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15.02.2023
Fachartikel

Freiwilligen Übertragung des Sorgerechtes auf die Pflegeperson

Im Bereich des Pflegekinderwesens gibt es eine rechtliche Besonderheit, die Pflegeeltern zu Pflegern ihres Pflegekindes macht, ohne dass den Eltern des Kindes das Sorgerecht entzogen worden ist. Für ein Pflegekind, welches bereits längere Zeit in der Pflegefamilie lebt, können die leiblichen sorgeberechtigten Eltern Angelegenheiten ihres Sorgerechtes freiwillig auf die Pflegeeltern übertragen. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich im BGB § 1630 .

BGB § 1630 Elterliche Sorge bei Pflegerbestellung oder Familienpflege

(1) Die elterliche Sorge erstreckt sich nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist.

(2) Steht die Personensorge oder die Vermögenssorge einem Pfleger zu, so entscheidet das Familiengericht, falls sich die Eltern und der Pfleger in einer Angelegenheit nicht einigen können, die sowohl die Person als auch das Vermögen des Kindes betrifft.

(3) Geben die Eltern das Kind für längere Zeit in Familienpflege, so kann das Familiengericht auf Antrag der Eltern oder der Pflegeperson Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson übertragen. Für die Übertragung auf Antrag der Pflegeperson ist die Zustimmung der Eltern erforderlich. Im Umfang der Übertragung hat die Pflegeperson die Rechte und Pflichten eines Pflegers.

Der oben aufgeführte Paragraf BGB 1630 erläutert die Rechte von Eltern, wenn ein Pfleger Teile des Sorgerechtes übertragen bekommen hat. Absatz 3 weist auf die Besonderheit im Bereich der Familienpflege hin, bei der die Eltern Angelegenheiten der elterlichen Sorge freiwillig auf die Pflegeperson übertragen können. 

Was bedeutet „Familienpflege“ im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches

Familienpflege bezeichnet generell die Situation, in der ein Kind nicht mehr bei seinen Eltern lebt sondern seinen Lebensmittelpunkt in einer anderen Familie hat. Familienpflege, wie im § 1630 oder auch im § 1632 und §1688 erwähnt, ist nicht gleichzusetzen mit der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege § 33 SGB VIII. Es ist bekannt, dass ca. 135.000 Kinder in Familienpflege leben, davon aber nur 85.000 im Rahmen der Vollzeitpflege der Hilfe zur Erziehung § 33 SGB VIII untergebracht sind. Familienpflege gibt es z.B. bei Verwandtenpflege mit und ohne Hilfe zur Erziehung, im Rahmen der Eingliederungshilfe und in den Unterbringungen nach § 33, § 34 und §35a SGB VIII. Zum Schutz des Kindes muss das Jugendamt in allen Familienpflege-Unterbringungen gemäß § 44 SGB VIII prüfen, ob das Kind im Sinne des Kindeswohls untergebracht ist. Es gibt Ausnahmen von dieser Prüfung z.B. für Verwandte, Vormünder, Schüleraustausch etc.

Freiwillige Übertragung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge gegenüber einer elterlichen Vollmacht

Die freiwillige Übertragung gem. BGB § 1630 ist mehr als nur eine Vollmacht. Eine Vollmacht wird ausgesprochen oder schriftlich vereinbart und kann von demjenigen, der sie erteilt hat, auch jederzeit wieder zurückgenommen werden. Eine solche Zurücknahme ist im gleichen Maße nur an eine Erklärung gebunden, wie die vorherige Bevollmächtigung.

Die freiwillige Übertragung erfolgt jedoch über das Familiengericht und kann wiederum nur vom Familiengericht auch verändert werden.

Bedingungen der Übertragung

Das Familiengericht bekommt von den leiblichen Eltern des Kindes, oder aber von den Pflegeeltern, einen Antrag, in dem der Umfang der freiwilligen Übertragung von Angelegenheiten des Sorgerechts auf die Pflegeperson beschrieben wird.

Sollten die Pflegeeltern einen entsprechenden Antrag gestellt haben, muss das Gericht zuerst klar stellen, ob die Eltern dieser Übertragung zustimmen. In der Praxis erleben wir daher häufig eine gleichzeitige Antragstellungen von beiden möglichen Antragstellern, also sowohl von den leiblichen sorgeberechtigten Eltern als auch von den Pflegeeltern. Das Gericht weiß somit, dass die leiblichen Eltern diese Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeeltern übertragen wollen und die Pflegeeltern dieser Übertragung auch zustimmen.

Die freiwillige Übertragung ist nur möglich, wenn das Kind „für längere Zeit“ in Familienpflege gegeben wurde, also bei einer zeitlich sehr ausgeprägten oder dauerhaften Perspektive des Kindes in der Pflegefamilie.

Die Praxis zeigt, dass leibliche sorgeberechtigte Eltern, die diesen Weg bejahen und den Antrag stellen oder ihm zustimmen, sich bei einem solchen Schritt ernst genommen fühlen und es begrüßen, für das Kind eine so wichtige Entscheidung selbst fällen zu können. 

Weg der Übertragung

Der Antrag auf freiwillige Übertragung wird formlos gestellt. Es gibt keine vorgeschriebene Art und Weise der Wortwahl – es kann eigentlich nichts falsch gemacht werden, wenn aus dem Geschriebenen hervorgeht, dass eine freiwillige Übertragung gewünscht wird. Wie bei allen Änderungen des Sorgerechtes eines Kindes, wird das Jugendamt vom Familiengericht um eine Stellungnahme gebeten. Es macht also Sinn, wenn die leiblichen sorgeberechtigten Eltern und die Pflegeeltern vor der Antragstellung ihr Vorhaben mit dem Jugendamt besprechen und möglichst beim Hilfeplangespräch darauf hinweisen.

Ergebnis der Übertragung

Die Pflegeperson, auf die die Angelegenheiten des Sorgerechtes übertragen wird, hat nun die Rechte und Pflichten eines Pflegers. Der Pfleger wiederum hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Vormund – selbstverständlich nur für den auf ihn übertragenen Sorgerechtteil.

Dies bedeutet für den Pfleger, der freiwillig Teile des Sorgerechtes übertragen bekommen hat, dass auch er/sie einen jährlichen Bericht an das Familiengericht schreiben muss. Es bedeutet auch, dass er/sie Anrecht auf die Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Vormünder/Pfleger hat.

In einigen Regionen der östlichen Bundesländer bekommen diese Pfleger keine Bestallungsurkunde durch das Familiengericht. Sie müssen daher immer zum Nachweis ihrer Position den Beschluss des Gerichtes mit sich tragen.

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