Sie sind hier
Richtige Mutter - falsche Mutter?
Die Rolle der leiblichen Mütter im Pflegekindersystem
erschienen bei:
Aus den Informationen des Verlages:
2013 haben deutsche Jugendämter 42.123 Kinder aus ihrer Herkunftsfamilie genommen. Was bedeutet das für die leiblichen Mütter? Haben sie das Recht auf ihr Kind und den Kontakt mit ihm verwirkt?
Die Autorinnen fragen danach, wie nach einer notwendig gewordenen Inobhutnahme durch das Jugendamt der Kontakt zu den leiblichen Eltern gestaltet werden kann. Die Inobhutnahme bleibt ein Eingriff in das Beziehungssystem, wenn auch manchmal unvermeidbar, weil das Wohl des Kindes gefährdet ist. Den häufig alleinstehenden Müttern wird oft von Jugendämtern und Pflegefamilien der Kontakt zu ihren Kindern erschwert. Manchmal scheinen diese Maßnahmen eher als Strafaktion für unfähige Mütter. Die leiblichen Mütter dürfen und sollten auch weiterhin eine Rolle im Leben ihrer Kinder spielen; wie diese gestaltet werden könnte beschreibt das Buch.
Eine Besprechung des Buches durch eine erfahrene Fachkraft der Adoptionsvermittlung und Adoptionsbegleitung:
Ich leite einen Adoptions-und Pflegekinderdienst in konfessioneller Trägerschaft und arbeite seit fast 20 Jahren in diesem Arbeitsfeld. Zurzeit ist unser Dienst für ca. 50 nachgehende Adoptionsbegleitungen und für ca. 110 Pflegekinder zuständig.
Vorweg möchte ich schicken, dass die Pflegekinderhilfe in den einzelnen Kommunen in der Bundesrepublik ein sehr heterogen ausgestaltetes Arbeitsfeld ist. Von daher wird es sicher zutreffen, dass einige der Fallbeispiele, die in dem Buch „Richtige Mutter – falsche Mutter“ der beiden Autorinnen Rohwetter/Zollenkopf aufgeführt wurden, tatsächlich so stattgefunden haben. Diese Beispiele könnten tatsächlich Anlass gewesen sein, sowohl emotional als auch fachlich inhaltlich, die Autorinnen glauben zu machen, eine Parteinahme für die leiblichen Mütter in der Pflegekinderhilfe sei dringend geboten und als Thema aufzugreifen.
Doch was hier in diesem Buch vorgelegt wurde, zeigt deutlich, dass die beiden Autorinnen sich aus meiner Sicht zu wenig mit der tatsächlichen Praxis in der Pflegekinderhilfe auskennen.
Der Titel „Richtige Mutter – falsche Mutter“ und der Untertitel „Die Rolle der leiblichen Mütter im Pflegekindersystem“ hat mich zunächst interessiert. Beim Lesen stellte sich jedoch sehr schnell heraus, dass dieser Titel sehr stark parteilich aufgefasst werden soll, weil scheinbar den leiblichen Müttern, wenn ihre Kinder in Pflegefamilien untergebracht sind, nicht ausreichend Wertschätzung und Beteiligung entgegengebracht wird.
Dies kann ich aus meinem langjährigen Alltag in der Pflegekinderhilfe so nicht bestätigen. Sicher sind uns allen, die wir in der Pflegekinderhilfe tätig sind, die Themen, die in dem Buch angerissen werden, bekannt wie beispielsweise:
- die Konkurrenz der leiblichen Mütter mit den Pflegeeltern,
- die Ausgestaltung von Besuchskontakten,
- die Notwendigkeit die leibliche Familie einem Pflegekind zu erhalten,
- die Fragestellung, ob Pflegeltern als institutionelle Hilfe leistende Stelle gesehen werden können oder nicht,
- die verschiedenen Motivationslagen von Pflegeeltern für die Übernahme der Aufgabe einer Pflegeelternschaft,
- die Ausgangssituation von leiblichen Müttern,
- die Belastung von Pflegefamilien usw.
Und an all diesen Themen wurden in der Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe in den vergangenen Jahren inhaltlich gearbeitet und sich fachlich inhaltlich in einem breit angelegten Fachdiskurs auseinandergesetzt. Erfahrungen aus diesem fachlichen Diskurs wurden umgesetzt und Rahmenbedingungen in der Pflegekinderhilfe neu justiert.
Aus meiner Sicht können die beiden Autorinnen nur einen sehr begrenzten Ausschnitt der Pflegekinderhilfe in den Blick genommen haben, um zu ihren Resümees, die sie in ihrem Buch darstellen, zu gelangen. Längst würdigt die Pflegekinderhilfe viele Aspekte, die in diesem Buch benannt wurden, differenziert und professionell.
Ausgangssituation für jede Pflegevermittlung ist die – fast könnte man schon sagen – Binsenweisheit, dass ein Kind aus seiner Familie genommen werden kann, aber die Familie nicht aus dem Kind genommen wird. Die Pflegekinderdienste, mit denen wir Kontakt haben und mit denen wir unter Beteiligung verschiedener Fachleute an der inhaltlichen Weiterentwicklung arbeiten, arbeiten auf der Grundlage von Konzepten, die eine wertschätzende und offensive Einbeziehung der Herkunftsfamilien in die Begleitung der einzelnen Pflegeverhältnisse als selbstverständlich mit einschließt. Insofern ist das vorliegende Buch eher dazu angetan alte Klischees zu bedienen, als die Realität, wie sie derzeit in den verantwortungsvollen arbeitenden Pflegekinderdiensten gehandhabt wird, abzubilden.
Vor allem fehlt in diesem Buch aber der Blick auf das Wesentliche in der Pflegekinderhilfe, nämlich auf das, was das Kindeswohl im Einzelfall an Handeln erfordert. Der emotionale Blick auf die Bedürfnisse der leiblichen Mütter verstellt nach meinem Eindruck den beiden Autorinnen den Blick darauf, was ein Kind zu seiner gesunden Entwicklung benötigt. Und es ist für mich nicht erkennbar dass die Autorinnen folgende Grundannahme teilen: Ein Kind hat, egal in welches Familiensystem es hin geboren wird, in keinem Fall die Entwicklungsaufgabe, für seine Mutter/Eltern, die nicht in der Lage ist/sind, aus welchen Gründen auch immer, ihrer Erziehungsaufgabe gerecht zu werden, zu „sorgen“, bzw. Opfer dieser Defizite zu werden.
Abschließend noch Folgendes: Aus meiner Sicht gelingt es vielen Pflegekinderdiensten hervorragend, geeignete Pflegeeltern auf ihre Aufgabe vorzubereiten, deren Motivation sorgfältig zu prüfen und ihren Erziehungsauftrag im Rahmen einer qualifizierten Hilfeplanung mit ihnen zu besprechen. Weiter gelingt es, wertschätzende Vermittlungssituationen zu schaffen und leibliche Eltern in den Gesamtprozess mit einzubeziehen. Im Buch wird im Übrigen nie von den leiblichen Vätern gesprochen, die zu beteiligen wären. Auch sie spielen für die Kinder im Identitätsfindungsprozess ja auch eine große Rolle. Ist das vielleicht ein Hinweis auf die sehr emotionale Beteiligungslage der Autorinnen?
Ich lade die beiden Autorinnen gerne in unseren Pflegekinderdienst ein, damit sie sich ein Bild von unserer Vermittlungspraxis und Arbeitsweise machen können. Ich hoffe, dass das vorliegende Buch nicht dazu dient, aus meiner Sicht längst überholte Klischees für die Arbeitsweise von Pflegekinderdiensten erneut zu bedienen.

Kostenloses eBook
Grundinfo Pflegekinder
50 Seiten geballte Information
ohne weitere Verpflichtung