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27.10.2009
Fachartikel

Wer erbt eigentlich unser Kind?

Nachlassvorsorge für Eltern von Adoptivkindern oder leiblichen Kindern. Pflegeeltern können diese Form der Nachlassvorsorge für ihre Pflegekinder nicht betreiben, da ihnen die rechtliche Postion dazu fehlt.

Dipl.Verwaltungswirt Dirk R. Schuchardt

Richtig gelesen: Die Überschrift lautet hier nicht, was, sondern wer erbt eigentlich unser Kind? Zugegeben, es gibt Themen, da weigert sich das elterliche Gehirn einfach, sie an sich ran zu lassen. Aber die Beantwortung dieser Frage gehört eben auch zu den unangenehmen Dingen des Lebens, mit dem man sich beschäftigten sollte. Hierzu gehört eben nicht nur die Frage einer vernünftigen Risikoabsicherung und einer verlässlichen Altersvorsorge, sondern auch, was unmittelbar vor und nach dem eigenen Tod mit dem minderjährigen Kind passiert soll.

Kinder können – anders als Sachen – nicht vererbt werden. Für den Fall, dass beide (Adoptiv-) Elternteile vor Eintritt der Volljährigkeit gleichzeitig oder nach einander versterben hat das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eine Regelung getroffen: Das Familiengericht ordnet von Amts wegen Vormundschaft über das Kind an (§ 1744 BGB) , wenn das Kind nicht mehr unter elterlicher Sorge steht (§ 1773 BGB). Auf die Frage, wer Vormund des Kindes wird, können die Eltern aber zu Lebzeiten Einfluss nehmen (§ 1777 BGB). Machen die Eltern von ihrem Gestaltungsrecht keinen Gebrauch (was wahrscheinlich der Normalfall ist), so soll das Familiengericht eine Person auswählen, die u. a. nach ihren persönlichen Verhältnissen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist.

Anders, als landläufig häufig vermutet, werden weder die Großeltern, noch die Taufpaten „automatisch“ Vormund der minderjährigen Vollwaise (= Mündel). Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sind vom Familiengericht u. a. der mutmaßliche Wille der Eltern und die persönliche Bindung der Vollwaise zu berücksichtigen. Die Auswahl des Familiengerichtes kann aber u. U. nicht die beste Wahl für die Vollwaise sein.

Der fehlende Automatismus bei der Auswahl von Großeltern oder Paten mag auf den ersten Blick verwundern. Andererseits mag man sich bei genauer Gewissensprüfung fragen, ob die älteren Großeltern wirklich geeignet wären, im Fall eines Falles die Vollwaise bis zum Eintritt der Volljährigkeit als Vormund durch das Leben zu führen. Bei der Auswahl von Taufpaten mögen eventuell andere Gründe im Vordergrund gestanden haben, als die Eignung für den Fall, dass bei (Adoptiv-) Eltern frühzeitig versterben.

Eltern-Testament

Mit einem „Eltern-Testament“ (§§ 1776, 1777 BGB) können Eltern bestimmen, wer für den Fall der Fälle als Vormund eingesetzt werden soll. Den Eltern steht darüber hinaus auch ohne konkrete Benennung eines Vormundes das Recht zu, bestimmte Personen ausdrücklich von der Berufung als Vormund auszunehmen (§ 1782 BGB). Neben einem Vormund sollte gleichzeitig auch ein Ersatzvormund benannt werden, da im Laufe der Zeit der priorisierte Vormund nicht zur Verfügung stehen könnte.

Haben Eltern einen Vormund (bzw. Ersatzvormund) bestimmt, so muss das Familiengericht ihn auch ernennen, wenn nicht einer der folgenden Ausschlussgründe (§ 1778 BGB) vorliegen:

• Der Vormund ist geschäftsunfähig, minderjährig oder von den Eltern ausdrücklich ausgeschlossen
• Der Vormund ist an der Übernahmen der Vormundschaft verhindert oder verzögert diese
• Der Vormund gefährdet das Kindeswohl

Vollwaisen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können der Bestellung des Vormundes widersprechen.

Formalien des Eltern-Testamentes

Für die Erstellung einer „letztwilligen Verfügung“ (=Eltern-Testament) nach § 1777 Abs. 3 BGB gelten die gleichen Anforderungen, wie für ein Testament. So können sich die Eltern an einen Notar wenden oder selber ein handschriftliches Testament verfassen. Wie beim gemeinschaftlichen Testament (=Berliner Testament § 2265 BGB) müssen folgenden Formalien (§ 2267 BGB) erfüllt sein:

Das Eltern-Testament muss
• handschriftlich von einem Elternteil aufgesetzt werden und von beiden Eltern höchstpersönlich unterschrieben werden. Maschinengeschriebene Testamente sind nichtig, wenn sie nicht von einem Notar erstellt worden sind.
Das Eltern-Testament soll
Ort und Datum enthalten
In der Unterschrift Vor- und Nachnamen enthalten

Es gibt keine Aufbewahrungsvorschriften für Testamente. Wer ein Testament im Nachlass vorfindet, muss (!) es dem Nachlassgericht vorlegen (§ 2259 BGB). Das (Eltern-) Testament kann –gegen Gebühr – beim Nachlassgericht hinterlegt werden. Dies schützt das (Eltern-) Testament vor der zufälligen (oder von Dritten beabsichtigten) Vernichtung.

Stirbt ein Elternteil, so kann der überlebende Elternteil die gemeinschaftliche Benennung eines Vormundes auch alleine wieder ändern (§ 1776 Abs. 2 BGB).

Wegen der meist nicht unerheblichen Vermögenswerte (z. B. aus einer Risiko-Lebensversicherung zu Gunsten des Kindes) bietet es sich an, in dem Berliner Testament eine sogenannte „Testamentsdauervollstreckung“ zu bestimmen und Auflagen z. B. zum Wohnort, der Art der Geldanlage, etc. zu machen. Mit Erreichen der Volljährigkeit kann die Vollwaise über das ererbte Vermögen frei verfügen. Wenn die Eltern aber Zweifel an der charakterlichen Eignung des Kindes mit Erreichen der Volljährigkeit hegen, so können sie das Ende der „Testamentsdauervollstreckung“ auf einen beliebigen Zeitpunkt (z. B. das 21. Lebensjahr) und/oder Eintritt eines bestimmten Ereignisses (Hochzeit, Geburt eines Kindes, etc.) legen.

Am Ende dieses Artikels können Sie ein Muster-Testament als Grundlage für die Abfassung des eigenen Eltern-Testaments runterladen. Die Hinzuziehung eines Notars, Rechtanwaltes oder Steuerberaters kann hierbei – gerade bei größeren Vermögenswerten – durchaus hilfreich sein.

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