Sie sind hier
Besuchskontakte im Zeichen des Kindeswohls
Themen:
Während es in einigen Regionen völlig selbstverständlich ist, das Pflegekinder Besuchskontakte zur leiblichen Familie haben, ist die Prozentzahl in anderen Regionen wesentlich geringer. Offensichtlich kommt es auch sehr stark auf die Philosophie der Pflegekinderunterbringung einzelner Jugendämter an und natürlich auf Beschlüsse und Urteile der Gerichte.
Gerade das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten Jahren zur Frage umstrittener Besuchskontakte einige grundlegende Urteile gefällt, die das Pflegekinderwesen prägen. Auf diese Urteile möchte ich nachfolgend das Augenmerk richten.
Was ist der Sinn von Besuchskontakten?
Das Bundesverfassungsgericht hat den Sinn von Besuchskontakten in seinen Entscheidungen wie folgt ausgedrückt:
"Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen".
Im Pflegekinderhandbuch des DJI heißt es für die Pflegekinder dazu auf S. 565 :
"Das Kind soll die Gelegenheit haben, persönliche Kontakte zu seinen Eltern zu pflegen, wenn es nicht bei ihnen aufwachsen kann. Es soll seine Eltern sehen können, aber auch mit ihnen telefonieren, emailen oder Briefe schreiben, um sich ein eigenständiges, auf persönlichen Erfahrungen beruhendes Bild von ihnen und ihren Absichten machen zu können, sich mit seiner Herkunft auseinanderzusetzen und die emotionalen Bedingungen zu seiner leiblichen Familie aufrechtzuerhalten bzw. aufzubauen oder weiterzuentwickeln".
Gesetzliche Grundlagen zum Umgang:
Der Gesetzgeber geht im Grundsatz davon aus, dass der Umgang mit den Eltern dem Interesse des Kindes und seiner Entwicklung dient und somit seinem Wohl entspricht.
Hierzu gibt es deutliche Gesetzesregelungen:
§ 1626 BGB Elterliche Sorge
Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich sind.
Erläuterungen aus dem Pflegekinderhandbuch des DJI zu dieser Regelung: S. 565
Die dort aufgestellte gesetzliche Vermutung kann jedoch nicht bedenkenlos auf die Situation von Pflegekindern übertragen werden. Vielmehr müssen in der Gestaltung der Umgangsregelungen die Beziehungssituation des Kindes, seine Sicherheit im Fall von Umgang und die Kontaktfähigkeit seiner Eltern mit einbezogen werden. Dies bedeutet, dass Umgang nicht um jeden Preis stattzufinden hat. Vielmehr lässt das Recht den Raum, im Einzelfall eine andere Entscheidung zu treffen. So kann der Umgang vorübergehend bzw. dauerhaft eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist bzw. dieses gefährdet wäre. Insbesondere bei sexuellem Missbrauch oder Misshandlungen in der Vorgeschichte, aber auch bei anderen traumatisierenden Vorerfahrungen, die dazu führen, dass eine erneute Konfrontation mit den Eltern eine große Belastung für das Kind darstellt, darf und kann es unter Umständen erforderlich sein, Umgang auszuschließen.
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
"(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Anordnung ist zu befristen. Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt".1685 Umgang des Kindes mit anderen Bezugspersonen
"(1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.
(2) Gleiches gilt für enge Bezugspersonen des Kindes, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung). Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Person mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
(3) § 1684 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 bis 5 kann das Familiengericht nur anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 erfüllt sind".§ 1632 Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Verbleibensanordnung bei Familienpflege
"(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.
(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.
(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.
(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde"
Es ist dringend zu beachten, dass zum Zwecke des Besuchskontaktes gegen ein Kind keine Gewalt angewendet werden darf. Von keinem!
Hierzu folgende rechtliche Regelung:
§ 90 FamFG Anwendung unmittelbaren Zwanges
(1) Das Gericht kann durch ausdrücklichen Beschluss zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn
1. die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist;
2. die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht;
3. eine alsbaldige Vollstreckung der Entscheidung unbedingt geboten ist.
(2) Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen ein Kind darf nicht zugelassen werden, wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben. Im Übrigen darf unmittelbarer Zwang gegen ein Kind nur zugelassen werden, wenn dies unter Berücksichtigung des Kindeswohls gerechtfertigt ist und eine Durchsetzung der Verpflichtung mit milderen Mitteln nicht möglich ist".
Unterschiedliche Interpretationen der Gesetze
Gesetze werden häufig unterschiedlich interpretiert. In Kindschaftsfragen besonders dann, wenn es um das gesetzlich nicht eindeutig definierte Kindeswohl oder die Kindeswohlgefährdung geht, welche auch in Fragen des Umgangs (Besuchskontakten) natürlich eine große Rolle spielen. Daher haben sich die Gerichte sehr intensiv mit der Frage beschäftigen müssen. Besonders Bedeutsam sind Beschlüsse und Urteile des obersten Gerichtes, also des Bundesverfassungsgerichtes( BVerfG.
Ich habe hier einige Aussagen aus Gerichtsbeschlüssen zusammengefasst um daran die Tendenzen zu Besuchskontakten zu verdeutlichen.
Wozu dienen Besuchskontakte?
Das Bundesverfassungsgericht sagte dazu (AZ - 1 BvR 335/12)
Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen.
Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Entsprechendes gilt auch dann, wenn das Kind nicht bei einem Elternteil, sondern in einer Pflegefamilie lebt. Denn in der Regel entspricht es dem Kindeswohl, die familiären Beziehungen aufrechtzuerhalten und das Kind nicht vollständig von seinen Wurzeln zu trennen.
Das Kind hat gemäß § 1684 BGB ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern, die Eltern haben ein Recht und die Pflicht auf Umgang.
Zur Pflicht der Eltern hat es ein Urteil des BVerfG gegeben. Hier hat ein Sohn die Pflicht seinen Vaters auf Umgang zu ihm eingeklagt. Der Vater hatte den Umgang rigoros abgelehnt. Das BVerfG hat dem Sohn zwar Recht gegeben, sah aber keine Möglichkeit, den Umgang des Vaters zu seinem Sohn zwangsweise durchführen zu lassen.
Dazu gab es eine erklärende Pressemitteilung in der noch einmal die herausragende Bedeutung von Umgangsrechten zwischen Eltern und Kindern beschrieben wurde:
Regelmäßig keine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines umgangsunwilligen Elternteils
Pressemitteilung Nr. 44/2008 vom 1. April 2008 zum Urteil AZ – 1 BvR 1620/04
Ein Kind hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass seine Eltern Sorge für es tragen und der mit ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflicht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes nachkommen.
Allerdings dient ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl. Daher ist in solchen Fällen die Zwangsmittelvorschrift des § 33 FGG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht zu
unterbleiben hat. Anders liegt es, wenn es im Einzelfall hinreichende Anhaltpunkte gibt, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird. Dann kann der Umgang auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Damit war die Verfassungsbeschwerde eines umgangsunwilligen Vaters, der durch Androhung eines Zwangsgeldes zum Umgang mit seinem Kind gezwungen werden sollte, erfolgreich. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Die Androhung des Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Pflicht des Beschwerdeführers, mit seinem Kind gegen seinen Willen Umgang zu pflegen, greift in sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ein. Entgegen seiner eigenen Einstellung wird er gezwungen, seinem Kind zu begegnen. Dies nimmt Einfluss auf sein persönliches Verhältnis zum Kind und setzt ihn unter Druck, sich seinem Kind gegenüber so zu verhalten, wie er es selbst nicht will. Gesetzliche Grundlage für die Zwangsgeldandrohung ist § 33 FGG.(Anmerkung der Redaktion: Das FGG ist inzwischen ersetzt wurden durch das FamFG) In die Prüfung, ob der durch die Androhung von Zwangsgeld erfolgte Grundrechtseingriff zu rechtfertigen ist, ist § 1684 Abs. 1 BGB, der die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet, mit einzubeziehen.
II. Mit der Möglichkeit der Zwangsgeldandrohung gegenüber einem umgangsunwilligen Elternteil verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Zweck.
1. Die in § 1684 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine zulässige Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Art. 6 Abs. 2 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes, macht diese Aufgabe aber zugleich auch zu einer ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht. Die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihres Kindes besteht nicht allein gegenüber dem Staat, sondern auch ihrem Kind gegenüber. Mit dieser elterlichen Pflicht korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG. Recht und Pflicht sind vom Gesetzgeber näher auszugestalten. Da ein Umgang zwischen Eltern und Kind dem Wohl des Kindes und seiner Entwicklung grundsätzlich zugute kommt, hat der Gesetzgeber in § 1684 BGB die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet und damit angemahnt, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nachkommen.
2. Der mit der Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ist wegen der den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 GG auferlegten Verantwortung für ihr Kind und dessen Recht auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern gerechtfertigt. Wägt man das Interesse des Kindes an einem gedeihlichen Umgang mit seinen beiden Elternteilen mit dem Interesse eines Elternteils ab, mit dem Kind nicht in persönlichen Kontakt treten zu wollen, dann ist dem kindlichen Anliegen gegenüber dem elterlichen Wunsch ein erheblich größeres Gewicht beizumessen. Denn als gewichtige Basis für den Aufbau und Erhalt einer persönlichen familiären Beziehung ebenso wie für das Empfangen elterlicher Unterstützung und Erziehung ist der Umgang eines Kindes mit seinen Eltern für seine Persönlichkeitsentwicklung von maßgeblicher Bedeutung und trägt grundsätzlich zu seinem Wohle bei. Es ist einem Elternteil deshalb zumutbar, zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.
III. Die Androhung der zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht eines Elternteils gegen dessen erklärten Willen ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, dient in der Regel nicht dem Kindeswohl. Insoweit ist der mit der gerichtlichen Zwangsmittelandrohung erfolgende Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit des Elternteils nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gibt im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird.
1. Die zwangsweise Durchsetzung des Umgangs, bei der von dem Elternteil nicht nur bloße Anwesenheit, sondern eine emotionale Zuwendung zum Kind erwartet wird, widerstrebt seinen Gefühlen, die er gegenüber dem Kind hegt. Ein solcher an den Tag gelegter Widerwille, verbunden mit einer ablehnenden Haltung zum Kind, kann bei einem erzwungenen Umgang mit dem Kind nicht ohne Auswirkungen auf das Kind bleiben. Das Kind gerät in eine Situation, in der es nicht die mit dem Umgang bezweckte elterliche Zuwendung erfährt, sondern spüren muss, wie es als Person abgelehnt wird, und dies nicht von irgendjemandem, sondern gerade von seinem Elternteil. Dies birgt die große Gefahr, dass das Selbstwertgefühl des Kindes Schaden nimmt.
2. Bei der Eignung des Einsatzes von Zwangsmitteln gegen einen Elternteil zur Durchsetzung eines von diesem nicht gewollten Umgangs mit seinem Kind kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Umgang das Kindeswohl gefährden könnte, sondern ob ein solcher Umgang dem Kindeswohl dient. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern für seine Entwicklung von herausragender Bedeutung ist und seinem Wohl dient. Dies rechtfertigt den mit der Inpflichtnahme der Eltern bewirkten Eingriff in ihr Grundrecht auf Schutz derPersönlichkeit. Allerdings gilt das nur soweit und solange, wie der Umgang dem Kindeswohl auch tatsächlich dienlich sein kann.Wird dieser Zweck durch das gesetzliche Mittel, das ihn erreichen soll, verfehlt, ist es nicht geeignet, den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Elternteils zu rechtfertigen.Dies gilt auch für die gesetzlich eröffnete Möglichkeit, die Umgangspflicht mittels Androhung von Zwangsmitteln durchzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass § 1684 Abs. 4 BGB die Einschränkung und den Ausschluss des Umgangsrechts nur zulässt, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre.
Diese Regelung hat die Grenzen des elterlichen Umgangsrechts zum Gegenstand, nicht die Durchsetzung der Umgangspflicht.3. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es Fälle gibt, in denen eine reale Chance besteht, dass das Kind in der Lage ist, durch sein Verhalten den Widerstand des den Kontakt zu ihm meidenden Elternteils aufzulösen, so dass ein zunächst erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen kann. Dies ist gegebenenfalls mithilfe von Sachverständigen zu klären. Je älter und je gefestigter ein Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung ist, umso eher wird davon auszugehen sein, dass auch eine zwangsweise Durchsetzung seines eigenen, nachdrücklich geäußerten Wunsches, Kontakt mit seinem Elternteil zu erhalten, seinem Wohl dienlich ist. In einem solchen Fall ist es einem Elternteil zumutbar, zu einem Umgang mit seinem Kind notfalls auch mit Zwangsmitteln angehalten zu werden.
IV. § 33 FGG ist daher verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines den Umgang mit seinem Kind verweigernden Elternteils zu unterbleiben hat, es sei denn, es gibt im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass dies dem Kindeswohl dienen wird.
V. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung der Sache hat das Gericht auch den Anspruch des Kindes auf rechtliches Gehör zu beachten und zu prüfen, ob dem Kind in dem streitigen Umgangsverfahren ein Verfahrenspfleger zur Seite zu stellen ist.Der Fall gibt Anlass für Zweifel, ob der von der Mutter des betroffenen Kindes für dieses gestellte Antrag, den Beschwerdeführer auch gegen seinen deutlich erkennbaren Willen zum Umgang mit dem Kind zu verpflichten und dies notfalls auch mit Zwangsmitteln durchzusetzen, wirklich den Interessen des Kindes entspricht oder nicht eher zuwiderläuft.
Der Wille des Kindes
Nach diesem Urteil gab es eine Diskussion darüber, ob es denn gerechtfertigt sei, dass ein Vater nicht „gezwungen“ werden kann, für ein Kind jedoch andere Sichtweisen gelten würden.
Vor kurzen gab es ein Urteil, welches vom VAMV (Verband alleinerziehender Mütter und Väter) im Hinblick auf dieses Urteil kritisiert wurde. Hier wollte eine Mutter gegen eine Ordnungsstrafe mit einer einstweiligen Anordnung vorgehen. Die Ordnungsstrafe war ihr vom Familiengericht ‚aufgebrummt‘ worden, weil sie trotz eines Urteils das Kind nicht zu Besuchskontakten zu dessen leiblichen Vater gebracht hatte, da das Kind sich geweigert hatte und es auch dem Umgangspfleger nicht gelungen war, das Kind umzustimmen. (OLG Saarbrücken Beschluß vom 8.10.2012, 6 WF 381/12)
In seiner Begründung zur Berechtigung der Ordnungsstrafe schreibt das OLG Saarbrücken:
Es ist davon auszugehen, dass dies auf einer schuldhaften Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin gegen ihre Verpflichtungen aus dem Umgangsbeschluss beruht. Nach § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG trägt der verpflichtete Elternteil die Darlegungs- und Feststellungslast hinsichtlich der Gründe, aus denen er die Zuwiderhandlung gegen den Umgangstitel nicht zu vertreten haben will. Der Verpflichtete hat daher die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen substantiiert darzulegen. Diese Umstände liegen regelmäßig in der Sphäre der verpflichteten Person; sie sind daher im Nachhinein objektiven Feststellungen häufig nur eingeschränkt zugänglich. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommt ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder die nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittels nicht in Betracht. Beruft sich etwa ein Elternteil – wie hier die Antragsgegnerin – bei Zuwiderhandlung gegen einen Umgangstitel auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er im Einzelfall darlegt, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen.
Nach Auffassung der Richter reicht es eben nicht aus, einfach vorzutragen, dass das Kind sich geweigert habe, mit dem anderen Elternteil mitzugehen. Der betreuende Elternteil ist verpflichtet, auf das Kinder dahingehend einzuwirken, das psychische Widerstände des Kindes gegen den Umgang mit dem anderen Elternteil abgebaut werden und das Kind eine positive Einstellung dazu gewinnt. Dies bedeutet konkret, dass der betreuende Elternteil Kontakte mit dem anderen Elternteil positiv zu fordern hat. So sollen dem Kind Loyalitätskonflikte erspart werden.
Nach Meinung der Richter verbietet die Wohlverhaltensklausel dem Obhutselternteil jede negative Beeinflussung des Kindes gegen den Umgangsberechtigten, und zwar auch in mittelbarer Weise dergestalt, dass sich das Kind scheinbar aus eigenem Entschluss gegen den Umgang wendet. Es reicht daher nicht aus, wenn der betreuende Elternteil ist dem Kind freistellt, ob es den Umgang mit dem anderen Elternteil wahrnehmen will. Er muss vielmehr alle zur Verfügung stehenden erzieherischen Mittel anwenden, um das Kind zum Umgang mit dem anderen Elternteil zu bewegen.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) äußert dazu nachfolgende Kritik:
Umgang auch gegen den Willen des Kindes
Das OLG Saarbrücken hat in seinem Beschluss vom 08.10.2012 ein gegen eine Mutter verhängtes Ordnungsgeld (ersatzweise Ordnungshaft), bestätigt. Sie hatte ihr Kind nicht dazu bewegen können, Umgang mit seinem Vater wahrzunehmen. Es sei aber ihre Pflicht, erzieherisch so auf das Kind einzuwirken, dass der Umgang stattfinden könne. Die Mutter hatte sich darauf berufen, das Kind wolle keinen Umgang. Diese Argumentation reicht für das Gericht nicht aus. Sie müsse detailliert darlegen, was sie genau unternommen habe, um das Kind umzustimmen.
Der VAMV sieht Umgang gegen den erklärten Willen des Kindes sehr kritisch. In dem beschriebenen Fall war auch ein Umgangspfleger beteiligt, der das Kind ebenfalls nicht bewegen konnte, mit ihm zum Vater zu fahren. Anders herum – wenn der familienferne Elternteil keinen Umgang will – wird anders argumentiert. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht schon 2008 geklärt, dass ein nur unter Zwangsmitteln herbeizuführender Umgang eines sich verweigernden Elternteils nicht dem Kindeswohl diene und deswegen nicht durchgeführt werden müsse. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.
Ist der geäußerte Wille des Kindes auch wirklich sein Wille?
Für die Gerichte ist es immer wieder von größter Bedeutung zu erfahren, ob der geäußerte Wille des Kindes auch seinen Willen ausdrückt und was von den Eltern (Pflegeeltern) getan wurde, um das Kind erzieherisch doch noch zu einem Besuchskontakt zu bewegen. Wie wurde auf das Kind eingewirkt, damit es sein Recht auf Umgang auch wahrnehmen will? Der Grundgedanke besteht deutlich darin, dass Besuchskontakte bzw. Umgang klar dem Kindeswohl entsprechen und ein (zeitweiser) Ausschluss von Kontakten nur dann erforderlich ist, wenn eine Gefährdung des Kindeswohls durch die Kontakte vorliegen würde.
Der Wille des Kindes im Streit über die Ausübung des Umgangsrechts
Auszug Urteil BferVG 1 BvR 3189/09 vom 14.07.2010
Besteht Streit über die Ausübung des Umgangsrechts, haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Die Umstände des Einzelfalls werden nicht hinreichend berücksichtigt, wenn die Gerichte, ohne konkrete Feststellungen zu treffen, eine bestimmte Umgangsregelung mit ihrer Spruchpraxis in vergleichbaren Fällen. Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren.
Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinandersetzen, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhält, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können
Zwar gehen die Fachgerichte im Ansatz zutreffend davon aus, dass das Kindeswohl der entscheidende Maßstab für die Umgangsregelung sein muss. Auch führt das Amtsgericht richtig aus, dass darüber hinaus das verfassungsrechtlich garantierte Elternrecht zu berücksichtigen ist. Die angegriffenen Beschlüsse lassen aber nicht erkennen, dass sich die Fachgerichte dem aus den vorstehenden Grundsätzen folgenden verfassungsrechtlichen Gebot bewusst gewesen sind, dem Elternrecht in dem Umfang Rechnung zu tragen, in dem es mit dem Kindeswohl in Einklang zu bringen ist Die Entscheidungen enthalten keine Ausführungen dazu, welche Umgangsregelung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls dem Wohl des Kindes entspricht.
(1) Die Ausführungen des Amtsgerichts erschöpfen sich im Wesentlichen in der allgemeinen Feststellung, dass der Junge in einer Pflegefamilie aufwachse und seine Integration in dieses Umfeld nicht gestört werden dürfe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Umgang ursprünglich alle vier Wochen stattgefunden habe. Ob und in welchem Umfang die Umgangskontakte mit dem Beschwerdeführer und ihre etwaige Intensivierung tatsächlich zu erheblichen Störungen in der Beziehung des Kindes zu seinen Pflegeeltern führen, ist der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht zu entnehmen. Weder der Umstand, dass das Kind den Beschwerdeführer noch nicht als seinen leiblichen Vater einordnen könne, noch die Aussage, dass es sich bei den Umgängen nach einer gewissen Zeit - aus nicht näher dargelegten Gründen - wieder dem Pflegevater zuwende, lassen hierauf Rückschlüsse zu. Ebensowenig bietet die in dem amtsgerichtlichen Beschluss zitierte Erklärung des Pflegevaters, die Besuche würden das Kind anstrengen, hinreichend Anhaltspunkte dafür, dass eine, gegebenenfalls auch nur moderate, Ausweitung des Umgangs dem Kindeswohl schaden werde, zumal die Anstrengung des Kindes auch daher rühren kann, dass der Umgang in Begleitung und damit unter mehrfacher Beobachtung stattfindet.
Der Annahme des Amtsgerichts, der vom Beschwerdeführer gewünschte unbegleitete Umgang jedes Wochenende und an Feiertagen werde der Situation des Kindes nicht gerecht und überfordere es, fehlt daher eine nachvollziehbare Begründung. Vor allem aber berücksichtigen diese Ausführungen nicht, dass das Gericht an den Antrag des Beschwerdeführers nicht gebunden ist und zwischen dem bisher praktizierten begleiteten Umgang alle vier Wochen eine Stunde in der Pflegekinderstelle und dem von dem Beschwerdeführer beantragten Umgang eine Spannbreite weiterer Regelungsmöglichkeiten eröffnet ist.
2) Auch die Begründung des Oberlandesgerichts lässt eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, welche Umgangsregelung konkret das Wohl des Kindes erfordert. Das Oberlandesgericht begründet die Zurückweisung der Beschwerde des Beschwerdeführers allein damit, dass derzeit nur die Pflegeeltern als Bezugspersonen des Kindes anzusehen seien und deshalb eine behutsame Ausgestaltung des Umgangs zu seinem leiblichen Vater erforderlich sei. Dabei verweist der Senat auf zwei Entscheidungen und eine Fundstelle in Palandt, BGB, § 1632 Rn. 13 ff., die sich sämtlich nicht mit einer vergleichbaren Fragestellung, sondern der Problematik einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB beschäftigen. Nähere Feststellungen dazu, in welchem Umfang das Wohl des betroffenen Kindes hier eine behutsame Umgangsregelung erfordert und weshalb ein gegenüber der bisherigen Praxis erweiterter Umgang in jedem Fall dem Kindeswohl nicht mehr gerecht werden würde, finden sich in der Entscheidung nicht. Die Behauptung, dass ein intensiverer Umgang die für das Kind notwendige Stabilität in seinem persönlichen Umfeld gefährden würde, wird weder begründet noch ist sie in irgendeiner Weise belegt. Sie hätte jedoch auch deshalb weiterer Erörterung bedurft, weil das Oberlandesgericht zugleich feststellt, dass auch der Beschwerdeführer seinen Sohn in der Pflegefamilie belassen wolle und es keine Bedenken hinsichtlich seiner Betreuungseignung gebe.
Die Frage, ob eine zeitliche Intensivierung des bislang praktizierten Umgangs oder ein Übergang zum unbetreuten Umgang mit dem Kindeswohl vereinbar ist oder nicht, erfordert eine möglichst zuverlässige Ermittlung auch des Willens des Kindes. Dieser ist zwar bei einem Kleinkind schwer zu ergründen und hat ein eher geringes Gewicht bei der Bestimmung der konkreten Ausgestaltung seines Umgangs mit dem umgangsberechtigten Elternteil. Jedoch könnte ein etwaiger vom Kind ausdrücklich oder indirekt geäußerter Wunsch nach häufigeren oder längeren Kontakten mit dem Beschwerdeführer oder weiteren Unternehmungen mit ihm Ausdruck einer sich entwickelten Bindung zum Beschwerdeführer sein, die es geboten erscheinen lassen könnte, weitergehende Regelungen zu treffen. Umgekehrt könnten gegenteilige Äußerungen des Kindes ein Indiz dafür sein, dass eine Intensivierung des Umgangs derzeit noch verfrüht wäre.
Diesen Willen hätten die Fachgerichte durch eine Anhörung des bereits im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung drei Jahre alten Kindes zumindest aber durch einen dem Kind nach § 50 Abs. 1 FGG bestellten Verfahrenspfleger in Erfahrung bringen können. Falls hiernach noch Klärungsbedarf bestanden hätte, hätte die Möglichkeit zur Einholung des von dem Beschwerdeführer angeregten Sachverständigengutachtens bestanden.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Angelegenheit an das vorherige Gericht zurück verwiesen.
Der Wille des Kindes als seine autonome Entscheidung
Im Urteil des BVerfG AZ - 1 BvR 335/12 vom 29.11.2012 wurde der Wille des Kindes noch einmal besonders hervorgehoben, in dem das Bundesverfassungsgericht deutlich auf die entsprechende Arbeit der Vorinstanz (Oberlandesgericht) hinwies und dessen eingehende Auseinandersetzung mit dem Willen des Kindes als verfassungsrechtlich richtig angesehen hat. Im Urteil heißt es dazu:
Das Oberlandesgericht hat im Rahmen der Erörterung der Möglichkeit begleiteter Umgangskontakte eine Kindeswohlgefährdung mit dem entgegenstehenden Kindeswillen begründet. Dabei hat es den Kindeswillen durch persönliche Anhörung sowie durch Verwertung der Erkenntnisse des Verfahrensbeistands und des Jugendamts erforscht und festgestellt, dass das Kind die ablehnende Haltung konstant und wiederholt (gegenüber dem Amtsgericht, dem Verfahrensbeistand, dem Oberlandesgericht) geäußert hat. Auch hat sich das Oberlandesgericht eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit der geäußerte Wille Ausdruck einer autonomen Entscheidung des Kindes war und auf welchen Gründen die Ablehnung von Umgangskontakten beruhte. Wenn es nach alledem aufgrund seines persönlichen Eindrucks von dem Kind und unter Berücksichtigung der durch das Kind bekundeten Erfahrungen davon ausging, dass die als stabil und nachhaltig eingeschätzte Ablehnung jeglichen Umgangs seitens des zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zwölf Jahre und drei Monate alten Kindes momentan nicht ohne Schäden überwunden werden könne und deswegen das Kindeswohl für den Fall der Durchführung begleiteter Umgangskontakte als konkret gefährdet angesehen hat, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Erwägungen des Gerichts zur Frage des begleiteten Umgangs tragen erst recht den Ausschluss unbegleiteten Umgangs.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts war abzulehnen, weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Gerichte verlangen vom Beschwerdeführer und dem Jugendamt klare Einzelfallbegründungen in Umgangsstreitigkeiten
Eine Aussetzung von Besuchskontakten ist im Rahmen eines Verfahrens nur dann möglich, wenn es keine generellen, allgemein gültigen Aussagen zu Besuchskontakten gibt sondern deutlich und ausführlich zu diesem speziellen Kind argumentiert wurde z.B.:
1. wie auf das Kind zum Zwecke von Besuchskontakten eingewirkt wurde
2. wie der Wille des Kindes (evtl. trotzdem) ist
3. was getan wurde, um Herkunftseltern und Pflegeeltern auf den Willen des Kindes zu konzentrieren
4. was im Einzelfall für das spezielle Kindeswohl DIESES Kindes gefährdend ist, wenn Kontakte stattfinden würde
5. Ob die Gefährdung durch eine Umgangsbegleitung vermindert oder ausgeschlossen werden könnte
6. Wie lange eine Aussetzung der Kontakte sein sollte und wann das Kind möglicherweise (wieder) Kontakte haben sollte und was sich in der Zwischenzeit verändern müsste.
Die Wohlverhaltensklausel – Absatz 2 § 1684 BGB
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
Diese Klausel verlangt von allen Beteiligten, das die Besuchskontakte so ablaufen, dass eine negative oder belastende Beeinflussung des Kindes unterbleibt. Das Kind darf weder in seiner Beziehung zur Bezugsperson, bei der es lebt, beeinträchtigt werden, noch darf es durch die Besuchskontakte Erschwernisse in der Erziehung mit dem Kind geben.
Chancen für Besuchskontakte durch gute Planung
Durch Interviews erwachsener Pflegekinder wurde deutlich, wie wesentlich es zum Gelingen eines Adoptiv- oder Pflegeverhältnisses beiträgt, wenn die Kinder Klarheit über den Wechsel von einer Familie zur anderen hatten. Wo komme ich her? Warum musste ich gehen? Was passierte dann mit den Eltern? Was mit den Geschwistern? Konnten Kinder sich das Geschehen erklären, wussten sie was passierte, sprachen Beteiligte mit ihnen darüber und ließ man sie nicht im Dunkeln stehen, dann konnten sie sich auf das Neue einlassen. Neben Biografiearbeit sind es natürlich besonders die Besuchskontakte, die das Kind über seine Herkunft informieren. Um das Leben als Ganzes zu erfahren, um Brüche zu vermeiden, um das Verstehen für sich selbst zu fördern sind gut gemachte und gelungene Besuchskontakte sehr hilfreich.
Um aber stützend und förderlich für das Kind sein zu können, müssen Besuchskontakte ‚im Sinne des Kindes‘ ausgehandelt und durchgeführt werden. Dazu ist eine gute Vorbereitung ebenso notwendig wie eine dauerhafte wachsame Begleitung. Die Wohlverhaltens-Klausel fordert eigentlich zu guten Vereinbarungen der Beteiligten zum Schutz des Kindes auf.
Vorbereitung von Besuchskontakten
Aus meiner Sicht ist es absolut notwendig, VOR einem Besuchskontakt die beteiligten Erwachsenen zu einem Treffen zu bitten und die Bedingungen des Besuchskontaktes im Rahmen eines Hilfeplangespräches mit diesen auszuhandeln. Das Kind/Jugendliche sollte vorab seine Vorstellungen über die Besuchskontakte mit der Sozialarbeiterin besprechen können.
Vorbereitende Überlegungen:
- Ist die Perspektive des Pflegeverhältnisses klar oder unklar?
- Sind die Herkunftseltern absprachefähig oder nicht?
- Sind die Pflegeeltern gut vorbereitet und begleitet?
- Ist die Vorgeschichte (auch den Pflegegeltern) bekannt?
Aus der Vorgeschichte geben sich folgende Überlegungen: Hatte das Kind traumatische Erfahrungen ? Wenn es diese Erfahrungen hatte müssen wir davon ausgehen, dass sie erlebnisaktivierend beim Kontakt sein werden.
- Das Kind muss die Pflegeeltern, den Sozialarbeiter, die Besuchskontaktbegleiterin als Schutzfaktor erleben
- Wir können nicht erwarten, dass das Kind die Situation klärt.
Sicherheit erhalten alle Beteiligten durch klare Regeln und Absprachen zu folgenden Fragen:
- Wie wird das Kind auf die Kontakte vorbereitet?
- Womit müssen wir beim Kontakt rechnen?
- Wie gestalten wir den Kontakt – gibt es Kaffee und Kuchen?
- Wer bringt evtl. notwendiges Spielzeug, Bastelmaterial etc. mit?
- Wer nimmt teil?
- WO treffen wir uns?
- Wie lange wird der Kontakt dauern?
- WANN wird er stattfinden?
- Wie wird auf Wünsche/Befindlichkeit des Kindes reagiert?
- Was muss das Kind, was müssen Pflegeeltern zulassen?
- Wer beendet den Kontakt?
- Wie lange warten Pflegeeltern und Kind auf die Eltern?
- Was tun wenn Eltern nicht nüchtern oder clean sind?
- Was tun wenn die Vereinbarungen nicht eingehalten werden?
- Wie ist es mit Geschenken?
- Was tun wenn sich für Beteiligte herausstellt, dass der Kontakt so nicht o.k. ist?
- Was wenn das Kind nicht mitkommen will?
- Was, wenn das Kind nach Hause will?
- Was wenn das Kind öfter Besuchskontakte haben will?
- Wer bringt das Kind zum Treffen?
- Wie kommt das Kind wieder nach Hause?
- etc.
Sicherheit erfährt das Kind auch dadurch, das es vor dem ersten Kontakt den Raum kennenlernt, wo der Kontakt stattfinden wird und natürlich auch die Personen, die zu diesem Zweck neu ins Geschehen kommen (evtl. Besuchskontaktbegleiterin). Ebenso sollte es über die Art und Weise des Kontaktes, Dauer, Besucher und wichtige Regeln informiert werden. Natürlich kann es SEIN Spielzeug und Kuscheltier mitbringen und vielleicht auch zu Essen und Trinken was es gern mag. So kann es sich ein inneres Bild machen von den Kontakten und mit einem klaren und sicheren Gefühl hingehen und sich sogar darauf freuen. Eine gewisse Gelassenheit und Entspanntheit der Pflegeeltern, die ja ebenfalls in die Vorbereitungen im breiten Maße einbezogen sind, würde ein positives Gefühl des Kindes natürlich erheblich fördern.
Betrachtungen während des Kontaktes:
- Wie wird mit dem Geschehenen (Vorgeschichte) umgegangen?
- Ist das Schutzbedürfnis des Kindes erfüllt?
- Gibt es eine Überanpassung an „machtvolle“ Eltern, die das Kind nicht reizen möchte?
- Weiß das Kind, Wer Was während des Besuchskontaktes zu sagen hat?
- Ängste?
- Retraumatisierung?
- Braucht das Kind einen hohen Energieaufwand zur Bewältigung der Situation?
- Welche Strategie hat es zur Bewältigung der Situation?
- Ist das Kind entspannt, gelassen ?
- u.a.
Betrachtungen nach dem Besuchskontakt:
- Ist das Kind erschöpft?
- Nach dem Besuchskontakt in der Pflegefamilie unruhig?
- Gereizt? Weinerlich?
- Hat es Durchschlafschwierigkeiten?
- Ist es sehr von dem Besuchskontakt befangen?
- Angespannt? Verängstigt? Klammert?
- Will es Türen und Fenster fest verschlossen haben?
- Merken Kindergartenerzieherinnen oder Lehrer eine Veränderung des sonst üblichen
- Verhaltens?
- Kann es normal weiter in den Alltag gehen?
- Ist es entspannt?
- Spricht und erzählt es über den Kontakt?
- Äußert es Wünsche für die Zukunft?
- u.a.
Begleitung der Kontakte
Es macht natürlich viel Sinn, wenn die betreuende Sozialarbeiterin die ersten Besuchskontakte begleitet. Sie erhält so einen Eindruck und kann mit den Beteiligten die Position des Kindes verdeutlichen und besprechen. Nicht nur eine Vorbereitung sondern auch eine Nachbereitung der Kontakte ist daher wichtig. Es muss klar sein, dass die Besuchskontakte ein wichtiges Thema in den Hilfeplangesprächen sind und bleiben und dass Änderungen nur in diesen Gesprächen vereinbart werden können und auch im Hilfeplanprotokoll festgehalten werden, so dass alle Personen gleiche Unterlagen und Wortlaute haben und die Vereinbarungen auch bestätigen müssen.
Klarheit und Sicherheit sind das Grundthema gelingender Kontakte.
Dies zeigte sich deutlich bei einem Seminar, in dem die Teilnehmer gebeten wurden, sich in die Gefühlslage der Beteiligten Kinder, Pflegeeltern, Herkunftseltern zu versetzen. Auch die teilnehmenden Sozialarbeiter waren bereit, über ihre Gefühle nachzudenken und sie darzulegen.
Gefühle Pflegekind:
- Unsicherheit,
- Hilflosigkeit,
- Zerrissenheit,
- Angst - vor Vorwürfen, einem weh tun, vor Verlusten
- sich schuldig fühlen – bin ich schuld daran, dass alles so gekommen ist?
- Anspannung,
- Überanpassung an die Situation,
- Wenn das Verhältnis gut ist: Freude
Besuchskontakte sind eine hohe Anforderung an die sozialen Kompetenzen des Kindes
Gefühle Herkunftseltern:
- Minderwertig fühlen (es nicht selbst können)
- Eifersucht auf die Pflegeeltern
- In Konkurrenz stehen zu den Pflegeeltern
- Hilfelosigkeit
- Schlechtes Gewissen dem Kind gegenüber haben
- Versagensängste – auch wenn ich mein Kind zurückbekomme schaffe ich es nicht
- Hoffnungsvoll – dass ich es zurückbekomme und es auch schaffen werde
- Erleichterung – nicht mehr verantwortlich zu sein
- Enttäuschung von sich selbst als Mutter oder Vater
- Wut – gegenüber vielen Beteiligten besonders dem Jugendamt
- Angst vor Verlust und Entfremdung - liebt das Kind mich noch – ich brauche doch die Liebe des Kindes
- Wo bleibe ich?
- Wenn das Verhältnis gut ist: Freude, auch Freude die Pflegeeltern zu treffen
Gefühle Pflegeeltern:
- Eifersucht
- Unsicherheit – Was sagt die Mutter dem Kind – werde ich hintergangen – wie geht das Kind damit um – wie kann ich dem Kind dann begegnen?
- Angst vor Verlust
- Hilflosigkeit – wer übernimmt die Verantwortung wenn ich nicht da bin?
- Unsicherheit – wie benehme ich mich dem Kind gegenüber bei den Kontakten wenn die Mutter dabei ist? Wie soll ich mich verhalten, was darf ich?
- Hilflosigkeit,
- Zerrissenheit,
- ich fühle Bauch – und denke Kopf (Hemmungen mich so zu verhalten wie zuhause)
- Fremdes Gefühl , Befangenheit bei den Kontakten, anders als bei Treffen mit Freunden
- Überlegenheitsgefühl – sind wir nicht die besseren Eltern?
- Wenn das Verhältnis gut ist: Freude, Austausch mit den Eltern, entspannt sein
Gefühle Sozialarbeiter:
- Oft ohnmächtig fühlen – müssen umsetzen, auch wenn wir nicht mit der Entscheidung einverstanden sind – wir haben nie das letzte Wort – Zeit und Möglichkeiten sind schwierig
- Hin- und hergerissen – unsicher: es ist oft schwer, die Situation einzuschätzen
- Oft belastet – es ist schwer, die professionelle Distanz einzuhalten, schlecht schlafen
- Wir haben das Bedürfnis, uns EINER Partei gegenüber loyal zu verhalten und nicht allen gerecht werden zu müssen
- ‚Bauch’entscheidungen gehen nicht
- Wir müssen oft die Wahrheit finden, obwohl es keine gibt
- Erwartungen an uns den Knoten zu durchschlagen
- Angst davor, falsche Entscheidungen zu treffen.
Im Vergleich der Gefühle stellte sich heraus, wie viele Gefühle alle Beteiligten gemeinsam hatten, besonders Gefühle der Unsicherheit, Angst, Hilflosigkeit und Anspannung und welch hohe Anforderung an alle solche Kontakte darstellen.
Es wurde den Teilnehmern klar, dass nur die von allen Beteiligten gemeinsam getragene Perspektive (dauerhafte Unterbringung oder eben zeitweise Unterbringung mit Rückführung) auch wirklich entschieden und damit sicherheitsgebend ist. Es wurde ebenfalls deutlich, dass es sehr wichtig ist, über die Vorstellungen der einzelnen Beteiligten miteinander zu sprechen. So erfährt man einfach voneinander, lernt sich besser kennen und kann versuchen, für sich und das Kind Klarheiten zu schaffen.
Wie sollen sich die Pflegeeltern verhalten?
Bedeutsam wurde auch die Klärung der Unsicherheit in der Frage: Wie benehme ich mich denn als Pflegemutter oder Pflegevater im Rahmen eines Besuchskontaktes der Mutter oder dem Vater gegenüber, besonders dann wenn das Kind zu mir kommt und nicht zu seinen leiblichen Eltern geht. Wenn es z.B. mit mir spielen will, sich von mir trösten lassen will etc. Was mache ich dann?
Ich bin der Überzeugung, dass die Pflegeeltern die Bedürfnisse des Kindes auch erfüllen sollen. Wenn also das Kind zur Pflegemutter kommt und mit ihr spielen will, sich auf ihren Schoß setzt oder ihre Nähe sucht, dann ist es für das Kind auch notwendig, dass die Pflegemutter diesem Bedürfnis entspricht und das Kind nicht auf die leibliche Mutter verweist oder das Kind eventuell sogar von sich wegschiebt. Das Kind möchte etwas von ihr, also soll es das auch genau so bekommen. Nach einer Weile kann die Pflegemutter ja dann ‚eine Brücke bauen‘ hin zur leiblichen Mutter z.B. aufstehen und mit dem Kind zu ihr hingehen und gemeinsam mit ihr das Spiel fortführen. Aber auch dann immer nur unter der Beachtung der Reaktion des Kindes. Das Kind kann nicht verstehen, wenn die Pflegemutter ihre Rolle als ‚Mama‘ als ‚sichere Basis‘ verlässt und es auf die leibliche Mutter verwiesen wird. Diese hat die sicherheitsgebende Rolle für das Kind meist nicht. Ein ‚wegschieben‘ verunsichert das Kind daher erheblich. Im Rahmen der sicheren Basis jedoch kann das Kind wahrscheinlich einen Weg zur leiblichen Mutter finden, besonders dann, wenn es dabei einfühlsam von den Pflegeeltern begleitet wird.
Es wäre sicherlich sehr hilfreich, wenn diese unterschiedlichen Positionen der Pflegeeltern und der Herkunftseltern ihrem Kind gegenüber schon in der Vorbereitung auf die Besuchskontakte angesprochen werden könnten.
‚Wachsame‘ Begleitung
Besuchskontakte sind ein Dauerthema im Rahmen des Hilfeplanprozesses. Es ist gut, dass sie immer wieder betrachtet und bewertet werden, denn im Laufe der Jahre verändern sich die Bedürfnisse. Ältere Kinder und Jugendliche wollen andere Formen von Kontakten. Sie wollen häufig nicht mehr so oft Kontakte wahrnehmen, weil der Freundeskreis so viel Zeit beansprucht. Vielleicht wollen sie lieber telefonieren, mailen, über Soziale Netzwerke (Facebook) kontaktieren. Sie wollen jetzt selbst und oft eigenständig entscheiden, was sie tun werden. Hier ist natürlich die Partizipation des Kindes oder Jugendlichen an den Entscheidungen und sein Wille das A und O jeder Vereinbarungen.
Links:
Studie des Deutschen Jugendinstituts zu Umgängen
www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=439&Jump1=RECHTS&Jump2=11
Besuchskontakte in Erziehungsstellen
www.lvr.de/de/nav_main/jugend_2/metanavigation/service_1/dokumentationen_1/hilfezurerziehung_4/fachtagungvom28032007_1.html
Empirische Ergebnisse über Besuchskontakte von Pflegekindern – Forschung der Stadt Wien
www.moses-online.de/artikel/empirische-ergebnisse-besuchskontakte-pflegekindern
Besuchskontakte aus der Sicht erwachsener Pflegekinder
www.moses-online.de/artikel/besuchskontakte-aus-sicht-erwachsener-pflegekinder