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Alltag in einer Pflegefamilie
Themen:
Die Aufnahme eines Pflegekindes beeinflusst in hohem Maße die Art- und Weise, wie eine Familie lebt, besonders in den Bereichen
- Umgang der Familienmitglieder untereinander
- Integration im sozialen Umfeld (Nachbarn, Freunde, Vereine)
- Umgang und Auskommen mit Institutionen (Ämter, Schule, Kindergarten).
Das Pflegekind fühlt, denkt und handelt in anderer Weise als die Pflegeeltern dies durch ihre leiblichen Kinder gewöhnt sind.
Kinder reagieren auf das, was sie im Leben erfahren haben. Die Erfahrungen der Pflegekinder sind andere Erfahrungen, als die der leiblichen Kinder in Pflegefamilien.
Pflegekinder haben eine andere Lebensgeschichte und diese andere Lebensgeschichte prägt ihre Erfahrungen, ihre Befindlichkeiten, ihre Handlungen und ihr Verhalten.
Leibliche Kinder der Pflegeeltern haben fürsorgende Eltern erfahren auf die sie sich verlassen konnten. Dieses „sich auf die Eltern verlassen können“ ermöglicht den Kindern Vertrauen (Urvertrauen), Zugehörigkeitsgefühle, sichere Bindungen und Offenheit der Welt gegenüber zu entwickeln. Die Familie kann aufeinander bauen, sie kann einander vertrauen. Man „kennt“ sich eben.
Pflegekinder sind Kinder mit Erfahrungen von Vernachlässigung, von Trennungen, von Gewalt, von sexuellem Missbrauch.
Diese Erfahrungen prägen das Kind besonders im Hinblick auf seine Einschätzung von sich selbst und beeinflussen im hohen Maße seine Sicht der Welt. Die Erfahrungen, die Pflegekinder in ihren Herkunftsfamilien machen mussten, sind häufig für die Kinder überwältigend, nicht mitzubestimmen, nicht einschätzbar.
Die Kinder fühlen sich hilflos ausgeliefert, hoffnungslos verlassen, ohne Macht und ohne Aussicht auf eine Veränderungsmöglichkeit. Die Kinder haben noch kein Muster in ihrem Leben entwickeln können, mit dem sie dem Erleben von Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch gegenüber treten können. Diese Kinder sind durch ihre Erfahrungen traumatisiert.
Die Praxis schätzt, dass mindestens 50 % der Pflegekinder traumatisierende Erlebnisse hatten, bevor sie in eine Pflegefamilie vermittelt werden.
Auswirkungen
Solche Erfahrungen haben natürlich Auswirkungen auf das Kind und sein Verhalten.
So erleben wir die Kinder in Pflegefamilien mit nachfolgenden Verhaltensweisen und Gefühlen:
- wenig Vertrauen (Misstrauen)
- alles unter Kontrolle haben müssen
- negatives Selbstwertgefühl ( Schuldgefühle – ich bin schuld dass mir dies passiert ist)
- Beziehungsstörungen (mit allen mitgehen – Fremde zu nah heranlassen, Pflegeeltern außen vor lassen)
- Ängste (massive)
- Verwirrungen (extreme Gefühle hin und her)
- Loyalitätskonflikte (es allen recht machen wollen)
- Entwicklungsverzögerungen (Blockaden)
- Erlernen von Überlebensstrategien –Überlebenstechniken (früh überleben KÖNNEN)
- Werte können nicht erfahren, angenommen und umgesetzt werden
- Grundmangelgefühl (NIE genug zu bekommen)
- Gefühl: Leben ist Kampf
- Missverstehen der Gefühle anderer, z. B. Pflegeeltern, die nicht konsequent und klar handeln werden als weich und schwach empfunden)
- Wahrnehmungsprobleme (kein Erkennen von Gefahren, schmerzunempfindlich etc.)
- Häufig: Schwierigkeiten mit vorausschauendem Denken (sich von etwas ein Bild machen können und logischen Denken (Zusammenhänge erkennen)
- Konzentrationsprobleme – Unruhe
- Mangelnde Möglichkeiten, sich in jemanden einfühlen zu können oder
- Extremes Einfühlungsvermögen bei Menschen, von denen das Kind abhängig ist (z.B. misshandeltes Kind)
- Extremes Verhalten, oft schwankend: Aggression – depressives Verhalten
- Unrealistische Einschätzung von sich selbst
- Unrealistische Einschätzung von anderen
- Große Verführbarkeit – große Abhängigkeit von der Einschätzung durch Andere
Das Besondere beim Umgang mit Pflegekindern ist die Tatsache, dass diese Kinder auf die neuen Pflege/Adoptivfamilien ihre alten Erfahrung mit Familie, mit Eltern übertragen und nach einer ruhigen Phase der Eingewöhnung ihre bisherigen Lebensstrategien – die sie zum Überleben in der Herkunftsfamilie entwickelt haben – weiter nutzen.
Sie haben dadurch:
- Essensprobleme – Horten, Klauen, Überfressen etc. (Vernachlässigungserfahrungen)
- Verlassenheitsprobleme – nicht allein bleiben können – wann kommst du wieder? – gesucht werden wollen – was muss ich mit DIR tun, damit DU mich auch verlässt?
- Vertrauensprobleme: bisherige Erfahrung von nicht verlässlichen Eltern, die ihren Elternfunktionen ( versorgen, schützen, fördern, Da-Sein) nicht gerecht wurden.
- Beziehungsprobleme – besonders gravierende Auswirkungen, da im kindlichen Leben eigentlich alles über Beziehung läuft
Die Grundfragen eines Pflegekindes an seine Pflegeeltern, mit denen es eine neue Beziehung aufbauen will, lauten:
- kann ich mich auf Dich verlassen?
- tust Du was Du sagst?
- kannst Du mich schützen?
- bin ich Dir wichtig?
Pflegekinder haben aufgrund ihrer Lebensgeschichte andere Wichtigkeiten und andere Wertigkeit im Leben.
So passiert es immer wieder, dass die Kinder große Schulprobleme haben. Häufig aufgrund mangelnder Förderung in den ersten Lebensjahren, oft oder zusätzlich auch, weil sie mit anderen – für sie viel wichtigeren Dingen als z.B. Mathematik – beschäftigt sind. Denn sie sind dabei, neue Lebensmuster zu entdecken, neue Beziehungen zu finden, alte Narben heilen zu lassen etc. So entstehen häufig Blockaden im Bereich der Schulanforderungen.
Dies alles zeigt die hochgradige Unsicherheit und das innere Chaos des Kindes. Es hat Lebensmuster, die jetzt nicht mehr passen. Das Kind kann aber das Neue, dass es jetzt erlebt schwer nachvollziehen und verstehen. Obwohl sich die tatsächliche Lebenssituation für das Kind in der Pflegefamilie verändert hat, kann es diese Veränderung innerlich für sich erst nicht wahrnehmen und leidet weiter an einer Sicht der Welt, die unter den alten Bedingungen in der Herkunftsfamilie entstanden ist.
Pflegekinder sind in ihrer Gefühlsentwicklung bei weitem nicht altersgemäß entwickelt. Sie haben die Bedürfnisse von Kleinkindern. Und diese Bedürfnisse bestimmen Verhalten und Reaktionen.
Mit diesen zwiespältigen Gefühlen, Erfahrungen und Bedürfnissen leben die Kinder den Alltag in der Pflegefamilie.
Äußere Bedingungen, die das Leben des Pflegekindes beeinflussen
Dazu kommen noch äußere Bedingungen, die das Kind als Pflegekind in seiner jetzigen Familie erlebt und die natürlich das Kind beeindrucken:
Seine Position als Pflegekind bedeutet:
- einen anderen Namen zu haben
- Kind mit „alten“ Eltern zu sein,
- Kind mit „neuen“ Eltern zu sein
- Besuchskontakte - häufig schwierige – zu haben
- Ein „Jugendamt“Kind zu sein und evtl. einen Vormund zu haben
- Als „Pflegekind“ von seiner Umgebung gesehen und bewertet zu werden
- Oft eine unklare und damit unsichere Lebensperspektive zu haben
- etc .................
Dies ist alles andere als eine normale Lebenssituation.
Besonders für traumatisierte Pflegekinder bedeutet diese Situation, dass die Pflegefamilien ihnen das Notwendigste was sie brauchen – nämlich Sicherheit – oft nicht geben können.
Der Alltag in einer Pflegefamilie ist der Alltag, den die Pflegefamilie überhaupt leisten kann und dieser Alltag wird wesentlich mitbestimmt durch die o.a. äußeren Rahmenbedingungen die für das Pflegekind durch beteiligte Erwachsene wie Vormund, Jugendamt, leibliche Eltern etc. geschaffen wurden.
Phasen der Integration in die Pflegefamilie
Das Pflegekind durchschreitet in der Pflegefamilie verschiedene Phasen, die als Integrationsphasen bezeichnet werden. In diesen Phasen hat das Kind unterschiedliche Bedürfnisse und es braucht die auf diese Bedürfnisse ausgerichtete Reaktionen der Pflegeeltern.
Überanpassung
Nachdem das Kind in die Pflegefamilie gekommen ist, muss es sich erst einmal zu recht finden. In dieser Zeit ist das Kind überangepasst und versucht sich an den Gegebenheiten der Pflegefamilie zu orientieren.
Übertragung alter Erfahrungen auf die neue Lebenssituation
Hat das Pflegekind eine gewisse Annäherung an die Pflegeeltern vollzogen, beginnt die schwierige Phase der Übertragungen. Das Kind überträgt die Erfahrungen aus seiner Herkunftsfamilie auf die neue Pflegefamilie. Hier müssen die Pflegeeltern das ausbaden, was das Kind durch seine leiblichen Eltern erlebt hat.
Wesentlich zum Gelingen dieser Phase gehört das Wissen der Pflegeeltern um diese Übertragungen. Nicht sie (die Pflegeeltern selbst) sind gemeint, sondern das Kind arbeitet an den Pflegeeltern die Erfahrungen mit den leiblichen Eltern ab. Die Pflegeeltern sind gewissermaßen in einer Stellvertreterposition.
Beispiele von Übertragungsverhalten und Ratschläge zu möglichen Reaktionen:
1. Das Kind fragt immer mehrere Familienmitglieder, wenn es etwas wissen will. Es hört nicht zu, wenn ihm etwas gesagt wird. Es antwortet, ohne das, was es sagt wirklich zu meinen.
Reaktion der Pflegeeltern:
Nicht persönlich nehmen.
Verstehen, dass das Kind Verlässlichkeit und Ernstgenommen-Werden nicht gewöhnt ist. Es glaubt nicht, dass das, was die Pflegeeltern sagen, Konsequenzen hat. Dem Kind Verlässlichkeit zeigen. Es versorgen und dabei auf seine Wünsche eingehen. Kann das Kind die Versorgung annehmen, dann wird es auch eine zunehmende Abhängigkeit von den Pflegeeltern zulassen. Manchmal ist es auch sinnvoll, eine Sache, bei der es sich bisher nur auf sich selbst verlassen hat, als Pflegeeltern selbst zu übernehmen und es daher ein wenig in Abhängigkeit zu bringen. z.B. ein Kind, was sich bisher selbst morgens geweckt hat, nun zu wecken. Lässt es dies zu, lernt es zunehmend sich auf die Pflegeeltern zu verlassen.
2. Das Kind erzählt bei Nachbarn, Lehrern, dass es von den Pflegeeltern nichts zu essen bekommt.
Die Nachbarn sind irritiert. Einerseits halten sie dies für nicht möglich, so wie man die Nachbarn kennt, andererseits .... man weiß ja nie. Sie beginnen, dem Kind Essen oder Süßigkeiten zu geben und ringen sich schließlich durch, darüber mit den Pflegeeltern zu sprechen. Manche rufen auch das Jugendamt an.
Reaktion der Pflegeeltern:
Nicht persönlich nehmen.
Sprechen Sie mit dem Kind darüber, dass Sie verstehen, warum es das sagt – weil es früher Hunger gelitten hat und noch nicht so richtig weiß, ob Sie es denn auch wirklich auf Dauer versorgen werden, und dass es sich deswegen andere Quellen verschafft und warm halten will. Versichern Sie ihm, dass Sie es versorgen werden und dass es irgendwann dies mal glauben wird und dann keinen anderen mehr ansprechen muss.
Sprechen ist gut, handeln ist jedoch besser. Das Kind muss erfahren, dass die Pflegeeltern absolut zuverlässig sind und dass es immer zu bestimmten Zeiten Essen gibt. Vernachlässigte Kinder werden unruhig und unsicher, wenn sie sich
a) nicht auf bestimmte Zeiten verlassen können und
b) wenn sie nicht jederzeit an Essen können.
Dies bedeutet, dass für das Kind auch nachts etwas zu trinken und zu essen erreichbar sein muss. Eine Flasche Wasser, Knäckebrot, Obst neben seinem Bett gibt dem Kind ein Gefühl von Sicherheit und angenommen werden.
Mit den Nachbarn und den Lehrern müssen die Pflegeeltern sprechen und ihnen das Nötigste aus der bisherigen Lebensgeschichte des Kindes erzählen, damit sie verstehen. Sie sollten auch mit ihnen vereinbaren, dass das Kind von ihnen nur etwas zu essen bekommt, wenn es „eingeladen“ wird und die Pflegeeltern zugestimmt haben. Ansonsten wird das Kind in seinen Bedürfnissen auf die Pflegeeltern verwiesen, die ihm alles geben werden.
Natürlich müssen Pflegeeltern damit rechnen, dass Nachbarn, Lehrer, Freunde beobachten und hinschauen und dass es notwendig und nötig ist, eine „offene“ Familie zu sein.
3. Das Kind erklärt den Pflegeeltern, dass sie es hungern lassen, es allein lassen, es gar nicht haben wollen etc. etc.
Reaktion der Pflegeeltern:
Nicht persönlich nehmen.
Nicht angegriffen fühlen, es meint nicht Sie, es spricht die Ängste aus, die es hat. Nehmen Sie das Kind in die Arme, zeigen und sagen sie ihm, dass Sie es verstehen, dass es schlimmes durchgemacht hat und kein Vertrauen mehr besitzt. Sagen Sie ihm und zeigen Sie ihm, dass Sie sich sehr bemühen, damit es wieder glauben und seine Ängste vermindern kann.
4. Das Kind spricht nicht über seine Ängste, drückt sie aber durch sein Verhalten aus:
Es isst ohne Maßen, hortet Essen in seinem Zimmer oder sonst wo, kontrolliert die Pflegeeltern, fragt immer und immer wieder nach, provoziert, etc.etc.
Reaktion der Pflegeeltern:
Nicht persönlich nehmen,
sich sein Verhalten mit dem Wissen um seine Geschichte erklären und verstehen und seine Bedürfnisse herausfinden. Zuverlässig und konsequent sein. Einmal Gesagtes gilt und wird nicht nach genügend Gequängel zurück genommen. Das Kind will schwache Eltern inszenieren, aber starke Eltern erleben.
5. Das Kind läuft immer wieder weg, versteckt sich irgendwo oder droht mit Weglaufen
Reaktion der Pflegeeltern
Nicht persönlich nehmen,
verstehen dass es erfahren will, ob es wichtig genug ist um von Ihnen gesucht zu werden. Suchen oder die Suchaktion ausmalen. Zeigen, wie große Sorgen man hat und deutlich machen, dass Weglaufen gefährlich ist und daher Maßnahmen überlegen, wie Weglaufen zu verhindern sei. z.B. nachts die Haustür abschließen, es nicht allein irgendwo hin lassen können. Nachbarn , Polizei informieren...
6. Ein Kind provoziert den Pflegevater in extremen Maße. In der Auseinandersetzung setzt es immer noch eins drauf. Der Pflegevater hat das Empfinden, dass das Kind es darauf anlegt, von ihm geschlagen zu werden.
Reaktion der Pflegeeltern
Ruhig bleiben, nicht persönlich nehmen.
Das Empfinden des Pflegevaters ist völlig korrekt. Das Kind, das Gewalt erfahren hat, geht davon aus, dass Vater zuschlagen wird. Das ist sein Bild von Vater. Dieser Pflegevater hier will auch Vater sein, also wird auch er so handeln wie Väter eben handeln. Da er noch nicht zugeschlagen hat, liegt seine Zuschlag-Schwelle vielleicht höher. Also wird das Kind weiterhin provozieren, um den Pflegevater so weit zu bringen, dass auch er zuschlagen wird – und damit wird das Bild von „Vater“ bestätigt.
Die Chance für Kind und Pflegevater besteht nun darin, dass dieses Bild eben nicht bestätigt wird; dass der Pflegevater durch eine andere Reaktion auf die Provokation des Kindes deutlich macht, dass Gewalt keine Antwort ist und dass es andere Antworten und anderes Väterverhalten gibt.
Die passenden Reaktionen der Pflegeeltern ermöglicht es dem Kind, Vertrauen aufzubauen und sich näher den Pflegeeltern anzuschließen.
Neue Kind-Eltern-Beziehung
So erreichen viele der Kinder die dritte Phase der Integration: Sie machen ihre Pflegeeltern zu ihren neuen Eltern – zu Mama und Papa, zu ihren engsten emotionalen Bezugspersonen.
Auch hier tritt ein Verhalten auf, dass die Pflegeeltern wissen müssen, um nicht zu erschrecken oder unangemessen zu reagieren. Das Kind verfällt den Pflegeeltern gegenüber in ein kleinkindhaftes Verhalten. Das Pflegekind wird wie ein kleines Kind um gewissermaßen wieder wie von vorn eine Kind-Eltern-Bindung gestalten zu können.
Dieses Verhalten ist ein großer Schritt zu den Pflegeeltern hin. Das Kind muss besonders hier so behandelt werden, wie es sich gerade gibt – also als Kleinkind – und nicht seinem wirklichen Alter entsprechend. Es hat die Bedürfnisse eines Kleinkindes, und dies nur den Pflegeeltern gegenüber. Es möchte von Ihnen gewiegt, babyhaft versorgt und stark beachtet werden. Es spricht häufig babyhaft und klammert. Manchmal möchte das Kind ein Babyfläschchen haben und nuckeln.
Diese Phase dauert ein paar Wochen, dann hat das Kind sich engstens an die Pflegeeltern angeschlossen.
Grenzen setzen – Strukturen geben
Pflegekinder haben in ihren Herkunftsfamilien höchst ungeregelte, uneinschätzbare Tagesabläufe erlebt. Sie kennen keine immer wiederkehrenden Traditionen (Geburtstage, Weihnachten, Ostern etc) oder vertrauen gebende Rituale (Vorlesen vor dem Einschlafen etc.).
Je chaotischer die innere Welt des Pflegekindes ist, umso mehr braucht es einen geordneten äußeren Rahmen
Wichtig sind daher klare Regeln und Grenzen:
1. WIR sind die Eltern, DU das Kind – WIR haben die Verantwortung
2. Schaffen von Bindung und Abbau der Distanzlosigkeit durch klare Regeln:
- Du gehst mit keinem mit außer .......
- geküsst werden nur Familienmitglieder
- auf den Schoß genommen wirst du nur von Familienmitgliedern
- Essen beim Nachbarn nur mit Erlaubnis der Pflegeeltern
- etc.......
3. es gibt einen immer wiederkehrender zuverlässiger Tagesablauf
4. ALLE Gefühle sind o.k.
5. Einmal vereinbartes wird durchgeführt
6. Mehr Handeln als Reden (nicht zu „labernden“ Eltern werden)
Besonderer Appell an die Pflegeeltern: Achten Sie auf sich selbst
Suchen Sie sich Menschen, mit denen Sie reden können und die wissen, was ein Pflegekind ist.
Haben Sie Geduld – nicht nur mit dem Kind – auch mit sich.
Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen – versuchen Sie statt dessen, die Bedingungen des Pflegeltern-Seins so zu beeinflussen, dass Leben und Alltag überhaupt möglich ist d.h. äußern auch SIE Ihre Vorstellungen z.B. in Hilfeplangesprächen.
Manchmal ist es auch wichtig und notwendig zu überlegen, unter welchen Bedingungen kann und will ich noch - und ab wann geht es nicht mehr.
Verschaffen Sie sich Wissen – individuelles Wissen über die Lebenserfahrungen des Kindes und generelles Wissen zur Pflegekindschaft - nur so können Sie das Pflegekind häufig erst verstehen, und sich selbst vor schlechtem Gewissen schützen.
Fordern Sie Hilfe ein. Ein Pflegekind groß zu ziehen ist eine schwere Aufgabe. Sie sind nicht allein verantwortlich. Teilen Sie die Verantwortung mit Vormund, Sozialarbeitern, Beratern. Sehen Sie sich als Teil eines Teams, in dem Jeder seinen Teil der Verantwortung trägt.
Auch wenn die Pflegekinder sich schon in die Familie integriert haben, passieren immer wieder Rückschritte und Krisen. Jede Verunsicherung des Kindes z.B. durch Umzug, Schulwechsel, andere Lehrer etc. lässt die alten Lebensmuster des Kindes wieder aufbrechen.
Besonders in der Pubertät durchlebt das Pflegekind noch einmal die schon längst überwunden geglaubten problematischen Verhaltensweisen.
Sie haben nicht versagt, wenn dies so geschieht – und – geben Sie nicht auf. Durchleben Sie mit Ihrem Kind diese schwierigen Zeiten. Es braucht Sie, um sein Leben gemeistert zu bekommen und es braucht Ihre Geduld und Ihre Zuversicht, um auch selbst Zuversicht zu erreichen. Was passiert mit dem Kind, wenn sogar die Pflegeeltern aufgeben?
Geduld gilt auch für die Helfer und die Sozialarbeiter des Jugendamtes oder der freien Träger.
Die Beendigung eines Pflegeverhältnisses ist selten die Lösung eines Problems. Besser ist es, die Beziehung des Kindes an seine Pflegeeltern zu akzeptieren und diesem Kind in „seiner“ Familie so zu helfen, wie jedem anderen Kind in seiner Familie auch geholfen würde.
Die Pflegefamilie bedarf häufig familienstützender Hilfen, um dem Ganzen gerecht zu werden.
Als hilfreich haben sich zum Beispiel erwiesen:
- Familienbeistände,
- Schulaufgabenhilfe,
- Einzelvormundschaften,
- regelmäßige Kinderbetreuung ( Auszeit - damit die Eltern mal Luft holen können)
- und jedwede andere, individuell zugeschnittene Maßnahmen, die dieser Familie weiterhelfen.
Meist sind solche Hilfen erheblich sinnvoller (und auch kostengünstiger) als die Beendigung eines Pflegeverhältnisses.
Das Pflegekind kommt in die Familie um neue Lebensmuster zu erfahren und Beziehungen zu erleben. Wenn all dies „einfach“ beendet wird, erfährt das Kind wiederum unzuverlässige, enttäuschende und ablehnende Erwachsene. Meist wollen die Pflegeeltern auch in Krisen weitermachen, sie wissen oft jedoch nicht wie und brauchen selbst Achtung und Unterstützung.
Alltag in der Pflegefamilie bedeutet auch, Sicherheit darin zu haben, dass Probleme benannt und erwähnt werden dürfen, ohne dass „Probleme benennen“ direkt mit Überforderung gleichgesetzt wird.
Standards im Pflegekinderwesen
Hilfreich für die Gesamtheit des Pflegekinderwesens sind gemeinsam erarbeitete Standards. Wenn sich die Planer und Helfer im Jugendamt mit den Alltagsmanagern, den Pflegeeltern, zusammensetzen und gemeinsam überlegen, werden hilfreiche und nutzbringende Ergebnisse zur Unterstützung der Pflegekinder dabei herauskommen.
Gemeinsame Konzeptüberlegungen, gemeinsam besprochene Fort- und Weiterbildungen, gemeinsame Ideenentwicklung für Krisensituationen bringen das Pflegekinderwesen vor Ort voran.
Dazu bedarf es einerseits Vertreter der Pflegeeltern in Selbsthilfe-Initiativen, die Gesprächspartner des Jugendamtes sind, und andererseits gegenseitige Akzeptanz und Achtung.
Dann wird es ein gemeinsames Haus „Pflegekinderwesen“ geben, in denen verschiedene Sichtweisen zu einem großen Ganzen zusammengetragen werden können.
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Aufwachsen in der Familie – Auszüge aus einer Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter