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Ausschluss des Umgangs bei Kindeswohlgefährdung
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GründeDie Antragstellerin begehrt den Umgang mit ihrem am 7.8.1988 geborenen Sohn, der bei seinen Pflegeeltern, den Beteiligten zu 3.,lebt. 1.a) Das Kind stammt - ebenso wie seine Schwester aus der Ehe der Antragstellerin mit dem am 10. Dezember 1993 (infolge einer Selbsttötung) verstorbenen Ehemann. Nach dessen Tod wurden zunächst beide Kinder bei den Pflegeeltern untergebracht, weil die Antragsstellerin seinerzeit aufgrund einer Alkohol- und Tablettenabhängigkeit nicht zu einer Betreuung der Kinder in der Lage war. Mit Beschluß vom 14.1.1994 übertrug das Vormundschaftsgericht die elterliche Sorge für das Kind auf den Kreis Nordfries-land als Vormund. Die Schwester lebt seit Juni 1996 wieder bei der Antragstellerin, die mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1997 beantragt hat, ihr ein Um-gangsrecht mit ihrem Sohn zu gewähren. Ihre Tabletten- und Alkoholabhängigkeit habe sie erfolgreich bekämpft.b) Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Regelung des Umgangs mit ihrem Sohn zurückgewiesen und ihr Umgangsrecht auf die Dauer von zwei Jahren ausgeschlossen. Der zeitweilige Ausschluß des Umgangsrechts sei erfor-derlich, um eine Gefährdung des Kindeswohls zu vermeiden (§ 1684 Abs. 4 BGB). Das Kind weigere sich, seine leibliche Mutter zu sehen. Die darin zum Ausdruck kommende negative Einstellung seiner Mutter gegenüber beruhe auf subjektiv beachtlichen und verständlichen Beweggründen. Davon abgesehen habe das Kind - nachdem er von dem Wunsch seiner Mutter nach einer Kontaktaufnahme erfahren habe - wieder eingenäßt und Eßstörungen gezeigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß Bezug genommen.2. Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.a) Sie macht im wesentlichen geltend, es gebe objektiv keine Gründe für die Ver-sagung des Umgangsrechts. Soweit das Kind dennoch auf sie, die Mutter, ablehnend reagieren sollte, hänge dies allein mit einer entsprechenden Beeinflussung durch die Pflegefamilie zusammen. Diese setzten alles daran, das Kind dauerhaft bei sich behalten zu können. Sie, die Antragsstellerin sei sich dar-über bewußt, daß zwischenzeitlich eine Entfremdung zwischen dem Sohn und ihr eingetreten sein möge. Sie bestehe deshalb auch - derzeit - nicht auf einem re-gelmäßigen Umgangsrecht. Auf jeden Fall wolle sie aber die Möglichkeit haben, ihren Sohn zu sehen und zu sprechen, sei es auch anfangs im Beisein einer dritten Person. Eine Gefährdung des Kindeswohles durch einen derartigen Um-gang sei nicht gegeben. Dies werde auch ein vom Senat einzuholendes kinderpsychologisches Gutachten ergeben. Sie selbst habe ihr Leben wieder imGriff, was sich auch darin zeige, daß sie zwischenzeitlich das Altenpflegeexamenmit überdurchschnittlichem Abschluß abgelegt habe.b) Der Vormund tritt der Beschwerde entgegen. Es sei mehrfach versucht worden, die Bereitschaft des Kindes für eine Kontaktaufnahme mit seiner leiblichen Mutter zu fördern. Dies werde auch künftig geschehen. Es lehne jedoch jeglichen Kontakt zur leiblichen Mutter entschie-den ab. In - mehrfach und intensiv geführten - Gesprächen habe er dies deutlich und massiv zum Ausdruck gebracht. Diese Entscheidung sollte respektiert werden.c) Die Pflegeeltern machen geltend, der gegen sie erhobene Vorwurf sei nicht be-rechtigt .Sie seien durchaus in der Lage „loszulassen". Dies habe sich gezeigt, als seine Schwester den Wunsch geäußert habe, ihre Mutter zu sehen, und sodann einen Wechsel anstrebte. Die von der Kindesmutter gewünschten Kontakte gefährdeten das Kindeswohl. Das Kind sei seinerzeit mit schweren Verwahrlosungstendenzen und Verhaltensauffälligkeiten in die Pflegefamilie gekommen, habe sich jetzt aber stabilisiert. Das Kind habe eine sehr enge Bindung zu seinem leiblichen Vater gehabt und dessen Tod als großen Vertust erlebt. An seine Stelle sei nunmehr der Pflegevater getreten, zu dem eine sehr intensive Beziehung be-stehe. Die momentane Beruhigung des - sehr zappeligen und sehr aufgeregten -Schülers habe eine gewisse Beruhigung erfahren. Die fehlende Bereitschaft von ihm, seine Mutter zu sehen, resultiere offenbar aus tiefsitzenden Ängsten und Enttäuschungen. Schon die Mitteilung des Wunsches der Kindes-mutter, Kontakt aufzunehmen, habe ihn irritiert. So sei er nicht be-reit gewesen, ein Konzert in Kiel zu besuchen, weil er befürchtet habe, in Kiel bleiben zu müssen. Auch dies zeige, daß der Umgang mit der Kindesmutter ge-eignet sei, die gewonnene Stabilität des Jungen wieder zu zerstören.d) Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.3. Der Senat hat die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. Juni 1999 angehört, das Kind in Abwesenheit der übrigen Beteiligten. Diese sind vom dem wesentlichen Inhalt der Anhörung in Kenntnis ge-setzt worden.II.Die Beschwerde ist unbegründet.1 a) Nach § 1684 BGB Abs. 4 Satz 2 BGB kann eine Entscheidung, die das Um-gangsrecht für längere Zeit ausschließt, nur ergehen, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Diese Voraussetzungen hat das Amtsgericht zutreffend bejaht. Dabei geht der Senat davon aus, daß ein solcher Ausschluß nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Auch der zeitweise Ausschluß des Umgangsrechts stellt einen tiefgreifenden Eingriff in das unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 GG stehende Elternrecht dar. Davon abgesehen liegt es grundsätzlich im Interesse der Kindes und dient seinem Wohl. wenn die Beziehung zu einem Elternteil durch persönliche Kontakt gepflegt wird. Der Ausschluß des persönli-chen Umgangs mit einem Elternteil darf daher nur angeordnet werden, um eine Gefährdung der körperlichen oder geistig-seelischen Entwicklung des Kindes abzuwenden. Zudem ist Voraussetzung, daß keine anderen - milderen - Mittel zum Schütze des Kindes verfügbar sind (vgl. BGH FamRZ 1980.131 {132};Palandt/Diederichsen. 58. Aufl.. § 1684 BGB Rdnr. 52 m.w.N.). Bei der Prüfung. ob eine Gefährdung in dem obigen Sinne gegeben ist, hat auch der Wille des Kindes Berücksichtigung zu finden. Das Persönlichkeitsrecht des Kindes erfordert es, daß sein Wille im Rahmen seines wohlverstandenen Interesses zur Geltung kommt. Da dem Willen des Kindes zwar Gewicht (vgl. hierzu auch §33 Abs. 2 Satz 2 FGG n.F.), jedoch nicht von vornherein ein Vorrang beizumesssen ist, gilt es, die Individualität des Kindes und die aus dem Elternrecht fließenden Belange des Kontakt suchenden Elternteils gegeneinander abzuwägen (vgl. BGH FamRZ 1980, 131 {133}).Das Anliegen der Antragstellerin, nach all den Jahren der Trennung wieder den Kontakt mit ihrem Sohn aufzunehmen, kommt besonderes Gewicht zu. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin mit der anvisierten behutsamen Kontaktaufnahme einer weiteren Entfremdung entgegentreten möchte. Der Senat trägt auch keine Bedenken, die aus der Person der Antragstellerin folgen könnten. Diese hat die krisenhafte Phase in ihrem Leben überwunden, was nicht zuletzt die nunmehr mit besonderem Erfolg abgeschlossene Berufsausbildung und die offenbar problemlose Wiedereingliederung von ihrer Tochter in die Familie der Antragstellerin er-hellt, und auch in Einklang steht mit dem Eindruck, den die Antragstellerin auf den Senat gemacht hat. Andererseits hat sich das Kind nachhaltig und ein-deutig gegen ein Zusammentreffen mit seiner Mutter ausgesprochen. Diesen Willen hält der Senat nicht nur für beachtlich, sondern mit Blick auf das Kindes-wohl gegenüber den Belangen der Antragstellerin auch für ausschlaggebend.Das Kind übersieht die Tragweite seiner Weigerung. Hierzu hat er ge-äußert, er brauche keine zwei Mütter, eine Mutter genüge ihm. Daher wolle er „M“(so hat er die Antragstellerin bezeichnet), nicht sehen. Zur Überzeugung des Senats beruht diese Ablehnung bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände auf subjektiv unüberwindlichen Beweggründen. Dafür, daß die Weigerung Ausfluß einer Beeinflussung durch die Pflegeeltern sein könnte, sieht der Senat keine Anhaltspunkte; einer solchen Annahme stehen auch die glaubhaften Bekundungen der Pflegeeltern sowie die Stellungnahme des Vor-munds im Termin entgegen. Nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von dem Kind gewonnen hat, ist die Persönlichkeitsentwicklung des - mittler-weile nahezu - elfjährigen Kindes bereits so weit fortgeschritten, daß eine seinem - mehrfach und nachhaltig geäußerten - Willen zuwiderlaufende Kontaktaufnahme eine Gefährdung seiner Entwicklung bewirken würde. Bereits die Befassung mit dem Thema „Umgangsrecht" ist für das Kind außerordentlich betastend, umso mehr würde die Zulassung von Kontakten - unter Brechung seines Willens – das Kindeswohl beeinträchtigen. Der angeordnete zeitweise Ausschluß des Umgangs ist derzeit erforderlich, um dem Kind eine - von der Frage des Umgangs unbehel-ligte - Entwicklung hin zu einer nicht von Ängsten besetzten Persönlichkeit zu er-möglichen.Die Weigerung des Kindes ist von einer - mit Händen zu greifenden - tief verwur-zelten Angst gespeist, aus der Pflegefamilie herausgerissen zu werden. Zu dieserFeststellung bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Ohne zu den Gründen für seine ablehnende Haltung befragt worden zu sein, hat das Kind von sich heraus auf Postsendungen der Antragstellerin verwiesen, die an ihn als lediglich „zur Zeit" bei der Pflegefamilie wohnend adressiert worden seien. Der bis zu diesem Zeitpunkt sehr lebendige und anschaulich erzählende Junge hat dabei einen verstörten Eindruck gemacht. An die Antragstellerin hat er kaum mehr eine konkrete Erinnerung. Nach dem Verlust des Vaters und den Um-zug der Schwester von den Pflegeeltern zur Antragstellerin empfindet er deren Kontaktversuche als Beginn eines Prozesses, an dessen Ende wieder ein Verlust stehen wird, nämlich das „Verlassenmüssen" seines jetzigen als Familie empfundenen Lebenskreises, in dem er Geborgenheit gefunden hat. Dieser sub-jektiven Sicht ist derzeit nicht mit rationalen Erwägungen beizukommen. Er hat zwar den Unterschied zwischen Umsiedlung und bloßem Zusam-mentreffen mit seiner Mutter verstanden, auch hat ihm der Senat mehrfach erklärt und versichert, daß es überhaupt nicht um eine Umsetzung gehe. Gleichwohl ist der Junge bei seiner entschiedenen Weigerung geblieben. Erst nachdem das Gespräch wieder auf Themen jenseits der Frage des Umgangsrechts gekommen ist, hat er zu seiner Lebendigkeit zurückgefunden.Auch im übrigen hält der Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens für nicht erforderlich. Eine Begutachtung würde zwar mutmaßlich näheren Auf-schluß über die tieferen Ursachen der dargelegten Ängste geben; deren genaue Kenntnis vermag jedoch keine andere Entscheidung rechtfertigen. Allerdings regt der Senat an, diesen Ängsten durch entsprechende therapeutische Maßnahmen zu begegnen. Hierzu kann die verbleibende Ausschlußzeit einen optimalen - vonder Frage des Umgangsrechts unbehelligten -Rahmen bieten.b) Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde §§ 621e Abs. 2 Satz 1,546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Der Sache kommt weder grund-sätzliche Bedeutung im Sinne von § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO zu noch liegt ein Abweichungsfall nach Nr. 2 der genannten Vorschrift vor.
Bezüge:
BGB§1684
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