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25.02.2014
Nachricht aus Hochschule und Forschung

IGFH zum Projekt Careleaver

Im Gegensatz zu Kindern, die in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen, verfügen viele dieser Jugendlichen und jungen Erwachsenen kaum über stabile private Netzwerke und ausreichende materielle Ressourcen. Dennoch wird von ihnen in der gängigen Hilfepraxis erwartet mit Eintritt der Volljährigkeit selbständig zu leben.

Die Internationale Gesellschaft für Hilfen zur Erziehung - IGFH - beschreibt das Projekt, an dem sie intensiv mitgearbeitet hat, auf ihrer Webseite wie folgt:

Die stationären Erziehungshilfen genießen in Deutschland einen ambivalenten gesellschaftlichen Stellenwert. Einerseits verbirgt sich dahinter eine Vielfalt an Hilfeformen – von Heimgruppen über Wohngruppen, Pflegefamilien, Erziehungsstellen und anderen, andererseits wird diese Vielfalt häufig unter der Formel „Stationäre Jugendhilfe als ultima ratio“, als Restkategorie gegenüber den ambulanten Hilfen vereinfachend subsummiert. Diese Perspektive verstellt den Blick auf eine differenzierte Analyse dessen, was stationäre Erziehungshilfen zu leisten vermögen und welchen Herausforderungen sie hinsichtlich ihrer Anschlussfähigkeit an eine gelingende, selbstständige, sozial integrierte Lebensführung gegenüberstehen.

Festzuhalten ist – und dies wird auch in internationalen Studien bestätigt – dass Kinder- und Jugendliche, die im Rahmen von öffentlichen Hilfen zur Erziehung betreut werden, besonderen ökonomischen und sozialen Benachteiligungen sowie auch Barrieren im Bildungssystem ausgesetzt sind. Diese Problematik erfährt dadurch zusätzliche Brisanz, dass Kinder und Jugendliche, die in stationären Erziehungshilfen aufwachsen, außerdem im Vergleich zu denen, die in ihrer Herkunftsfamilie leben, deutlich früher in den Prozess der Verselbstständigung eintreten (müssen). Damit erfahren die Jugendlichen nicht nur biografisch bedingte, sondern auch mit der stationären Erziehungshilfe korrespondierende strukturelle Benachteiligungen.

Die besondere Situation dieser sogenannten Care Leavers 1 – wird in der Jugendpolitik aber bisher kaum zur Kenntnis genommen. Zudem wird die damit verbundene Herausforderung vielfach auch nicht als Aufgabe des Bildungssystems, sondern als Herausforderung der Kinder- und Jugendhilfe angesehen. Obwohl das Kinder- und Jugendhilfegesetz weitere Angebote für junge Volljährige ermöglichen würde, sehen viele Akteure in der Kinder- und Jugendhilfe ihre Verantwortung für diese jungen Menschen mit dem Erreichen der Volljährigkeit oder dem Verlassen der jeweiligen Einrichtungen als beendet an.

Insgesamt sind auf internationaler Ebene eine Reihe von Aktivitäten zu erkennen, durch die der Übergang ins Erwachsenenalter von Care Leavers verbessert werden soll. So hat beispielsweise die Organisation „SOS-Kinderdörfer International“ eine Studie „Ageing out of Care“ vorgelegt, in der die Übergänge ins Erwachsenenalter von Care Leavers vor allem in osteuropäischen Ländern analysiert werden.

Das Projekt Nach der stationären Erziehungshilfe – Care Leaver in Deutschland der IGfH und der Universität Hildesheim zielt deshalb darauf ab, die Lebenssituation von Care Leavers stärker ins Blickfeld der europäischen Sozialpolitik zu rücken (vgl. Lerch/Stein 2010).Vor diesem Hintergrund sollen durch das Projekt die verschiedenen Maßnahmen, Angeboten und Unterstützungsstrukturen, die in den unterschiedlichen Ländern bereits existieren, systematisiert verglichen, Formen guter Praxis identifiziert, Transfermöglichkeiten beschrieben und Notwendigkeiten der Adaption diskutiert werden.

Ziel des Projektes 'Nach der Erziehungshilfe – Care Leaver in Deutschland' ist es darum:

  • die Situation von Care Leavers in Deutschland im internationalen Vergleich zu betrachten und dabei die Schnittstellen zu anderen sozialstaatlichen Stützungssystemen in den Blick zu nehmen;
  • Strukturen „Guter Praxis“ in Deutschland herauszuarbeiten, diese mit Angeboten und Maßnahmen aus dem europäischen Ausland zu vergleichen und für den Transfer aufzubereiten;
  • in Workshops mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Ländern über die Erfahrungen in der Umsetzung der Angebotsstruktur zu diskutieren, sowie den möglichen Transfer in die Kinder- und Jugendhilfelandschaft in Deutschland mit freien und öffentlichen Trägern zu prüfen;
  • ein Arbeitsbuch (Workbook) für die Kinder- und Jugendhilfepraxis zu erarbeiten, in dem für Träger und Kommunen bzw. auch für Jugendämter die internationalen Erfahrungen und mögliche Angebote übersichtlich dargestellt werden.

Am 5.12.2013 fand die Abschlussveranstaltung des Projekts in Berlin statt. Die Vorträge der ReferentInnen finden Sie auf dieser Internetseite der IGFH.

Aktuell werden die Projektergebnisse in einem Arbeitsbuch zusammengestellt, das im Sommer 2014 erscheinen wird.