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Pflegekinder verstehen / 2
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In dieser Rubrik beschreiben Pflegeeltern Verhaltensweisen ihrer Pflegekinder, welche sie nur 'verstehen' konnten, weil sie von den Lebensbedingungen des Kindes in der Herkunftsfamilie wussten. Diese ersten Berichte für dieses und das letzte Magazin kommen von Pflegeeltern von CAPE Landesarbeitsgemeinschaft
Adoptiv- und Pflegefamilien NRW.
Wir würden uns sehr freuen, wenn sie uns auch über solche Verhaltensweisen und ihre möglichen Erklärungen berichten würden.
Lukas
Lukas, 6 Jahre alt, weigert sich auf seinen Familiennamen zu reagieren. Wird er in der Schule mit diesem benannt, „überhört“ er das. Papiere mit seinem Namen z.B Zeugnisse oder Arbeiten nimmt er nicht entgegen und „bockt“. Wir beantragen eine Namensänderung. Lukas bekommt einen neuen Nachnamen und es gibt keine Probleme mehr.
(Lukas Vater nannte die Mutter von Lukas, die den gleichen Familiennamen wie das Kind trug, immer „die Frau …..“ und bezeichnete sie mit Kraftausdrücken. Lukas hatte mit der Mutter als Person jedoch keine Probleme, er verband den Namen nicht mit der Mutter sondern mit den Kraftausdrücken)
Florian
Florian, 14 Jahre alt, hat große Angst vor Gewittern und verlässt sein Zimmer im Dunkeln nur ungern um z.B. zur Toilette zu gehen. Hat er das Gefühl, dass die anderen Hausbewohner schon zu Bett gegangen sind, macht er jede erreichbare Beleuchtung auf seinem Weg zur Toilette an, singt laut, beeilt sich. Wenn er dann wieder sein Zimmer betritt untersucht er jede Nische, jede Schublade, jeden Kasten, schaut unters Bett und in die Schränke, voller Angst, dass sich „Monster“ eingeschlichen haben könnten. Danach liegt er dann ängstlich im Bett und kann kaum einschlafen.
(Florian hat bis zu seinem 9. Lebensjahr in seiner Herkunftsfamilie nachts Monster- und Horrorfilme angeschaut die zum großen Teil selbst für Erwachsene ungeeignet waren. Seine Herkunftsmutter verließ oft das Zimmer, weil sie diese Filme „nicht ertragen“ konnte. Dann schaute das Kind auch alleine weiter.)
Fabian
Fabian, 6 Jahre alt kann keine geschlossenen Türen ertragen. Alle Türen müssen - vor allem abends - weit geöffnet sein. Einschlafen kann er nicht, nachts kommt er bis zu 20 (!) mal ins Schlafzimmer seiner Pflegeeltern um „wichtige“ Dinge zu erzählen. Richtig schlafen kann er nur auf Autofahrten, solange der Motor läuft.
(Fabian ist als 2 jähriger tage- und nächtelang allein in einer abgeschlossenen Wohnung in einem „Abbruchhaus“ gewesen, zusammen mit einem drogenabhängigen Mann, der an seiner Drogensucht verstorben war.)
Sebastian
Sebastian, 6 Jahre alt, hat panische Angst vor älteren Kindern und Jugendlichen und erträgt sie nur im Beisein eines Pflegeelternteils.
(Sebastian wurde von seiner drogenabhängigen Mutter in einer Drogenklinik hinterlassen. Da die Situation des Kindes erst einmal ungeklärt war, blieb das Kind allein und auf sich gestellt über Monate in dieser Einrichtung. Das Konzept der Einrichtung sah keine „Beaufsichtigung“ eines Kindes vor. Die in dieser Klinik zwecks Therapie lebenden Jugendlichen haben den Jungen missbraucht, immer wieder, zu zweit, zu dritt, zu viert.)
Julian
Julian, 14 Jahre alt, zeigt ein breites Grinsen, sobald er sich unsicher fühlt oder Angst hat. Je größer Unsicherheit oder Angst, desto breiter wird das Grinsen, geht über in ein Lachen, das er nicht unterdrücken kann. Seine Gegenüber fühlen sich provoziert, eine Spirale entsteht.
(Julian wurde von seinen Herkunftseltern nicht in die Schule geschickt, hatte keinerlei Sozialkontakte, musste immer „freundlich und höflich“ sein.)
Mike
Mike, 7 Jahre alt, kann mit Geschenken nichts anfangen. Er freut sich nicht, betrachtet sie, legt sie zur Seite und verschenkt sie weiter.
(Mike kommt aus einer drogenabhängigen Familie in der für das Kind Dinge gestohlen wurden die er dann geschenkt bekam, die ihm ein paar Tage später wieder weggenommen und dann zu Geld gemacht wurden um die Drogensucht der Eltern zu finanzieren. So besaß er bei seinem Einzug in die Pflegefamilie einen Gameboy ohne Spiele. Gameboys liegen offen im Geschäft, Spiele sind weggeschlossen und können nur schwer entwendet werden.)
Luke
Luke 12 Jahre alt uriniert in seinem Zimmer in Schränke, Wäsche und Kissen, hasst sich selbst, findet sich hässlich, ritzt.
(Luke stammt aus einer Familie in der die Mutter alleinerziehendes Missbrauchsopfer war und die eigene Vergangenheit nicht aufarbeiten konnte.)