersachsen - ist Rheinland-Pfalz 2023 aus der Reihe der Länder, die dem DV folgen, ausgeschieden und hat eigene, niedrigere Beträge festgelegt.

Hessen

Hessen ist auf Dauer sichtbar in den Grafiken, obwohl es den Empfehlungen des DV auch immer folgt - allerdings immer mit einem halben Jahr Verzögerung. Daher kommt es insbesondere in Jahren höherer Inflation zu deutlichen Abweichungen nach unten.

Bremen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein

Diese Bundesländer folgen dem DV - gelegentlich mit Ausreißern, die zum Beispiel dadurch entstehen, dass man Empfehlungen des DV mit Zeitverzögerung umsetzt. Einen bemerkenswerten positiven Ausreißer gibt es bei Sachsen-Anhalt, das sich als einziges Bundesland bei der im Jahre 2022 auf zwei Gruppen von Beträgen erweiterten Empfehlung des DV für den höheren Betrag (die "Sonderauswertung") ausgesprochen hatte.

Die Reaktion der meisten Länder im Falle eines stärkeren Anstieges der Empfehlungen des Deutschen Vereins

Insgesamt ist festzustellen, dass immer dann, wenn der DV größere Sprünge vollzieht - 2019 und vor allem ab 2021 - zahlreiche Länder der vom DV eingeschlagenen Richtung nur träge folgen. Alle Länder, die 2019 eigene Zahlen genannt hatten, haben diese langsamer steigen lassen als der DV seine Empfehlungen. Und die aktuell erlebten Jahre der größeren Inflation lassen die Vorsprünge von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg dahinschmelzen wie das Eis in der Sonne. Es ist auch auffällig, wie andere von einem Bereich oberhalb der DV-Linie nun unter die Empfehlung rutschen (Hamburg 2023), oder nach unten ausbrechen (Saarland durch die um ein Quartal verzögerte Anpassung 2023, Hessen sowieso durch die immer um ein Halbjahr verzögerte Anpassung, Rheinland-Pfalz durch seinen "Abschied" von den Empfehlungen des DV 2023). Es erscheint offensichtlich, dass die aktuelle wirtschaftliche Lage die Länder und Kommunen vor große finanzielle Herausforderungen stellt.

Wie schon erwähnt kommen aber gute Nachrichten aus Thüringen: dieses Bundesland hatte sich vom Schlusslicht 2013 bis 2022 nahe an die Empfehlungen des DV herangearbeitet - und ist nun 2023 ohne Einschränkung dabei. Thüringen hat nicht nur den vom DV empfohlenen großen Sprung von 2022 auf 2023 mitgemacht, sondern zusätzlich noch seinen eigenen (wenn auch inzwischen kleinen) letzten Aufhol-Schritt vollzogen.

Berlin

Die Pauschalbeträge für Sachaufwand und Erziehungskosten in der Vollzeitpflege sind in der Hauptstadt seit 2012 nicht verändert worden. Damit lag Berlin bereits 2012 zu 5% unter den Empfehlungen des DV. Inzwischen (2023) hat sich ein beispielloser Abstand von über 28% gegenüber den Empfehlungen des DV eingestellt. Das bedeutet, wo der DV für eine Leistung oder einen Bedarf rechnerisch ein Betrag von 100 € empfiehlt, werden in Berlin nicht einmal 72 € ausgegeben.

Überdies ist zu erwähnen, dass die dreiteilige Altersstaffelung ungünstiger ist als bei den meisten anderen Bundesländern. Die beiden niedrigeren Stufen der Sachleistungen erhalten die Pflegeeltern während der ersten vierzehn Lebensjahre des Pflegekindes - anstatt wie empfohlen während der ersten zwölf. Die höchste Stufe der Sachleistungen erhalten nur Pflegeeltern von Jugendlichen ab 14 Jahren - also nur für vier Jahre anstatt wie empfohlen für sechs. Die Zahlungen für Pflegekinder in der Vollzeitpflege in Berlin sind also nicht nur deutlich niedriger als in jedem anderen Bundes-land, sie bleiben auch noch länger als in den meisten anderen Bundesländern auf niedrigeren Stufen für die Sachleistungen hängen.

Empfehlung des Deutschen Vereins für 2024

Der Deutsche Verein hat kürzlich (im September 2023) seine Empfehlungen für das Jahr 2024 veröffentlicht.

Der DV sieht sich dazu veranlasst, seine Empfehlungs-Beträge um (im Durchschnitt) 22,6% gegenüber 2023 anzuheben. Das erfolgt insbesondere durch eine Anhebung der Kosten der Erziehung. Diese lagen 2010 bei 220 €, waren bis 2023 auf 275 € gewachsen - werden aber jetzt vom DV mit 420 € ganz neu positioniert. In der Empfehlung ist der deutliche Anstieg ausführlich begründet.

Wir ergänzen unsere erste Grafik um diesen neuen (von uns wie oben ermittelten) Durchschnitts-Wert von 1293,33 €:

Wie werden sich die Länder im Jahre 2024 gegenüber den Empfehlungen verhalten?

Das weit abgeschlagene Schlusslicht Berlin müsste seine Sätze 2024 (nach unseren Durchschnitts-Berechnungen) um 69,1% erhöhen, um sie den Empfehlungen des Deutschen Vereins anzugleichen.

Wir werden Sie hier­ auf Moses Online und in unserer nächsten Ausgabe "Pflegefamilien-Finanzen 2024" ­ darüber informieren, wie die Länder die finanzielle Unterstützung ihrer Pflegekinder in Zukunft gestalten.

In der PDF-Datei (unten) finden Sie zusätzlich den Anhang mit den zu Grunde liegenden Daten.
 

Weiterlesen: 
Empfehlung

von:

Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege für 2024

Der Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat seine alljährliche Empfehlung zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2024 veröffentlicht. Neben der notwendigen Erhöhung der Kosten für den Sachaufwand, empfiehlt der Deutsche Verein auch eine Erhöhung der Kosten der Erziehung auf 420 € monatlich.

Das könnte Sie auch interessieren

Stellungnahme

Stellungnahme zu direkten Pflegegeldzahlungen bei Vollzeitpflege durch Freie Jugendhilfeträger

Die Bayrische Finanzverwaltung hat zu Leistungen des Jugendamtes für die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII, die über einen zwischengeschalteten freien Träger an die Pflegepersonen ausgezahlt werden, Stellung genommen und Bedingungen zur Einkommensteuer-Befreiung benannt.
Empfehlung

von:

Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung des Pflegegeldes für 2013

Der Deutsche Verein hat eine Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2013 empfohlen.
Gerichtsbeschluss erklärt

Honorare an Pflegeeltern für die Aufnahme eines Pflegekindes sind in der Regel steuerfrei

Urteil des Bundesfinanzhofes vom 5.11.2014 (am 27.5.2015 veröffentlicht): Auch Leistungen, die von einer privatrechtlichen Institution an Pflegeeltern/Erziehungsstellen gezahlt werden, sind als Beihilfe zur Erziehung nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, sofern sie zumindest mittelbar aus öffentlichen Mitteln der Jugendhilfe zur Förderung der Erziehung des Pflegekindes geleistet werden.
Arbeitspapier

Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2019

Der Deutsche Verein überprüft regelmäßig die Höhe der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege für die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Kosten für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen und passt sie einer eventuellen Steigerung der Lebenshaltungskosten der privaten Haushalte an. In den Empfehlungen 2018 wird eine Steigerung in allen Altergruppen empfohlen. Pauschalen zur Unfallversicherung und Alterssicherung bleiben unverändert.
Empfehlung

von:

Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege für 2016

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. empfiehlt für das Jahr 2016, die Pauschalbeträge für den Sachaufwand, die Anerkennung der Pflege- und Erziehungsleistungen von Pflegepersonen als auch die Pauschalbeträge für die Unfallversicherung und die Alterssicherung unverändert zu belassen.
Frage und Antwort

Anrechnung von Blindengeld in der Jugendhilfe?

Wir möchten für unser Pflegekind einen Antrag auf Blindengeld stellen. Wir dieses Blindengeld im Rahmen der Kostenheranziehung vom Jugendamt einbehalten?
Fachartikel

von:

Erhöhtes Pflegegeld für Pflegeeltern - Voraussetzungen und Durchsetzbarkeit

von Rechtsanwalt Steffen Siefert Mehrbedarf der Pflegeeltern bei erhöhten Anforderungen an Betreuung und Erziehung oder aus gesundheitlichen Gründen.
Empfehlung

von:

Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege für 2018

Am 12. September 2017 hat das Präsidium des Deutschen Vereins die Empfehlungen zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (§§ 33, 39 SGB VIII) für das Jahr 2018 verabschiedet.
Gerichtsbeschluss erklärt

von:

vom: 
07.09.2022

Sozialversicherungspflichtige Tätigkeit einer Pflegemutter?

Nach einer Vereinbarung mit einem Träger der Jugendhilfe zur vorübergehenden Aufnahme von Kindern in ihrer Familie, war die Pflegemutter der Ansicht, dass dies ein Arbeitsvertrag sei und beantragte einen sozialversicherungspflichtige Status bei dem Träger der Jugendhilfe. Dieser lehnte ab und es kam zur Klage.
Gerichtsbeschluss erklärt

Erziehungskostenanteil im Pflegegeld ist Einkommen

Der Anteil der Erziehungskosten im Pflegegeld gilt als Einkommen im Rahmen der Prozess- und Beratungshilfe. (Urteil OLG Bremen)