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Pflegeeltern helfen bei der Suche nach Pflegefamilien
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Zufriedene Pflegefamilien sind diejenigen, die am besten neue Pflegeeltern werben können. Pflegeelternverbänden und Initiativen liegt sehr viel daran, Menschen zu ermuntern, ein Pflegekind aufzunehmen. Doch dies ist ihnen mit gutem Gewissen nur dann möglich, wenn auch die Rahmenbedingungen für Pflegeeltern und ihre Kinder stimmen, damit diese ihre Aufgabe überhaupt erfüllen können. Die Rahmenbedingungen sind von Kommune zu Kommune jedoch sehr unterschiedlich.
von Henrike Hopp
Aufgabe und Verantwortung der Selbsthilfeverbände
In ihrer Öffentlichkeitsarbeit machen die Verbände deutlich, dass Kinder ein Recht haben in Familien aufzuwachsen – und wenn sie nicht in ihren Ursprungsfamilien leben können, dann eben in Adoptiv- oder Pflegefamilien. In allen Satzungen und Flyern der Adoptiv- und Pflegefamilieverbände steht geschrieben, dass sie Familien für die Aufnahme von Kindern interessieren wollen.
Um Familien für Adoptiv- und Pflegekinder zu finden, betreiben die Verbände „Werbung“. Sie berichten Interessierten über ihre Arbeit, stehen an Ständen, nehmen teil an Familientagen und Tagen der offenen Tür, machen Interviews in Fernsehen, Rundfunk, Zeitschriften und Internet. Darüber hinaus kooperieren besonders die örtlichen Initiativen mit ihren Jugendämtern wenn diese selbst Werbungsaktionen betreiben.
Pflegeeltern sind die besten Werber
Die erfolgreichsten Werber für neue Pflegefamilien sind Pflegeeltern selbst. Manche Pflegeeltern sind schon als Kinder mit Pflegegeschwistern aufgewachsen und führen diese Erfahrung jetzt als Eltern weiter. Und nicht nur sie allein, auch ihre Geschwister nehmen wieder Pflegekinder auf, eben so wie es die vorherige Generation schon tat. Eine Vielzahl von Pflegeeltern sind durch Freunde und Bekannte ermuntert worden ein Pflegekind auszunehmen. Wieder andere besuchen Treffen der Pflegeeltern, kommen in Gesprächskreise oder rufen bei den Initiativen an, um sich bei Menschen, die diese Aufgabe unmittelbar machen hautnah zu informieren.
Werbung unter allen Umständen?
Obwohl wir alle uns dem Grundgedanken „Familie für Kinder“ zutiefst verpflichtet fühlen, erleben wir manchmal Momente und Situationen, in denen wir uns fragen, ob wir es überhaupt noch verantworten können, Menschen zur Aufnahme von Pflegekindern zu ermutigen.
Verantwortung für zukünftige Pflegeeltern
Gerade die Pflegeeltern selbst wissen, wie schwierig, wie heikel, wie anstrengend, wie nervig Situationen in Pflegefamilien sein können. Pflegeeltern sind Eltern aus Leidenschaft und Überzeugung. Sie investieren viel Gefühl, viel Kraft, unendliche Energie, viel Geduld und viel Liebe in die Entwicklung ihrer Pflegekinder. Und weil sie all dies tun und all dies wissen, erwarten sie auch, dass die Bedingungen, unter denen sie die Kinder in ihre Familien aufnehmen, förderlich für ihre Familien sind – oder realistischer ausgedrückt – zumindest ihren Familien nicht schaden werden.
Zunehmend entwickeln Pflegeeltern und ihre Initiativen und Verbände auch Verantwortung für zukünftige Pflegefamilien. Wir wollen nicht einfach nur Familien für Pflegekinder finden, wir wollen, dass diese Familien ihrer Aufgabe auch gerecht werden können. Wir wissen, dass diese Aufgabe im hohen Maße von den Persönlichkeiten der Pflegeeltern abhängt, aber wir wissen ebenso, dass die Persönlichkeit nur EIN Faktor in einer Sammlung ineinander passender Faktoren ist.
Wir sind inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass wir nicht in jedem Fall Pflegeeltern werben sollten, sondern dass wir dies nur noch dann tun dürfen, wenn die Pflegeeltern Rahmenbedingungen für sich und ihre Kinder bekommen, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe überhaupt erst ermöglichen können.
Pflegeelternverbände und Initiativen können es nur verantworten, neue Pflegeeltern zu werben, wenn die Rahmenbedingungen für Pflegefamilien stimmen.
Verantwortbare Bedingungen für die Aufnahme eines Kindes:
- realistische Werbung
- Vorbereitung mit folgenden Schwerpunkten in Vorbereitungsseminar und anschließenden ergänzenden Einzelgesprächen:
- klaren Aussagen über Möglichkeiten (und Unmöglichkeiten) der Aufnahme eines Pflegekindes
- klaren Aussagen über zukünftige Unterstützung und Beratung
- deutlichen Informationen über Rechte und Pflichten von Pflegeeltern, Herkunftseltern und Jugendämtern
- Aussage, in welchem ungefähren Zeitabschnitt mit der Aufnahme eines Pflegekindes zu rechnen ist
- Kontaktmöglichkeiten zu Pflegeeltern
- Verdeutlichung für welches Kind diese Bewerber geeignet sind (zu welchem Kind passen wir und unsere Familie)
- Information zu Sonderpflege
- Gewissheit, dass Bewerber, die nicht für geeignet gehalten werden, dies auch erfahren (und nicht nur einfach keine Vermittlung erleben werden)
- vertiefenden Themen zur Entwicklung des Kindes vor und während der Unterbringung in der Pflegefamilie, zur Veränderung der Familie durch die Aufnahme des Kindes, etc.
- Vermittlung des Kindes
- mit deutlicher Akzeptanz der (in der Vorbereitungszeit erarbeiteten) Vorstellungen der Pflegeelternbewerber
- mit der Vorstellung des Kindes in seiner Vorgeschichte und mit Auswirkung der Aufnahme dieses Kindes auf die Familie der Bewerber ohne vorheriges Kennenlernen des Kindes, ohne Fotos und ohne „ wir haben sonst keinen, sonst muss er (sie) ins Heim)“ ich weiß nicht, ob wir dann noch mal ein Kind haben, was dann in ihre Familie passt“
- mit der Information über die Sorgerechtslage
- mit Information zu den Überlegungen des Vermittlers zur Zukunft des Kindes
Wenn die Pflegeelternbewerber dann interessiert sind:
- > Kennenlernen der leiblichen Eltern
- Anbahnungsabsprachen
- Übersiedlung des Kindes in die Pflegefamilie
- Beratung und Betreuung nach Aufnahme des Kindes in die Pflegefamilie
- Einhalten der Vereinbarungen
- Vertrauensschutz beim Wechsel des zuständigen Jugendamtes ( z.B. zu Fragen der bisherigen Förderung und der Sonderpflege)
- Angemessene Betreuung
- Krisenhilfe
- Angemessene Beendigung des Pflegeverhältnisses und der Klärung der Frage, was die Pflegeeltern für das Kind zukünftig sein werden.
Häufig werden (Alltags)Probleme, die durch die Aufnahme eines Pflegekindes in der Pflegefamilie entstehen können, nicht wahrgenommen:
Beispiele:
- Eine Pflegemutter in (Teilzeit-) Berufstätigkeit betreut ein Pflegekind, welches immer wieder erkrankt und sie das Kind zuhause versorgen muss. Eine solche Anhäufung von Fehlzeiten im Beruf kann zu Entlassungen führen.
- Haftpflichtschäden innerhalb der Pflegefamilien sind häufig nicht abgesichert und werden nicht erstattet. Für wirklich große Schäden z.B. Personenschäden innerhalb der Pflegefamilie müssen sich die Pflegeeltern selbst absichern.
- Einmal gewährte Beihilfen werden aufgrund knapper Kassen gestrichen oder verringert.
- Bisherige Hilfen werden gestrichen - Hilfe ist nicht mehr verlässlich für die Pflegefamilie und Pflegeeltern fühlen sich zu Bittstellern degradiert.
- Bei der Vermittlung erfolgte Vereinbarungen werden infrage gestellt - bis dahingehend, dass Vermittlungen in Sonderpflege nicht mehr als Sonderpflegestellen sondern als normale Pflegestellen weitergeführt werden.
- Behinderte Kinder, die im Rahmen von Jugendhilfe untergebracht wurden, werden aus der Jugendhilfe herausgelöst. Für die weitere Unterbringung stehen die Bedingungen des SGB XII zur Verfügung. In einem Fall bedeutete dies für die Pflegefamilie eine finanzielle Rückstufung von 900 € Sonderpflege zu 330 € Unterbringung SGB XII.
- Pflegeeltern wollen / können / sollen sich aus finanziellen Gründen nicht von ihren Pflegekindern trennen und wollen weiter Familie für dieses Kind sein. Sie fühlen sich jedoch dann häufig moralisch erpresst und über den Tisch gezogen. Sie verlieren ihr Vertrauen in die helfenden Institutionen.
Starke kommunale Eigenständigkeit
Die starke kommunale Eigenständigkeit führt zu sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, sowohl was Finanzen, Hilfen, Betreuung und Image angeht. Die Betreuung der Pflegekinder schwankt in ihrer Qualität und Quantität extrem.
Wohl den Pflegefamilien, die an einem für die Pflegefamilie förderlichen Wohnort zuhause zu sind. - Wir sprechen schon vom „Glück des Wohnortes“.
Ich glaube, es wird Zeit, dass wir notwendige Standards an Sicherheit und Verlässlichkeit für die Pflegekinder und ihre Pflegefamilien als Voraussetzung für unsere Arbeit einfordern.
Es ist uns ein Herzensanliegen, Familie für Kinder zu werben – aber wir müssen es auch verantworten können.
Autorin: Henrike Hopp
Kostenbeitrag