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25.02.2022
Gerichtsbeschluss erklärt
vom: 
17.02.2022

Benennung eines Vormundes für eine 15-jährige

Das OLG Frankfurt a.M. beschäftigt sich in einem Beschluss im Hinblick auf die Frage einer Vormundschaft für eine Jugendliche besonders mit drei Punkten: Sorgerechtserklärung, Kindeswille und der Vorrangigkeit bei der Benennung von Vormündern.

Ein 15-jähriges Mädchen lebt schon seit einiger Zeit bei seinen Großeltern mütterlicherseits zusammen mit ihrer kranken Mutter. Der Vater lebt etwa 200 km entfernt. Er und seine Tochter verbringen die Samstage miteinander. Der Vater ist Angehöriger nichtdeutscher Streitkräfte in Deutschland mit der Muttersprache Englisch. Nach dem Tod der Mutter 2021 beantragen die Großeltern die Vormundschaft für ihr Enkelkind und beziehen sich dabei auf eine Vollmacht der Mutter der Jugendlichen, in der sie ermächtigt wurden, das alleinige Sorgerecht für die Jugendliche auszuüben, sofern die Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollte. Der Vater will jedoch das Sorgerecht für das Mädchen auf sich übertragen bekommen.

Das Amtsgericht entscheidet dahingehend, die Großeltern als Vormünder einzusetzen. Gegen diesen Beschluss erhebt der Vater der 15-jährigen Beschwerde beim OLG Frankfurt.

Im Februar 2022 weist das OLG die Beschwerde des Vaters zurück.

Das OLG bezieht sich in seiner Begründung schwerpunktmäßig auf den Willen der Jugendlichen, die überzeugend ihre klare Meinung dahingehend geäußert hatte, dass sie ihre Großeltern als Vormünder haben wollte.

Auszüge aus der Begründung des Beschlusses im Hinblick auf den Willen der Jugendlichen

Der überlebende Elternteil hat einen Anspruch auf Übertragung des Sorgerechts, allerdings nur sofern Kindesinteressen nicht entgegenstehen 

Maßgeblich für die Prüfung, ob die Übertragung der Sorge auf den überlebenden Elternteil dem Kindeswohl nicht widerspricht, sind die auch für die Entscheidung nach § 1671 BGB heranzuziehenden Kriterien des Kindeswohls, nämlich der Grundsatz der Kontinuität, der Förderungsgrundsatz, die Bindungen des Kindes und ein etwaiger zu beachtender Wille des Kindes.

Ab dem 1. Januar 2023 auch in den dann geltenden Vorschriften des Vormundschaftsrechts kommt zum Ausdruck, dass dem Kindeswillen ab Vollendung des 14. Lebensjahres erhebliches Gewicht zukommt. 

Während der vom Kind geäußerte Wille bei kleineren Kindern vornehmlich Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen hat, ist er mit zunehmendem Alter auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam. Nur wenn die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsvollem Handeln berücksichtigt werden, kann das Ziel erreicht werden, das Kind darin zu unterstützen, zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu werden.

Dem Willen von Kindern im Alter von 15 und 17 kommt nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben erhebliches Gewicht zu. Ein nachhaltig geäußerter entgegenstehender Wille des Kindes kann ein Grund sein, die Sorgeübertragung nach § 1680 Abs. 2 BGB abzulehnen 

Nach diesen Maßstäben ist das Amtsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl der Jugendlichen widersprechen würde. 

Weiterhin äußert sich das OLG auch zur Benennung der Großeltern als Vormünder

Hierbei möchte ich besonders auf den u.a. letzten Absatz hinweisen, in dem das OLG schreibt, dass den Pflegepersonen des Kindes bei der Auswahl eines Vormundes der Vorrang gebührt, da dadurch das Kind erleben kann, dass die Pflegepersonen es nicht nur täglich versorgt und erzieht sondern auch dazu tatsächlich rechtlich befugt ist.  

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, die durch das Amtsgericht getroffene Auswahl der Großeltern mütterlicherseits als gemeinschaftlicher Vormund (§ 1775 Satz 1 BGB) zu korrigieren.

Der Beschwerde ist zwar darin zuzustimmen, dass die Wahl des Vormunds nicht am Maßstab der §§ 1776, 1777 BGB zu messen ist, weil die Mutter der Jugendlichen ihre Eltern nicht wirksam durch letztwillige Verfügung (§ 1777 Abs. 3 BGB) als Vormund benannt hat. Die Auswahl entspricht aber den Vorgaben des § 1779 Abs. 2 BGB. Danach soll das Familiengericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist, wobei bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis zu berücksichtigten sind. 

 Diese Auswahlkriterien führen zu einer gebotenen Auswahl der Großeltern mütterlicherseits als Vormund. Die von der Mutter erstellte Vollmacht erlaubt Rückschlüsse auf einen mutmaßlichen Willen dahingehend, dass ihre Eltern als Vormund sorgerechtliche Entscheidungen für ihre Tochter treffen sollen. Es bestehen weiterhin gelebte Bindungen der Jugendlichen an die Großeltern und auch ein Verwandtschaftsverhältnis.

Da die Großeltern zur Übernahme der Vormundschaft geeignet sind, gilt der Vorrang der ehrenamtlichen Vormundschaft. Im Übrigen gebührt den Großeltern als Pflegepersonen des Kindes bei der Auswahl des Vormunds der Vorrang. Für ihre Auswahl spricht insbesondere auch der Umstand, dass es gerade aus Sicht des Kindes bedeutsam ist, dass die Person, die es täglich erzieht und pflegt, auch rechtlich zu dieser Erziehung umfassend befugt ist.  

Sobald das OLG Frankfurt a.M. den Beschluss veröffentlich hat, werden wir den Link dazu ergänzen. 

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