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11.03.2009
Fachartikel

Wo gehöre Ich hin? — Ihr seid doch gar nicht meine richtigen Eltern

Die Zeit, in denen sich Adoptierte damit beschäftigen, woher ihre biologischen Wurzeln stammen, kommt in den unterschiedlichsten Phasen des Lebens vor, da jedes Kind individuell ist. Fakt ist aber, dass sich fast alle Adoptierten damit beschäftigen, der eine früher, der anderen später, der eine mehr, der andere weniger. Die meisten inkognito-adoptierten Kinder beschäftigen sich mit ihrer Herkunftsfamilie in der Pubertät.

Die Bedeutung der Suche nach den leiblichen Eltern ist für die adoptierten Kinder sehr wichtig, da sie sich immer wieder fragen ‚Wer bin ich - wo gehöre ich eigentlich hin?‘. „Adoptierte, die sich auf die Suche nach ihren leiblichen Eltern und somit nach ihrer Vergangenheit machen, sprechen immer wieder davon, dass sie ihr ‚richtiges Ich‘, ihre ‚wahre Identität‘ ihr ‚eigentliches Sein‘ finden wollen. Wer sind meine Eltern, also wer bin ich, ist die Formel.“ (Swientek 1993, 5.22).

Diese Zeit, in denen sich Adoptierte damit beschäftigen, woher ihre biologischen Wurzeln stammen, kommt in den unterschiedlichsten Phasen des Lebens vor, da jedes Kind individuell ist. Fakt ist aber, dass sich fast alle Adoptierten damit beschäftigen, der eine früher, der anderen später, der eine mehr, der andere weniger. Die meisten inkognito-adoptierten Kinder beschäftigen sich mit ihrer Herkunftsfamilie in der Pubertät. Diese Auseinandersetzung ist oft mit Ängsten und einer großen Verunsicherung verbunden, weil sie nicht wissen, wie die Adoptiveltern reagieren, besonders wenn die Adoption bisher wenig thematisiert wurde. Adoptivkinder benötigen ganz besonders in dieser Phase die verständnisvolle und akzeptierende Begleitung ihrer Adoptiveltern. Adoptier te berichten immer wieder, dass es entlastend und beruhigend ist, wenn die Adoptiveltern diese Suche nach den Wurzeln zulassen und sie so gut wie möglich unterstützen. Durch dieses Vertrauen der Adoptiveltern kann ein noch engeres Verhältnis entstehen.

Bei Kindern, die ihre leiblichen Eltern kennen oder etwas über sie wissen, wie bei einer Halboffenen oder Offenen Adoption, ist die Verunsicherung in der Pubertät nicht so groß, da sie ja über die Gegebenheiten im Bilde sind. Inkognito adoptierte Kinder haben zwar mehr oder weniger Informationen über die Eltern erhalten, kennen ihre biologischen Eltern aber nicht.

In der Zelt der Pubertät fängt dann die Suche nach den leiblichen Eltern an, die für einige sehr quälend sein kann, wenn die Adoptiveltern bisher ein Geheimnis daraus gemacht haben oder ganz das Thema tabuisieren und sich weigern den Jugendlichen bei der Suche zu unterstützen oder diese ganz ablehnen, In solch einem Fall, der bestimmt nicht selten vorkommt, sind die Kinder sehr enttäuscht und schockiert. Sie erleben den wahrscheinlich größten Vertrauensbruch und dies kann in der Pubertät zu einer tiefen Identitätskrise führen, die sich physisch und psychisch, das heißt also psychosomatisch auswirken kann. Die enttäusch ten Kinder drücken ihren seelischen und körperlichen Schmerz in unterschiedlichster Weise aus, wie z.B. durch Ängste, Panik, Schlafstörungen aber auch durch Arznei-, Genussmittel- oder Drogenmissbrauch. Außerdem kann es passieren, dass die Kinder ihre Adoptiveltern hassen und das zum Ausdruck bringen indem sie sie beschimpfen oder verachten.

Geht man aber davon aus, dass die Eltern immer ehrlich mit dem Thema umgegangen sind, können diese Kinder Hilfe und Unterstützung erwarten. Die Adoptiveitern wissen in diesem Fall, dass die biologischen. Eitern keine Gefahr darstellen, da die Kinder immer wieder sagen, „ihr seid meine richtigen Eitern auch wenn ich nicht in eurem Bauch war“. Trotzdem machen sich die Kinder auf die Suche nach ihren Erzeugern um die Frage „Wo gehöre ich hin?“ endlich zu befriedigen, obwohl sie es ja eigentlich wissen.

Um die Suche nach den leiblichen Eitern für Adoptivkinder zu erleichtern, haben C.S. Thomson und S. Dominik einen Leitfaden entwickelt. Dieser Leitfaden ist in der Broschüre der Gemeinsamen Zentralen Adoptionssteile (GZA) veröffentlicht worden. Die beiden Autoren haben In 8 Schritten unterschieden, wie ein solcher Suchprozess ablaufen kann. Die Schritte sollen der Unterstützung bei der Suche dienen und nicht als Handlungsanleitung angesehen werden, „da sich so wohl die Reihenfolge der Schritte verändern als auch ganze Schritte entfallen können, je nach Ausgangslage des Betreffenden.“ (Pohl 2004, S159).

Der erste Schritt, den die Kinder machen sollten, ist das Sammeln und Sichten von Informationen. Sie sollten versuchen alles aufzuschreiben und zusammen zufassen was sie bisher von den Adoptiveltern und Sozialarbeitern erfahren und gehört haben. Danach sollten sie sich die Adoptionsunterlagen von den Adoptiveltern geben lassen. Freunde und Verwandte der Adoptiveltern können hinsichtlich der Adoption befragt werden.

Im zweiten Schritt rät der Leitfaden, dass man sich einen Begleiter aussuchen sollte. Dieser Begleiter soll als Ratgeber die Suche nach den leiblichen Eltern begleiten. Dieser Begleiter kann eine gute Freundin oder Freund sein. Es kann aber auch ein(e) Mitarbeiter(in) des zuständigen Jugendamtes oder ein(e) Therapeut(in) sein.

Im dritten Schritt empfiehlt der Leitfaden, dass die Kinder Ihre Adoptiveltern einbeziehen sollten, falls möglich. Egal wie das derzeitige Familienklima aus sieht, sollte das Kind die Adoptiveltern bei der Suche nicht ausgrenzen, sondern daran beteiligen. auch wenn nie oder nur kaum über die Adaption geredet wurde. Die Fronten zum Zeitpunkt der Suche zu klären sei keine gute Idee. Damit solle man besser warten, bis die Suche beendet ist. Es werden Veranstaltungen von Jugendämtern angeboten, speziell für Adoptiveltern, die sich mit dem Thema der Suche nach den leiblichen Eitern und der Identitätsfindung beschäftigen.

Im vierten Schritt sollten die Adoptivkinder sich entscheiden, wen sie als erstes suchen: Vater oder Mutter. Die meisten adoptierten Kinder suchen als erstes die Mutter, da die Väter entweder abwesend oder unbekannt sind. Wenn man sich nicht schlüssig ist, welches Elternteil man als erstes suchen soll, sollte man seinen Gefühlen folgen.

Im fünften Schritt sollte das Standesamt des eigenen Geburtsortes aufgesucht werden. Dort kann man die Abstammungsurkunde beantragen, die aufzeigt, wie die Namen sind und wo die leiblichen Eltern gewohnt haben.

Schrift sechs: Aufsuchen der Adoptionsvermittlungsstelle oder das Jugendamt. Das Jugendamt am Wohnort der Adoptiveltern zum Zeitpunkt der Adaption bewahrt die Akten auf; möglich ist es auch, einen Mitarbeiter des heimischen Jugendamtes um Hilfe zu bitten; die Akten enthalten wichtige grundlegende Informationen zu den Eltern, zum Geburtsort, den Gründen der Adoption, zu Heim- oder Pflegeaufenthalten.“ (Pohl 2004, 5.160).

Im siebten Schritt sollten die Kinder versuchen die neue Anschrift der Eltern, der Mutter oder des Vaters herauszufinden. Mit den Informationen, die sie von dem Jugendamt oder der Adoptionsvermittlungsstelle bekommen, können die Kinder dann im damaligen Wohnort sich auf die Suche nach den Eltern oder möglichen anderen Verwandten machen. Können keine Informationen über ein Elternteil oder andere verwandte Personen ausfindig gemacht werden, können sie beim Einwohnermeldeamt Erkundigungen einholen, an welchem neuen Ort die Eltern nun wohnen. Auskunft wird nur gegen Gebühr gegeben. Wenn die leiblichen Eltern oder das Elternteil, das man sucht, des Öfteren umgezogen ist, muss man sich, Wohl oder Übel, von Einwohnermeldeamt zu Meldeamt durchkämpfen. Dies kann unter Umständen sehr zeitaufwendig und kostspielig wer den. Wenn dieses Vorgehen zu mühsam ist und die Spur zu den Eltern sich verliert, übernimmt auch gerne das Jugendamt auf Anfrage diesen Wunsch. Sie versuchen dann eine neue Spur aufzunehmen zu den Tanten, Onkeln, Großeltern oder auch anderen Personen, die in den Unterlagen verzeichnet sind.

Der letzte und achte Schritt ist dann die mögliche Kontaktaufnahme, natürlich nur, wenn die Suche zum Erfolg geführt hat. Jedes Kind sollte sich ganz und gar auf seine inneren Gefühle verlassen, wann und wie, er oder sie es dann bewerkstelligt, Kontakt mit seinen leiblichen Eltern aufzunehmen. Man kann den direkten Weg wählen, d.h. man bemüht sich selber um den Kontakt, bereitet die Eltern auf die Begegnung vor, indem man einen Brief schreibt oder versucht erst mal telefonisch mit ihnen in Kontakt zu treten. Wenn man diesen Weg nicht nehmen möchte, schließlich handelt es sich ja um fremde Personen, kann man eine Person, die einem nahe steht oder auch eine Mitarbeiterin vom Jugendamt darum bitten, den Kontakt aufzunehmen. Es sollte aber schon im Vorfeld abgeklärt sein, wie und in weichem Umfang diese Hilfe aussehen soll, damit es später nicht zu Missverständnissen und Situationen kommt, die für das Kind unangenehm sind. Dieser Leitfaden ist eine gute und hilfreiche Unterstützung. bei der Suche nach seinen Wurzeln.

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Erfahrungsbericht

von:

Teil 2 - Wo gehöre ich hin? - Erfahrungsbericht

Da ich eine etwas andere Hautfarbe habe, als meine Eltern und Geschwister habe ich früh angefangen zu fragen, warum ich anders aussehe. Meine Eltern haben nie ein Geheimnis daraus gemacht und haben von Anfang an ehrlich und ausführlich mit mir darüber gesprochen, dass ich adoptiert bin.