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28.04.2015
Nachricht aus Hochschule und Forschung

Nach Hause? - Rückkehrprozesse von Pflegekindern in ihre Herkunftsfamilie

Informationen zum Abschlussbericht des Praxisforschungsprojektes des Instituts für Vollzeitpflege und Adoption e.V. (iva) und der Forschungsgruppe Pflegekinder der Uni Siegen vom Februar 2015

Informationen zum Abschlussbericht des Praxisforschungsprojektes des Instituts für Vollzeitpflege und Adoption e.V. (iva) und der Forschungsgruppe Pflegekinder der Uni Siegen vom Februar 2015

  • Mitarbeiter des Projektes: Dirk Schäfer, Corianna Petrie, Judith Pierlings
  • Herausgeber: Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste ZPE Schriftenreihe Nr. 41

Zusammenfassung

In der Einleitung zum Bericht beschreiben die Autoren Inhalt und Aufbau des Berichtes. So heißt es dort auszugsweise:

Bereits während der Vorbereitung des Forschungsantrages wurde deutlich, dass wir uns entschlossen hatten, ein Thema zu bearbeiten, das in der Praxis auf der einen Seite großes Interesse und auf der anderen Seite auch ablehnende Reaktionen auslöste. Unser Eindruck verfestigte sich im Laufe der Zeit – wir haben nicht nur ein relevantes Thema gewählt, sondern eines, das grundsätzliche Haltungen und Überzeugungen von Fachkräften berührt und daher inhaltliche Kontroversen erwarten ließ. Unser Ziel ist es nun, Sie als Leserinnen und Leser zum einen über die zentralen Ergebnisse unseres Projektes zu informieren und Sie zum anderen dazu anzuregen und zu ermutigen, die Arbeit in der Pflegekinderhilfe weiter zu entwickeln. Um es vorab klar zu betonen: Es geht nicht darum, pauschal für Rückkehrprozesse zu werden oder Rückkehrprozesse grundsätzlich auszuschließen, sondern darum, Gelingensfaktoren und Qualitätskriterien zu benennen, die im Rahmen von Rückkehrprozessen unbedingt berücksichtigt werden sollten. Wir wollen mit unserer Arbeit eine praxisorientierte Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe unterstützen, die sich an empirisch abgesicherten Wissensbeständen orientiert.

Aufbau des Berichtes:

Im einleitenden Kapitel wird zunächst der Diskussionsstand zum Thema „Rückkehr in der Pflegekinderhilfe“ beschrieben. Darauf bezogen werden die Projektziele und der Projektablauf dargestellt.
Im zweiten Kapitel beschreibt Klaus Wolf mit Blick auf die Rückkehrprozesse von fremduntergebrachten Kindern und Jugendlichen den Auftrag der Sozialen Dienste sowie den hierfür relevanten rechtlichen Rahmen.

Ein Überblick über die ausgewählten Falle sowie eine Bewertung der Reichweite daraus abgeleiteter Erkenntnisse folgt im dritten Kapitel.
Das vierte Kapitel bildet den Kern des Berichts. Es enthält eine adressaten- und themenbezogene Auswertung des Materials, deren Grundlagen Konsequenzen und Empfehlungen für die konkrete Arbeit von Fachkräften vorgeschlagen werden, die in der Pflegekinderhilfe tätig sind.

Daran anschließend werden die Projekterkenntnisse zusammengefasst. Dazu gehört neben der Entwicklung einer idealtypischen Vorbereitung und Begleitung von Pflegeverhältnissen, in denen das Thema Rückkehr nicht ausgeschlossen wird, auch die übersichtliche Darstellung der aus dem Datenmaterial herausgearbeiteten Gelingensfaktoren.

Als Fazit der Untersuchung werden im sechsten Kapitel Konsequenzen und „Baustellen“ festgehalten, die hinsichtlich der Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe insgesamt und für das spezifische Themenfeld der Rückkehrprozesse herausgearbeitet werden konnten. Daran anschließend werden weitere Forschungsbedarfe für den Bereich der Pflegekinderhilfe skizziert, die auf der Grundlage der unterschiedlichen Diskussionen und fachlichen Auseinandersetzungen im Projekt deutliche wurden.

Abschließend resümiert Klaus Wolf in einem abstrahierenden Blick die Bedeutung der vorliegenden Arbeit für die Pflegekinderhilfe in Deutschland und ordnet sie innerhalb der Gesamtaktivitäten der Forschungsgruppe Pflegekinder der Universität Siegen ein.

Welche Personen- und Berufsgruppen adressiert der Abschlussbericht?

Der vorliegende Bericht soll Fachkräften, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Pflegekindern und deren Familien – Herkunftsfamilie und Pflegefamilie – arbeiten, Anregungen zur Weiterentwicklung ihrer Arbeit bieten. [...] Für interessierte Eltern und Pflegeeltern könnte der Bericht ebenfalls anregend sein, da hier ein Thema bearbeitet wird, das häufig bei beiden Personengruppen große Verunsicherungen auslöst. Für fachpolitische Entscheidungsträger enthält der Abschlussbericht explizite Hinweise zur notwendigen Entwicklung der Pflegekinderhilfe.

Eine komplizierte und umfängliche Projektvorbereitung

Zunächst musste er einmal ein Überblick über die relevanten Fragestellungen zum Thema Rückkehrprozesse erarbeitet werden. Dann wurden 200 Jugendämter in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen angefragt, die nur zögerlich oder gar nicht antworteten. Letztendlich standen dann für die Akquisephase insgesamt 50 Fälle zur Verfügung, von denen dann 16 kontrastreiche Fallkonstellationen ausgewährt wurden.

Für die Datenerhebung wurden zwei Hauptmerkmale festgelegt:
1. Die multiperspektivische Erfassung des Erlebens der am Rückkehrprozess beteiligten Menschen
2. Die Berücksichtigung des prozessualen Verlaufs einer Rückkehr
Der Abschlussbericht schildert die Auswahl der Fälle und exemplarische Verläufe.

Daran zeigten sich einige grundsätzlichen Themen und Arbeitsweisen

  • Die Herkunftsfamilien werden in der Pflegekinderhilfe bisher unzureichend berücksichtigt.
  • Pflegefamilien sind eine zu wichtige gesellschaftliche Ressource, um sie im Rahmen von Rückkehrprozessen unbegleitet zu lassen und sie dadurch zu verlieren.
  • (Pflege)Kinder dürfen nicht aus dem Blick geraten
  • Die Beziehungsqualität zwischen den Pflegeeltern und den Eltern ist ein wichtiger Gelingensfaktor für eine Rückkehr und für das Pflegeverhältnis insgesamt.
  • Die Absprachen zwischen Sozialen Diensten, Eltern und Pflegeeltern sind häufig intransparent.

Aus diesen Erkenntnissen entwickelt nun der Bericht einerseits Konsequenzen für eine professionelle Haltung und andererseits Konsequenzen und Empfehlungen für professionelles Handeln.

Auf Dynamiken im Prozess kommt es ebenso an wie auf das richtige Timing, Rahmenbedingungen und Einzelfallspezifische Bedingungen von Pflegeverhältnissen.

Hilfeplanung mit Rückkehroption

Ein besonderer Abschnitt beschäftigt sich mit der Hilfeplanung bei Pflegeverhältnissen mit Rückkehroption und weist hier besonders nochmals auf die Sicherstellung des Schutzes des Kindes, auf die Veränderungsbereitschaft der Eltern, auf Dauer des Pflegeverhältnisses und die Bedeutung des Bindungsverhaltens, auf juristische Verfahren und den Wunsch und Willen des Kindes hin.

In der Zusammenfassung werden die Gelingensfaktoren bei Rückkehrprozessen benannt und Empfehlungen erwähnt.

Das Fazit stellt Fragen zur Weiterentwicklung der Pflegekinderhilfe

  1. In welcher Weise werden die Eltern unterstützt, wenn ihr Kind in einer Pflegefamilie aufwächst?
  2. Wie gelingt es, die Kinder und Jugendlichen sowie die Mitglieder ihrer Herkunfts- und Pflegefamilie angemessen zu begleiten und zu unterstützen?
  3. Wie erfolgt die Integrationsphase eines Pflegekindes nach der Rückkehr?

...und macht weiteren Forschungsbedarf deutlich.

Im Epilog schreibt Klaus Wolf:

Das Kind ändert seinen Lebensmittelpunkt und zieht von seiner Pflegefamilie in seine Herkunftsfamilie um. Was ist ein angemessener Begriff für diesen Vorgang: Rückkehr, Rückführung, Umplatzierung, Beendigung einer Hilfe zur Erziehung, Herausgerissenwerden? Jeder dieser Begriffe eröffnet einen bestimmten Assoziationsraum. [….]

Die Liste von Bezeichnungen ließe sich noch fortsetzen und wir ahnen, was aus der Perspektive des einen eine Rückkehr ist, kann aus der Perspektive des anderen ein Herausgerissenwerden sein. Alle nehmen für sich in Anspruch, nur oder primär das Interesse des Kindes im Auge zu haben, aber sie haben oft sehr unterschiedliche, manchmal entgegengesetzte Vorstellungen davon, was das Wohl des Kindes ist. [...]

Schließlich wird eine Parallele in der Situation der zurückbleibenden Eltern und der zurückbleibenden Pflegeeltern deutlich. [...]

Das Thema Rückführung, Rückkehr, Herausgerissenwerden wird oft ein Herzblutthema im Beziehungsfeld um das Pflegekind bleiben. Es kann nicht einfach im Sinnes eines Rückkehrmanagments organisiert und gelöst werden. Aber die Untersuchung zeigt viele Handlungsoptionen Sozialer Dienste. Es wird herausgearbeitet, an welchen Stellen und wie Prozesse konstruktiv beeinflusst werden können. Auch der Perspektivwechsel wird durch die Ergebnisse angeregt. Damit sind wir ein Stück weitergekommen. Aber selbstverständlich sind damit nicht alle Fragen beantwortet. Es steht die Implementierung der Ergebnisse in der Praxis an und die Auswertung der neuen Erfahrungen, die die Fachkräfte damit machen werden.

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