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Auswirkungen psychischer Erkrankung im Herkunftssystem auf die Pflegefamilie
von Dr. Phil. Richard M. L. Müller-Schlotmann
Mit der Aufmerksamkeit, die Kindern psychisch kranker Eltern in der Fachpresse seit wenigen Jahren erhalten, wird auch das Pflegekinderwesen zunehmend sensibel für die besondere Problemlage von betroffenen Kindern. Fachkräfte des Pflegekinderdienstes berichten immer häufiger über zu Grunde liegende vermutete oder diagnostizierte psychische Erkrankungen von Eltern, deren Kinder auf Dauer in Fremdpflege vermittelt wurden. Immerhin wird in Deutschland jährlich etwa 6000 Eltern das Sorgerecht entzogen, weil sie auf Grund einer psychischen Erkrankung nicht angemessen für ihre Kinder sorgen können (Sommer u.a. 2001, 500). Viele dieser Kinder werden in Dauerpflegefamilien vermittelt. Dabei werden die Pflegeeltern häufig nicht ausreichend auf die besonderen Folgen einer psychischen Krankheit in der Herkunftsfamilie vorbereitet und benötigen eine kompetente Begleitung.
Wagenblass (2003, 9) bezeichnet psychische Erkrankungen als Familienkrankheiten, weil alle Familienmitglieder betroffen sind. Werden Kinder psychisch kranker Eltern in Pflegefamilien vermittelt, wirkt sich die Inpflegegabe gleich in mehrfacher Hinsicht auf die Pflegefamilie aus.
- In der Beziehungsgestaltung zwischen den Pflegeeltern und dem Kind spiegelt sich die Erfahrung des Kindes wider, das mit einem psychisch erkrankten Elternteil zusammen gelebt hat.
- Die Gestaltung von Umgangskontakten bedarf wegen der krankheitsbedingten unklaren Abgrenzungen einer besonderen Sorgfalt.
- Die psychische Erkrankung wirkt sich in der Beziehung zwischen der Herkunftsfamilie und den Pflegeeltern aus.
- Pflegeeltern, Herkunftsfamilie und das Kind benötigen Hilfe und Unterstützung, um ihre komplexen Beziehungen erfolgreich zu sortieren und zu regeln.
Kinder psychisch kranker Eltern
Kinder sind von der psychischen Erkrankung eines Elternteils in besonderer Form betroffen. Sie sind häufig die ersten Personen, die lange bevor sie als solche erkannt wird, mit der Krankheit konfrontiert werden (Wagenblass 2003, 10). Häufig wird die Krankheit über einen kurzen oder längeren Zeitraum von den Familienmitgliedern als solche gar nicht wahrgenommen. Wahrnehmungsstörungen, das Gefühl, verfolgt oder beobachtet zu werden, oder Depressionen werden nicht als Krankheitssymptom erkannt. Die erkrankten Personen stoßen eher auf peinliches Schweigen, Unverständnis oder Hilflosigkeit und werden zu Änderungen im Verhalten aufgefordert, zum Beispiel sich nicht so gehen zu lassen. Es vergeht nicht nur viel Zeit, bis eine wirksame Hilfe einsetzt, den Betroffenen wird nicht selten die Verantwortung an einem Verhalten zugeschrieben, das sie von sich aus und ohne professionelle Hilfe nicht verändern können.
Manchen Kindern wird durch den gesunden Elternteil oder Verwandte eine Teilschuld an der Krankheit übertragen.
Die Kinder erleben diesen Prozess hautnah mit. Im Verlauf von den ersten Symptomen der Krankheit bis zur Diagnose und Behandlung spielen nicht nur ihre eigene Verunsicherung und Hilflosigkeit eine große Rolle, sondern auch die der beteiligten Erwachsenen. Die Kinder leiden unter ambivalenten Gefühlen. Hass, Mitleid, Enttäuschung, Hilflosigkeit, Scham begleiten den Abschied aus einer unbeschwerten Kindheit (Hipp, Staets 2003, 27). Von den Kindern werden Verständnis, Rücksichtnahme, Unterstützung und eine größere Selbstständigkeit erwartet. Häufig entwickeln die betroffenen Kinder Schuldgefühle, weil sie Wut auf einen Elternteil empfinden, der sie durch seine Erkrankung allein lässt. Manchen Kindern wird durch den gesunden Elternteil oder Verwandte eine Teilschuld an der Krankheit übertragen. Sie glauben oder hören, dass Mutter oder Vater krank geworden sind, weil sie nicht gehört haben oder wegen ihres aggressiven oder aufsässigen Verhaltens.
Einige psychische Erkrankungen nehmen einen schleichenden Verlauf; die ersten Anzeichen sind eher ungewöhnlich als beängstigend. Es kann sein, dass sich der erkrankte Elternteil von seiner Umgebung beobachtet fühlt. Andere Krankheiten verlaufen in Phasen, in denen sich eher normale Zeiten mit Zeiten eines Krankheitsschubes abwechseln. Kinder sind ebenso wenig wie viele Partnerinnen und Partner der erkrankten Person in der Lage, Depression von normaler Traurigkeit und Niedergeschlagenheit oder Manie von Freude und Ausgelassenheit zu unterscheiden.
Die Belastungen für die Kinder sind groß. Sie trauen ihrer eigenen Wahrnehmungen nicht.
Die Belastungen für die Kinder sind groß. Sie trauen ihrer eigenen Wahrnehmungen nicht, sie geraten in Loyalitätskonflikte zwischen den Eltern, sie versuchen das Zusammenleben zu stabilisieren. Insbesondere bei phasisch verlaufenden Krankheiten gibt es zudem zwischen den Krankheitsschüben immer wieder Zeiten, in denen es den Eltern gut geht – und in denen sie manchmal alles wiedergutmachen wollen, was sie in anderen Phasen der Krankheit den Kindern zugemutet haben. Diese Erfahrung kann dazu beitragen, dass das Kind Schuldgefühle entwickelt, weil es seine Wut auf und seine Scham über die Eltern als ungerecht empfindet.
Ängste bestimmen den Alltag betroffener Kinder: Ängste vor dem kranken Elternteil ebenso wie Ängste um ihn; die Angst um die Stabilität der Familie und vor dem Verlust wichtiger Beziehungen; Ängste vor dem eigenen Versagen, der eigenen Überforderung und Ängste vor den eigenen Gefühlen. Kinder empfinden Angst vor dem unzuverlässigen, in seinen Stimmungen extrem schwankenden und unberechenbaren Elternteil. Vielfach wissen die Kinder nicht, in welcher Gemütsverfassung ihre kranken Eltern sind, wenn sie nach Hause kommen. Häufig ist die manchmal plötzliche stationäre Aufnahme im Krankenhaus auf unabsehbare Dauer für die Kinder mit Verlustängsten gekoppelt.
Entsprechend reagieren die Kinder mit einer Reihe unterschiedlicher Verhaltensauffälligkeiten (Knuf 2000, 37); sie erscheinen abwesend, kauen Nägel, nässen ein, leiden unter Wahrnehmungsstörungen, es kommt zu Schulschwierigkeiten oder fremd- oder autoaggressivem Verhalten.
Beziehungsgestaltung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern
Zu Beginn der Fremdunterbringung scheinen viele Kinder die wohltuende Ruhe, den verlässlichen Tagesablauf und die entspannte Atmosphäre in der neuen Familie zu genießen. Sie genießen die „Normalität“ der Familie. Früher oder später wird das Kind seine Erfahrungen mit Elternfiguren und seine Strategien, mit denen es in der Herkunftsfamilie die Situation bewältigt hat, in der Pflegefamilie anwenden. Sein Misstrauen in die Verlässlichkeit von erwachsenen Personen in Elternpositionen, seine Ängste und Gefühle tauchen wieder auf.
Je nach persönlichen Einstellungen des Kindes, seinen Bewältigungsstrategien, seiner Fähigkeit zu unterscheiden, seinem Kontrollbedürfnis und seinem Vertrauen in die eigene Wahrnehmung, wird das Kind, dessen Vertrauen in Eltern erschüttert ist, mit dem Wunsch nach mehr Nähe oder nach mehr Distanz zu den Pflegeeltern reagieren. Bei jedem betroffenen Kind ist damit zu rechnen, dass es auf alltägliche Stimmungsschwankungen, Gefühlsausbrüche und Krankheiten der Pflegeeltern in einem besonderen Maße mit Veränderungen in seinem Verhalten mal ängstlich, mal besorgt, mal umsorgend, mal aggressiv fordernd reagiert. Vielleicht versucht es auch, eine Erkrankung der Pflegeeltern zu leugnen, sie nicht wahrzunehmen, weil sie große Ängste auslöst.
Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass viele Kinder psychisch kranker Eltern in Dauerpflegefamilien großen Wert auf eine „normale“ Familiensituation und die Zugehörigkeit zur Pflegefamilie legen.
Obwohl keine Untersuchungen über die spezifischen Folgen für betroffene Pflegekinder vorliegen, deuten die bisherigen Erfahrungen darauf hin, dass viele Kinder psychisch kranker Eltern in Dauerpflegefamilien großen Wert auf eine „normale“ Familiensituation und die Zugehörigkeit zur Pflegefamilie legen. Dazu gehört eine deutliche Distanzierung von ihrer Herkunftsfamilie; häufig wünschen die Kinder – zunächst - keinen Kontakt zu den Herkunftseltern. Der deutlich geäußerte Wunsch nach einer klaren Abgrenzung von der Herkunftsfamilie verlangt wegen der psychischen Erkrankung ein besonderes Fingerspitzengefühl in der Zusammenarbeit zwischen Pflegefamilie und Herkunftsfamilie.
Beziehungsgestaltung zwischen leiblichen Eltern, Pflegeeltern und dem Kind im Besuchskontakt
Nach der Verabschiedung aus dem Besuchskontakt zu seiner Mutter schaut der 5-jährige Junge nochmal zur Tür rein und ruft: „Du bist nicht meine Mutter!“ Ein anderes Kind zerkratzt sich vor der Begegnung mit der Mutter das Gesicht. Mit Unterstützung formuliert es seine Angst vor unangenehmen, überwältigenden Umarmungen durch die Mutter. Er übt mit der Pflegemutter, wie er diese Umarmungen durch die Mutter vermeiden kann. Er übt, Grenzen zu setzen, Nein zu sagen und sich auf den Schutz durch die Pflegeeltern zu verlassen. Im Besuchskontakt geht er sehr bestimmend mit der Mutter um und kontrolliert damit die belastende Situation.
Manchmal zeigt sich im Besuchskontakt deutlich, wie Eltern und Kinder miteinander umgegangen sind.
Manchmal zeigt sich im Besuchskontakt deutlich, wie Eltern und Kinder miteinander umgegangen sind und welche Strategien insbesondere die Kinder entwickelt haben, um mit den zumeist an ihren eigenen Bedürfnissen statt an denen des Kindes orientierten Verhaltensweisen der Eltern umzugehen. So verfällt ein Junge im Besuchskontakt in kleinkindliches Verhalten und spricht mit piepsiger Stimme in Babysprache.
Einzelbeobachtungen in Umgangskontakten von Pflegekindern mit ihren Eltern zeigen einen Bedarf an systematischer Forschung auf. Es ist nicht nur von Interesse, ob Kinder psychisch kranker Eltern auffallend häufig Besuchskontakte zu ihren leiblichen Eltern verweigern, sondern vor allem auch, welche Beweggründe der Weigerung zu Grunde liegen. Es bieten sich verschiedene Erklärungen an. Schließlich macht es einen Unterschied, ob das Kind einen Loyalitätskonflikt zwischen leiblichen und Pflegeeltern empfindet, sensibel die Bedenken der Pflegeeltern vertritt, unter einer gestörten Bindung zum leiblichen Elternteil leidet, Angst vor unberechenbaren Gefühlsäußerungen der Eltern hat oder die Eltern nicht wiedererkennt, weil sie sich durch die Einnahme von Medikamenten in ihrem Verhalten oder ihrem äußeren Erscheinungsbild stark verändert haben. Entsprechende Ergebnisse müssten Anhaltspunkte für einen förderlichen Umgang mit Umgangskontakten, für die Vorbereitung der Kontakte und der Beteiligten, ergeben.
In vielen Familien haben Kinder durch Schweigegebote rigide Grenzen nach außen erlebt. Sie konnten sich keine Hilfe und Unterstützung holen
Psychische Erkrankungen sind Krankheiten, die im Familiensystem Ängste vor dem Versagen, dem Scheitern auslösen. Die Reaktionen sind darauf ausgerichtet, die Familie zu erhalten. Nach der Fremdplatzierung der Kinder in einer Dauerpflegefamilie ist das Schlimmste passiert, das die Eltern befürchtet haben, nämlich, dass sie nicht mehr mit ihren Kindern zusammenleben können. Der Schutz der Familie vor dem Auseinanderbrechen, vielfach ausdrücklich durch Kommunikationsverbote über die Krankheit sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familie, hat nicht funktioniert. In vielen Familien haben Kinder durch Schweigegebote rigide Grenzen nach außen erlebt. Sie konnten sich keine Hilfe und Unterstützung holen. Nach innen sind die Grenzen, zwischen den Personen und ihren Bedürfnissen häufig verschwommen, diffus. Dies lässt sich zum Beispiel beobachten, wenn die Grenze zwischen der Ebene der Eltern und der Ebene der Kinder durch einen Rollentausch, in dem die Kinder den Eltern gegenüber Aufgaben von Eltern oder Partnern übernehmen, unklar wird.
Die Pflegekinder brauchen in der Begegnung mit leiblichen Eltern Sicherheit und Rückzugsmöglichkeiten. Diese bieten ihnen häufig die Pflegeeltern selber, wenn die Pflegekinder das notwendige Vertrauen in sie gefasst haben. Die gemeinsame Gestaltung von Besuchskontakten ist schwierig, weil leibliche Eltern und Pflegeeltern häufig das Gefühl haben, sich gegenseitig zu beobachten oder beobachtet fühlen. Auf dem Hintergrund der psychischen Erkrankung und einer mit ihr verbundenen verzerrten Wahrnehmung werden Verhaltensweisen und verbale sowie nonverbale Äußerungen der Pflegeeltern häufig missverstanden. Aber auch die Pflegeeltern sind sensibel für die für das Verhalten der leiblichen Eltern.
Sowohl die Pflegeeltern als auch die leiblichen Eltern benötigen eine gute Vorbereitung, Nachbesprechung und zumindest zu Beginn der Besuchskontakte in der Regel eine Begleitung, die von allen Seiten – auch vom Kind – akzeptiert wird. Die Reflektion von Besuchskontakten darf nicht zu kurz kommen, um Wünsche und Wahrnehmungen zeitnah zu besprechen. Nur durch einen regelmäßigen Austausch und Kontakt ist es erfahrungsgemäß möglich, das notwendige Vertrauen aufzubauen.
Beziehungsgestaltung zwischen der Herkunftsfamilie und den Pflegeeltern
Schmerz und Enttäuschung über die Trennung von den Kindern, distanzierte Reaktionen des Kindes, sein Geborgensein in seiner neuen Familie, die die Eltern ja in der Regel nicht selbst sehen, sondern nur über Dritte erfahren, kann auf der Seite der Herkunftsfamilie zu Misstrauen führen. Die psychische Erkrankung kann ebenso wie die Angst des erkrankten Elternteils vor der Entfremdung des Kindes zu einer verzerrten Wahrnehmung beitragen. Die Eltern können schnell das Gefühl bekommen, das Jugendamt und die Pflegeeltern nähmen ihnen das Kind weg. Selbstzweifel verstärken sich, Depressionen finden weitere Nahrung.
Die Pflegeeltern müssen einen Weg finden, sich abzugrenzen und ihre Familie und das Pflegekind vor Überforderungen zu schützen, ohne die leiblichen Eltern vor den Kopf zu stoßen.
Andere Auswirkungen der Krankheit können sein, dass die leiblichen Eltern sich selbst Unterstützung und emotionale Versorgung durch die Pflegeeltern wünschen. Die Grenzen zwischen den Familien, insbesondere zwischen den Erwachsenen drohen diffus zu werden. Damit können Eltern ihrer Elternrolle, die sie dem Kind gegenüber auch dann noch haben, wenn es in einer Pflegefamilie lebt, nicht mehr gerecht werden. Andere leibliche Eltern versuchen die Pflegeeltern zu vereinnahmen und zu Verbündeten zu machen. Die Pflegeeltern müssen einen Weg finden, sich abzugrenzen und ihre Familie und das Pflegekind vor Überforderungen und vor dem eigenen Impuls, helfen zu wollen schützen, ohne die leiblichen Eltern vor den Kopf zu stoßen.
Ohne den Austausch von Wünschen, Erwartungen und Informationen für alle Beteiligten in einer möglichst offenen Atmosphäre ist die Gefahr groß, dass die Besuchskontakte auf Dauer gefährdet sind. Zu den Absprachen gehören die Festlegung des Ortes, des Rhythmus, die Dauer und der Erlaubnis der vorzeitigen Beendigung auf Grund von Signalen des Kindes. Zur Abgrenzung der Familiensysteme ist es ratsam, dass Besuchskontakte nicht in der Pflegefamilie stattfinden. Der Austausch zwischen den Pflegeeltern und leiblichen Eltern sollte regelmäßig stattfinden. Es muss festgelegt werden, wer im Falle von Spannungen oder Beschwerden angesprochen wird. Eine schnelle und zuverlässige Erreichbarkeit hilft, frühzeitig auf Krisen zu reagieren.
Die Pflegeeltern müssen die Krankheit und ihre Wirkung verstehen.
Die Pflegeeltern müssen die Krankheit und ihre Wirkung verstehen. In der Regel finden die Kinder einen Weg, wenn die leiblichen Eltern ihr Verhalten nicht den Bedürfnissen und der Entwicklung der Kinder anpassen können. Diesen Gestaltungsraum zu erkennen und den Kindern zu lassen, kann für die Kinder sehr wichtig sein. Die Krankheit zu verstehen und dieses Verständnis an die Kinder weiterzugeben, hilft den Kindern, diesen Weg trotz ihrer ambivalenten Gefühle den leiblichen Eltern gegenüber zu finden.
Bisher kommt bereits die Vorbereitung der Pflegeeltern zu kurz. Hier bedarf es einer kompetenten Begleitung. Die Thematisierung von speziellen Auswirkungen psychischer Erkrankungen von Eltern auf die Kranken selber, auf die Kinder und andere Familienmitglieder, auf das soziale Umfeld der Familie und auf das System der Pflegefamilie macht Pflegeeltern für Beziehungsaspekte mit dem Kind und mit den psychisch kranken Eltern und deren Familie sensibel.
Die Herkunftseltern benötigen ebenfalls eine Unterstützung, um ihre eigenen Ängste und Wünsche zu formulieren und um den Kindern ihre Erkrankung und deren Auswirkungen zu erklären. Sie fühlen sich häufig für ihr Handeln verantwortlich, obwohl der Grund für ihre Apathie, Ängste, Wahrnehmungsstörungen, Gefühlsschwankungen, emotionalen Ausbrüche, Vernachlässigung von Haushalt und Familie in ihrer Erkrankung liegt. Ziel ist es, verantwortlich mit der Erkrankung umzugehen. Besonders wertvoll ist es, wenn die leiblichen Eltern mit den Kindern über ihre Krankheit sprechen.
Aufklärung und Anregungen für die eigene Verarbeitung erhalten Kinder mit der Einwilligung der Sorgeberechtigten auch über Ärzte und therapeutische Gruppenarbeit.
Beziehungsgestaltung zwischen Jugendamt, Pflegefamilie und Herkunftsfamilie
Um ihre komplexen Beziehungen untereinander erfolgreich zu regeln, bedarf es einer sachkundigen und von allen Seiten akzeptierten Begleitung. Die Erwartungen und Wünsche untereinander müssen geklärt werden und der Schutz des Kindes sicher gestellt sein. Wenn klare und verbindliche Absprachen getroffen werden, muss gleichzeitig deutlich werden, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Ein regelmäßiger Kontakt zwischen den Beteiligten in einem übersehbaren zeitlichen Rahmen trägt dazu bei, Konflikte frühzeitig aufzudecken und zu bearbeiten.
Abgrenzungen, klare Absprachen, Erreichbarkeit, Beschwerdemanagement sind wichtige Stichworte für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt und den beteiligten Familien.
Abgrenzungen, klare Absprachen, Erreichbarkeit, Beschwerdemanagement sind wichtige Stichworte für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Jugendamt und den beteiligten Familien. Im Mittelpunkt steht das Kind, das als Mitglied in der Pflegefamilie, in der Herkunftsfamilie und nicht zuletzt im System der Jugendhilfe auf Klarheit und Verlässlichkeit angewiesen ist. Es ist hilfreich, wenn die Kontakte zwischen den Familien durch eine eher außen stehende Person koordiniert werden, die das Gesamtsystem und Wechselwirkungen zwischen den Beteiligten beobachten kann.
In vielen Fällen wird es eine Zeit lang dauern, bis Pflegeeltern und leibliche Eltern Kontakte ohne fachliche Begleitung und Vermittlung halten und Besuchskontakte durchführen.
Literatur
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Wagenblass, S.: Wenn Eltern in ver-rückten Welten leben ... Soziale Psychiatrie 3/2003, 8 – 11
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Wagenblass, S./Schone, R.: Zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe – Hilfe- und Unterstützungsangebote für Kinder psychisch kranker Eltern im Spannungsfeld der Disziplinen. . Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 2001, 580-589
Autor: Dr. phil. Richard M. L. Müller-Schlotmann
von:
Gutachten Opferentschädigungsleistungen und Kostenbeteiligung