Sie sind hier

27.02.2023

Unterstützende Hilfen und finanzielle Leistungen für Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien - Teil 1

Die Betreuung, Pflege und Erziehung eines Kindes mit Behinderung ist eine große zeitliche und kräftemäßige Beanspruchung und verlangt eine hohe Belastbarkeit. Es erfordert einen hohen Zeitaufwand für pflegerische Tätigkeiten, Hilfestellungen und Beaufsichtigung. Damit Pflegefamilien langfristig diesen außerordentlichen Anforderungen gerecht werden können, benötigen sie ausreichend unterstützende Hilfen sowie Entlastungsangebote.

Die nachfolgenden Informationen sind Teil 1 eines umfassendes Artikels zur unterstützenden Hilfe und zu finanziellen Leistungen für Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien. 

Inhalt des gesamten Artikels: 

  1. Einleitung
  2. Schwerbehindertenausweis
  3. Leistungen der Pflegeversicherung
  4. Leistungen der Eingliederungshilfe
  5. Rehabilitation und Teilhabe
  6. Ausführungsgesetz NRW zum Bundesteilhabegesetz
  7. Hilfeplanung
  8. Schulsituation für Kinder mit Behinderungen
  9. Anschlussmaßnahmen nach Volljährigkeit
  10. Verfahrensrecht
  11. Qualifizierung von Fachkräften
  12. Ausblick

Teil 1 umfasst die ersten drei Punkte des o.a. Inhaltsverzeichnisses. Die weiteren Punkte werden in nachfolgenden Artikel beschrieben. 

1. Einleitung

Die Betreuung, Pflege und Erziehung eines Kindes mit Behinderung ist eine große zeitliche und kräftemäßige Beanspruchung und verlangt eine hohe Belastbarkeit.

Es erfordert einen hohen Zeitaufwand für pflegerische Tätigkeiten, Hilfestellungen und Beaufsichtigung.

Damit Pflegefamilien langfristig diesen außerordentlichen Anforderungen gerecht werden können, benötigen sie ausreichend unterstützende Hilfen sowie Entlastungsangebote.

Bei vielen Kindern stellt sich oftmals erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Aufnahme in eine Pflege- oder Erziehungsstellenfamilie heraus, dass eine Behinderung vorliegt.

Wenn zu beobachten ist, dass ein Pflegekind entwicklungsverzögert ist, entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten aufweist, ist es wichtig, eine ausführliche Diagnostik und Begutachtung des Kindes am besten durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum. Wenn der Verdacht auf FASD besteht, so gibt hierfür spezielle Diagnosezentren, die sich auf Kinder und Jugendliche mit FASD spezialisiert haben. Wenn sich die Diagnose einer Behinderung bestätigt, ist es wichtig, eine ausführliche Stellungnahme, wenn möglich bereits mit Empfehlungen zum Betreuungs- und Therapiebedarf anzufordern. Diese ist Voraussetzung zur Beantragung sämtlicher Hilfen und Leistungen, wie Schwerbehindertenausweis, Leistungen der Pflegeversicherung oder Leistungen der Eingliederungshilfe des Jugend- oder Sozialhilfeträgers.

Mit der eindeutigen Diagnose einer Behinderung und der Feststellung der Schwerbehinderung, hat das Kind einen Rechtsanspruch auf eine seinem individuellen Bedarf entsprechende Hilfe. Grundlage hierfür ist die UN-BRK, in der gefordert wird, dass bei allen Hilfemaßnahmen das Wohl des einzelnen Kindes im Vordergrund stehen muss und ein Kind mit Behinderung ein Recht darauf hat, eine für seine Behinderung und Lebenssituation passgenaue Hilfe zu erhalten.

Erste Schritte sollten jetzt eingeleitet werden wie:
  • Antrag beim Kostenträger auf behinderungsbedingten Mehrbedarf
  • Antrag auf Übernahme der Kosten für Entlastungsangebote der Erziehungsstelle
  • Antrag auf Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche entweder beim Träger der Eingliederungshilfe oder Jugendhilfeträger.
  • Beantragung eines Schwerbehindertenausweises
  • Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung, Beratung zur Pflegeeinstufung, Vorbereitung der Begutachtung durch den medizinischen Dienst, Pflegegeld, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, Betreuungsgeld
  • Kontaktaufnahme zum Kindernetzwerk: Informationen über die spezielle Behinderung, Behandlungsmöglichkeiten, Fachärzte, Kliniken, Medikamente, Therapien, Selbsthilfegruppen
  • Frühförderung
  • Sozialpädiatrische Zentren
  • heilpädagogische Einrichtungen
  • Kontakt zu Gleichbetroffenen

Dies alles umzusetzen ist nicht immer ganz einfach, da es bedauerlicherweise noch immer keine gesetzlich geregelten Standards zur Ausstattung von Pflegefamilien mit behinderten Kindern gibt.

2. Der Schwerbehindertenausweis

Ist bei einem Kind eine Behinderung oder gesundheitliche Beeinträchtigung diagnostiziert worden, empfiehlt es sich, zunächst die Schwerbehinderung formal feststellen zu lassen. Hierfür zuständig sind die Versorgungsämter. Sie stellen den sogenannten Grad der Behinderung fest. (Der Antrag kann im Internet heruntergeladen werden).

Wird ein Grad der Behinderung von 50 oder mehr festgestellt, wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt mit der evtl. Zuerkennung von Merkzeichen. Mit der Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft und der Festsetzung von Merkzeichen besteht ein Anspruch auf Nachteilsausgleiche, die sich nach dem Grad der Behinderung sowie dem jeweiligen Merkzeichen richten.

Welcher Grad der Behinderung wird bei Kindern mit seelischen Behinderungen festgestellt.

Seelische Behinderungen wie z. Bsp. FASD fallen bei der Beurteilung des Grades der Behinderung unter Schädigung des Gehirns und der damit verbundenen Ausfallerscheinungen.

Bewertungsmaßstab ist der Grad der sozialen Anpassungsschwierigkeiten.

Soziale Anpassungsschwierigkeiten werden anhand der Integrationsfähigkeit im Regelkindergarten, in der Regelschule, im öffentlichen und häuslichen Leben ermittelt. Die Schwere richtet sich danach, in welchem Umfang hierbei besondere Förderung und Unterstützung benötigt wird und ob eine über das dem jeweiligen Alter hinausgehende Beaufsichtigung benötigt wird.

Die Praxis der Versorgungsämter ist sehr unterschiedlich. Es gibt keine einheitlichen Beurteilungen. Grundlage für die Einstufung ist die Schwerbehindertenausweisverordnung.

Bei einer eindeutigen Diagnose der Fetalen-Alkohol-Spektrum-Störung kann immer der GdB von mindestens 70 erwartet werden. Darüber hinaus die Merkzeichen H von Geburt bis zum 16. Lebensjahr sowie die Merkzeichen G und B bei Selbst- und Fremdgefährdung im Straßenverkehr.

Merkzeichen

Mit der Zuerkennung von Merkzeichen besteht ein Anspruch auf ganz bestimmte Nachteilsausgleiche. Sie haben oft eine größere Bedeutung als der festgestellte Grad der Behinderung.

Mit dem Merkzeichen H wird der Betroffene als hilflos anerkannt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Betroffene im Ablauf eines jeden Tages fremde Hilfe benötigt. Hierzu zählen auch die Beaufsichtigung, Überwachung oder Anleitung für notwendige Verrichtungen.

Das Merkzeichen G erhalten Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Menschen erhalten das Merkzeihen G auch, wenn sie durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurücklegen können. (Menschen mit FASD z.Bsp. wegen ihrer eingeschränkter Impulskontrolle).

Das Merkzeichen B Der Betroffene ist nicht in der Lage, ohne Begleitung öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen und berechtigt zur ständigen Mitnahme einer Begleitperson. Das Merkzeichen B wird üblicherweise in Kombination mit den Merkzeichen H und/oder dem Merkzeichen G ausgestellt.

Die wichtigsten Nachteilsausgleiche

Unentgeltliche Beförderung

Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (Merkzeichen „G“ bzw. „aG“) oder hilflos (Merkzeichen „H“) oder gehörlos (Merkzeichen „Gl“) sind, können beim Versorgungsamt eine Wertmarke kaufen und damit öffentliche Nahverkehrsmittel unentgeltlich nutzen.

Kostenlos wird die Wertmarke ferner dann ausgegeben, wenn der freifahrtberechtigte schwerbehinderte Mensch für den laufenden Lebensunterhalt Leistungen nach dem SGB XII erhält. Auch Züge des Nahverkehrs der Deutschen Bahn AG dürfen in der 2. Wagenklasse unentgeltlich genutzt werden.

Unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson

Im öffentlichen Personenverkehr wird die Begleitperson des schwerbehinderten Menschen unentgeltlich befördert, wenn im Ausweis das Merkzeichen „B“ eingetragen ist. Das betreffende Merkzeichen verbietet es nicht, dass der behinderte Mensch öffentliche Verkehrsmittel auch ohne Begleitung nutzt.

Steuervergünstigungen nach dem Einkommensteuergesetz

Das Einkommensteuergesetz sieht verschiedene Steuererleichterungen für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen vor. So kann ein behinderter Mensch einen Behindertenpauschbetrag in der Einkommensteuererklärung geltend machen. Die Höhe des Pauschbetrages richtet sich nach dem dauernden Grad der Behinderung. Der Pauschbetrag eines behinderten Kindes kann auf Antrag auf die Eltern übertragen werden, wenn das Kind ihn nicht selbst in Anspruch nimmt und die Eltern für das Kind Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag erhalten. Neben dem Behindertenpauschbetrag können weitere außergewöhnliche Belastungen des behinderten Menschen gesondert in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Hierzu zählen z.B. Kosten für Privatfahrten Therapie- und Krankheitskosten.

Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer

Schwerbehinderte Menschen können voll oder teilweise von der Kraftfahrzeugsteuer befreit werden, wenn das Fahrzeug nur im Zusammenhang mit ihrer Fortbewegung oder der Führung ihres Haushalts benutzt wird. In vollem Umfang befreit sind Fahrzeuge von schwerbehinderten Menschen mit dem Merkzeichen H, Bl oder aG im Schwerbehindertenausweis. Die Vergünstigungen können auch von minderjährigen Kindern in Anspruch genommen werden. In diesem Fall muss das Fahrzeug auf den Namen des behinderten Kindes zugelassen werden und darf von den Eltern nur für Fahrten benutzt werden, die im Zusammenhang mit der Fortbewegung oder der Haushaltsführung des behinderten Kindes stehen.

3. Leistungen der Pflegeversicherung SGB XI nach Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (SGB XI) 2017

  • Leistungen der Pflegeversicherung sind:
  • Sachleistungen und Pflegegeld
  • Verhinderungspflege
  • Kurzzeitpflege
  • zusätzliche Betreuungsleistungen
  • Pflegehilfsmittel
  • Leistungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes

Mit Inkrafttreten des zweiten Pflegestärkungsgesetzes wurden zum 01.01.2017 ein neuer Pflegebebedürftigkeitsbegriff sowie ein neues Begutachtungsinstrument eingeführt.

Pflegebedürftig im Sinne der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 14 Abs.1 SGB XI sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere benötigen. Pflegebedürftig ist, wer körperliche, kognitive, psychische oder gesundheitliche Belastungen nicht selbständig kompensieren kann. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen.

Es gibt jetzt fünf Pflegegrade. Ebenso wurde ein neues Begutachtungsinstrument eingeführt, das die Feststellung von Pflegebedürftigkeit grundlegend verändert hat. Bisher wurde der Hilfebedarf des Betroffenen in Minutenwerten auf der Grundlage von Zeitorientierungswerten festgestellt und war maßgebend für die Zuordnung zu einer Pflegestufe.

Maßstab für die Zuordnung zu einem bestimmten Pflegegrad ist nicht mehr der zeitliche Umfang des Hilfebedarfs, sondern der Grad der Selbständigkeit eines Menschen und das Angewiesen sein auf personelle Unterstützung durch andere.

Das neue Begutachtungssystem berücksichtigt damit auch den besonderen Hilfe- und Betreuungsbedarf von Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Einschränkungen, was bisher nicht möglich war. Zuständig für die Feststellung des Grades der Pflegebedürftigkeit ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen. Bei einem Hausbesuch erfolgt anhand eines Fragebogens die Überprüfung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Betroffenen.

Beurteilungskriterien für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind die gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in den sechs nachfolgenden Modulen. Diese werden mit Punkten bewertet, wobei sie prozentual unterschiedlich ins Gewicht fallen.

Mobilität (Wie selbständig kann sich der Mensch fortbewegen und seine Körperhaltung ändern?)

Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (Wie findet sich der Mensch in seinem Alltag örtlich zurecht? Kann er für sich selbst Entscheidungen treffen? Kann die Person Gespräche führen und Bedürfnisse mitteilen?)

Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (Wie häufig benötigt der Mensch Hilfe aufgrund von psychischen Problemen, wie etwa aggressives oder ängstliches Verhalten?

Selbstversorgung (Wie selbstständig kann sich der Mensch im Alltag selbst versorgen bei der Körperpflege, beim Essen und Trinken)

Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (Welche Unterstützung wird benötigt beim Umgang mit der Krankheit und bei Behandlungen, zum Beispiel bei der Medikamentengabe, Verbandswechsel, Dialyse, Beatmung?)

Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (Wie selbständig kann der Mensch noch den Tagesablauf planen und Kontakte pflegen?)

Aufgrund der Gesamtbewertung aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen erfolgt aus der Summe der Teilergebnisse die Zuordnung zu einem der fünf Pflegegrade.

Die Informationen der Begutachtung dienen ebenso als Grundlage für eine umfassende Beratung, individuelle Hilfeplanung sowie sachgerechte Erbringung von Hilfen bei der Haushaltsführung.

Für die Einstufung von Kindern gelten Besonderheiten.

Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad - wie bisher auch - durch einen Vergleich der Beeinträchtigung ihrer Selbständigkeit mit gleichaltrigen Kindern ermittelt.

Für Kinder von 0- bis 18 Monaten gelten außerdem Sonderregelungen. Kinder dieser Altersgruppe werden bei gleicher Einschränkung um einen Grad höher eingestuft als ältere Kinder oder Erwachsene.

Zur Vorbereitung auf den Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ist zu empfehlen, mit Hilfe eines Pflegegradrechners zu klären, welcher Pflegegrad evtl. in Frage kommen wird. (www.mein-pfegegrad-rechner.de)

Pflegesachleistung und Pflegegeld

Bei häuslicher Pflege können pflegebedürftige Menschen der Pflegegrade 2 bis 5 entweder Pflegesachleistung oder Pflegegeld beanspruchen. Pflegesachleistung heißt, dass zugelassene Pflegedienste die Versorgung übernehmen. Mit dem Betrag der Pflegesachleistung kann auch häusliche Betreuung beansprucht werden. Darunter fallen verschiedene Hilfen bei der Alltagsgestaltung wie z.B. die Unterstützung bei Hobby und Spiel oder Spaziergängen in der näheren Umgebung.

Anstelle der Sachleistung kann der pflegebedürftige Mensch Pflegegeld beantragen, wenn er damit in geeigneter Weise seine Pflege selbst sicherstellen kann, beispielsweise indem er sich durch Angehörige betreuen lässt. Das Pflegegeld steht dem pflegebedürftigen Menschen zu, der es an die Pflegeperson als finanzielle Anerkennung weitergeben kann.

Alle Pflegebedürftigen haben weiterhin Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von monatlich € 125. Dieser steht nicht zur freien Verfügung, sondern wird von der Pflegekasse als Kostenerstattung geleistet, wenn der Pflegebedürftige nachweist, dass er Leistungen eines anerkannten Pflegedienstes oder familienunterstützenden Dienstes in Anspruch genommen hat.

PflegegradPflegegeld monatlichPflegesachleistung monatlich bis zuEntlastungsbetrag monatlich
1  125 €
2316 €689 €125 €
3545 €1298 €125 €
4728 €1612 €125 €
5901 €1995 €125 €

Sachleistung und Pflegegeld können auch kombiniert in Anspruch genommen werden. Das Pflegegeld wird in diesem Fall um den Prozentsatz gemindert, zu dem von der Pflegeversicherung Sachleistungen erbracht werden.

Wird der Betreuungsbetrag in einem Kalenderjahr nicht oder nicht vollständig in Anspruch genommen, kann er in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.

Leistungen bei Verhinderung der Pflegeperson

Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben weiterhin Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Ersatzpflege.

Ist eine Pflegeperson wegen Krankheit, Urlaub oder aus sonstigen Gründen an der Pflege gehindert, muss die Pflegekasse für längstens sechs Wochen im Kalenderjahr eine Ersatzpflege bezahlen (sogenannte Verhinderungspflege). Die Aufwendungen hierfür sind jährlich auf bis zu 1.612 € begrenzt.

Versicherte haben die Möglichkeit, ihren Anspruch auf Verhinderungspflege um bis zu 806 € aus Mitteln der Kurzzeitpflege aufzustocken, so dass ihr Anspruch auf Ersatzpflege bis zu 2.418 € im Jahr beträgt.

Mit dem Geld können Eltern zum Beispiel die tage- oder stundenweise Betreuung ihres behinderten Kindes finanzieren und sich hierdurch Entlastung im Alltag verschaffen.

Die Ersatzpflege kann sowohl von Privatpersonen als auch durch ambulante Pflegedienste oder Familienentlastende Dienste geleistet werden. Ist die Ersatzpflegeperson aber mit dem Pflegebedürftigen bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert oder lebt sie mit ihm in häuslicher Gemeinschaft, wird die Verhinderungspflege nur in Höhe des jeweiligen Pflegegeldes gewährt. Allerdings kann die Pflegeversicherung in diesen Fällen nachgewiesene Aufwendungen der Ersatzpflegeperson (z.B. Verdienstausfall, Fahrtkosten) übernehmen.

Die Leistungen der Verhinderungspflege müssen nicht vier Wochen am Stück, sondern können auch tage- oder stundenweise über das ganze Jahr verteilt in Anspruch genommen werden.

Während der Inanspruchnahme von Verhinderungspflege wird die Hälfte des Pflegegeldes weitergezahlt. Nehmen Pflegebedürftige die Verhinderungspflege stundenweise für weniger als acht Stunden am Tag in Anspruch, können sie daneben für diesen Tag das volle Pflegegeld beanspruchen.

Pflegehilfsmittel

Pflegebedürftige einschließlich Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln. Typische Pflegehilfsmittel sind Pflegebetten, Badewannenlifter etc. Die Aufwendungen der Pflegekasse für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel (Einmalhandschuhe, Bettschutzeinlagen etc.) sind auf monatlich 40 Euro beschränkt. Bei nicht zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln müssen Volljährige je Hilfsmittel eine Eigenbeteiligung von bis zu 25 Euro leisten. Auch Versicherte mit Pflegegrad 1 können Pflegehilfsmittel beanspruchen.

Leistungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes

Für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes des pflegebedürftigen Menschen wie die behindertengerechte Ausstattung des Bades, Einbau eines Treppenlifts etc. können bis zu 4000 Euro je Maßnahme gewährt werden. Auch Versicherte mit Pflegegrad 1 können diese Leistungen beanspruchen. Wenn mehrere Pflegebedürftige zusammenleben, kann der Betrag pro Maßnahme auf insgesamt bis zu 16.000 € erhöht werden

Besondere Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen

Für Pflegebedürftige, die in ambulant betreuten Wohngruppen mit mindestes drei behinderten Personen häuslich gepflegt werden, gibt es weitere besondere Leistungen. Sie erhalten neben dem Pflegegeld bzw. der Pflegesachleistung einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 € monatlich. Voraussetzung ist, dass eine Pflegekraft in der Wohngruppe tätig sein muss, die organisatorische, verwaltende, hauswirtschaftliche oder pflegerische Aufgaben übernimmt.

Für die Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen sieht die Pflegeversicherung eine sogenannte Anschubfinanzierung vor, einschließlich für Pflegebedürftige im neuen Pfleggrad 1 in Höhe von 2500 € pro Person.

Kurzzeitpflege

Kann die Pflege zeitweise in bestimmten Krisensituationen (z.B. nach einem Krankenhausaufenthalt) nicht oder nicht in erforderlichem Umfang erbracht werden, haben Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 Anspruch auf Kurzzeitpflege in einer vollstationären Pflege- oder Behinderteneinrichtung.

Auch pflegebedürftige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren, die zuhause leben, können Kurzzeitpflege in Einrichtungen der Behinderten- und Jugendhilfe erhalten.

Der Anspruch auf Kurzzeitpflege ist auf bis zu vier Wochen pro Kalenderjahr sowie einen jährlichen Betrag von 1.612 Euro beschränkt. Durch Umwidmung der Leistungen aus der Verhinderungspflege kann der Anspruch auf 8 Wochen erhöht werden.

Leistungen für Pflegepersonen

Die Pflegeversicherung übernimmt einen Unfallversicherungsschutz für Pflegepersonen gegen Arbeitsunfälle, Wegeunfälle und Berufskrankheiten, die im Zusammenhang mit der Pflege stehen.

Weiterhin erfolgt eine rentenversicherungsrechtliche Absicherung der Pflegepersonen. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.

Weiterhin muss der Pflegebedürftige mindestens Pflegegrad 2 haben und die Pflege wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, umfassen.

Problem: zweckgleicher Einsatz von Pflegegeld bei Pflegefamilien

Bei Gewährung von Pflegegeld gemäß SGB XI reduzieren Jugend- oder Sozialhilfeträger oftmals ihre Leistungen (Pflegegeld und Erziehungsbeitrag) und verrechnen diese mit den Leistungen der Pflegeversicherung.

Das Pflegegeld der Pflegekasse wird als. sog. „zweckgleiche Leistung“ gefordert bzw. leistungskürzend berücksichtigt.

Tatsächlich ist dies nur dann zulässig, wenn sich aus dem Leistungsbescheid nach dem SGB IX oder SGB VIII ergibt, dass der Kostenersatz für die Leistungen der Pflegefamilie diesen erhöhten Aufwand ebenfalls berücksichtigt. Außerdem heißt es in § 13 Abs. 3 S.3 SGB XI:

Die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Neunten Buch, dem Bundesversorgungsgesetz und dem Achten Buch bleiben unberührt, sie sind im Verhältnis zur Pflegeversicherung nicht nachrangig.

Es gibt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.11.2017, wonach das Pflegegeld der Pflegeversicherung gemäß § 37 SGB XI nicht auf das nach § 39 Abs. 1 SGB VIII für die Kosten für die Pflege und Erziehung des Pflegekindes zu gewährende Pflegegeld angerechnet werden darf.

Das könnte Sie auch interessieren