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Bestellung einer Pflegemutter zum Einzelvormund
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Das Jugendamt im Landkreis L. nahm auf Veranlassung der Amtsvormundin eines Pflegekindes das Kind in Obhut. Begründung:
" Da „die Pflegemutter (…) im Erziehungsverhalten negativ der Entwicklung des Kindes im Wege steht“ und deshalb „nicht mehr die geeignete Unterbringungsform des Kindes ist“. Ebenso würde es eine weitere Gefährdung des Kindes in der Pflegefamilie geben, da „keine Kooperationsbereitschaft zum Wohle des Kindes (besteht)“.
Die Pflegemutter hielt die Herausnahme für unverhältnismäßig und traumatisierend für das Pflegekind und stellte einen Antrag auf Ablösung der Amtsvormundin und Übertragung der ehrenamtlichen Einzelvormundschaft für das Kind aus sie selbst.
Während der Verfahrensbeistand des Kindes keinen Grund für die Annahme erheblicher Erziehungseinschränkungen der Pflegemutter sah, blieb das Jugendamt bei seiner Einschätzung und hielt die Pflegemutter für ungeeignet, die Vormundschaft zu führen.
Trotzdem übertrug das Amtsgericht die Vormundschaft auf die Pflegemutter. Es begründete die Übertragung der Vormundschaft auf die Pflegemutter folgendermaßen:
Durchgreifende Bedenken gegen die Eignung der Beteiligten zu 1. (Red.: Pflegemutter) zur Amtsführung insoweit bestünden nicht; die gewachsene Bindung des Kindes gebiete deren Bestellung. Der Umstand, dass es im Streitfall möglicherweise Erziehungsdefizite der Beteiligten zu 1 (Red.: Pflegemutter). gebe, stehe deren Beauftragung als Vormund nicht entgegen, weil der Einzelvormundschaft Vorrang vor der Amtsvormundschaft zukomme und an einen ehrenamtlichen Vormund nicht dieselben fachlichen Anforderungen wie an einen Amtsvormund gestellt werden könnten. Der Kindeswille und der Wunsch der leiblichen Eltern unterstütze die Übertragung der Vormundschaft auf die Beteiligte zu 1.
Unmittelbar nach ihrer Einsetzung zum Vormund holte die Pflegemutter das Kind wieder in die Pflegefamilie.
Das Jugendamt erhob Einspruch gegen den Beschluss.
Das OVG wies den Einspruch zurück und erklärte:
Die Entlassung des Amtsvormunds unter Bestellung der langjährigen und hierfür geeigneten Pflegemutter X… zum Einzelvormund dient dem Kindeswohl. Die dagegen gerichteten Angriffe der Beschwerde sind nicht begründet.
Weiter hieß es in der Begründung:
Das Gesetz geht aber in §§ 1791b Abs. 1, 1887 Abs. 1 BGB eindeutig vom Vorrang der Einzelvormundschaft gegenüber der Vormundschaft des Jugendamts oder eines speziellen Vereins aus. Deshalb ist das Jugendamt oder ein Verein zum Vormund nur zu bestellen, wenn kein geeigneter Einzelvormund zur Verfügung steht; findet sich ein geeigneter anderer Vormund, so ist gemäß § 1887 Abs. 1 BGB der Amtsvormund – zwingend und ohne jedes weitere Ermessen - zu entlassen.
Damit besteht auch im Grundsatz ein Vorrang der Bestellung von Pflegeeltern, soweit diese eine persönliche Bindung mit dem Kind haben, gegenüber einer solchen des Jugendamtes oder einer sonstigen staatlichen Einrichtung.Denn eine Vormundschaft erfüllt dann ihren Zweck am besten, wenn das Kind erlebt, dass die Person, die es täglich erzieht, auch rechtlich zu dieser Erziehung umfassend befugt ist; dem Kind kann aus dessen subjektiver Sicht dann am ehesten Stabilität und Verlässlichkeit vermittelt werden, wenn seine „sozialen“ Eltern auch künftig die persönliche Betreuung übernehmen und dann auch in der Lage sind, die erzieherischen Entscheidungen eigenständig zu treffen.
Das OVG setzt sich dann auch ausführlich mit der Erziehungseignung der Pflegemutter auseinander und schreibt zum Abschluss dazu:
Es bleibt nach alledem festzustellen, dass es keine belastbaren Anknüpfungstatsachen für Zweifel an einer verantwortungsvollen Betreuung und Erziehung X… in der Pflegefamilie gibt, an die das Kind nach seiner Rückkehr dorthin im Oktober 2018 (hoffentlich) anknüpfen konnte. Dann aber besteht auch kein Grund, an der Eignung der Beteiligten zu 1., als Einzelvormund auch in rechtlicher Hinsicht die Angelegenheiten des Kindes zu regeln, Bedenken zu hegen.
Das OVG beendet die Begründung des Beschlusses mit folgenden klaren Worten:
Der Senat nimmt die hier beschriebenen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten allerdings zum Anlass, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Jugendamt damit seiner schützenden Verantwortung für das Kind keineswegs enthoben ist, sondern – wie bei jedem anderen Kind auch – bei konkret festgestelltem Bedarf Hilfe und Unterstützung anbieten darf/muss und bei konkreten Gefährdungsanzeichen auch zu geeigneten und verhältnismäßigen Schutzanordnungen greifen kann/muss, ggf. auch unter Anrufung des Gerichts. Schon mit Blick auf diese Sach- und Rechtslage sei an die Beteiligten appelliert, die im Sommer 2018 aufgetretenen Verwerfungen zu überwinden und zu einer sachlichen Kooperation zurückzufinden. Der Senat bezweifelt nicht, dass es allen Beteiligten im Kern vor allem darum geht, dass X… nach ihrem ohnehin schweren Start ins Leben und mit allen vorhandenen Schwierigkeiten möglichst gut geht und sie (weiterhin) eine positive Entwicklung nehmen kann.
von:
Stellungnahme von PFAD-Bundesverband zur Vormundschaftsreform