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Keine Auskunft an ein Elternteil gegen das Wohl des Kindes
Der Umgang zwischen einen Kind und seinen Eltern oder einem Elternteil ist ein höchstpersönliches Recht des Kindes. Ein Umgang kann aber nur möglich sein, wenn das Wohl des Kindes dadurch nicht gefährdet würde. Eltern haben ein Recht auf Auskunft über ihr Kind, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
§ 1684 BGB - Umgang des Kindes mit den Eltern
(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
(2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. [....]
(4) Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. [....]
§ 1686 Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes
Jeder Elternteil kann vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
Das OLG Düsseldorf hob die Entscheidung des Familiengerichtes auf.
Der Beschluss des Oberlandgerichts Düsseldorf beruht auf einem Auskunftsverlangen eines leiblichen Vaters, der von der Mutter seinen Sohnes Informationen über die Entwicklung seines Sohnes erhalten wollte. Der Vater hat das Kind als Säugling mehrmals schwer misshandelt, bis hin zum Herzstillstand des Kindes. Nach seiner Verurteilung wurde er in einer Psychatrie untergebracht. Nachdem er angefragt hatte, bekam er die Möglichkeit, an den zwei nächsten Geburtstagen des Kindes mit diesem zu telefonieren. Dann verweigerte die Mutter weitere Kontakte und Informationen. Der Vater ging daraufhin gerichtlich dagegen vor und verwies auf seinen Anspruch auf Auskunft. Er verlangte, dass die Mutter ihm vierteljährlich einen Entwicklungsbericht vorlegte. Das Familiengericht unterstützte den Vater in seinem Recht und wies die Mutter an, diese Berichte zu senden. Die Mutter ging gegen diese Entscheidung in Beschwerde.
Das OLG Düsseldorf hob die Entscheidung des Familiengerichtes auf. Seinen Beschluss begründete der Senat mit dem Hinweis, dass unbeschadet der Frage, ob auf Seiten des Vaters von einem berechtigten Interesse an der Auskunft ausgegangen werden könne, in jedem Fall die von ihm gewünschte Auskunft derzeit dem Wohl des Kindes widerspreche.
Auszug aus dem Beschluss:
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin zu Unrecht verpflichtet, Auskunft über den Entwicklungsstand von C. zu erteilen. Dabei kann dahinstehen, ob dem Antragsteller unter den gegebenen Umständen ein berechtigtes Interesse an der Auskunft zukommen kann. Jedenfalls widerspricht die Auskunftserteilung an ihn derzeit dem Wohl von C.. Ein milderes Mittel zum Schutz des Kindes als den derzeit vollständigen Ausschluss des Auskunftsrechts des Antragstellers besteht nicht. Insoweit bleibt abzuwarten, wie sich C. zu dem Auskunftsverlangen stellt, wenn er die verstandesmäßige Reife erreicht hat, das erfahrene Gewaltgeschehen und die Tragweite der Taten seines Vaters vollumfänglich zu erfassen. [....]
Der Sachverständige ist von dem Senat ausdrücklich danach gefragt worden, ob die in dem zum Umgangsverfahren erstellten Gutachten beschriebene Gefahr einer Traumatisierung erhöht sei, wenn C. bei Erreichen der notwendigen Verstandesreife begreife, dass sein Vater regelmäßig über seinen Entwicklungsstand in Kenntnis gesetzt worden sei. Nach den Ausführungen von Herrn D. kann eine krisenhafte Verarbeitung des Kindes bei umfassender Einsicht in das Geschehene nicht ausgeschlossen werden kann. Hierzu hat er in dem zum Umgangsverfahren erstellten Gutachten detailliert beschrieben, dass die psychischen Auswirkungen der Taten des Antragstellers sich erst langfristig zeigen werden, wenn C. die Tragweite erfassen kann, was nicht vor Ende des Grundschulalters, eventuell auch erst später der Fall sein werde. Die Information, dass der eigene Vater bewusst Atemstillstände bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen an dem Kind herbeigeführt hat, werde bei C. wahrscheinlich krisen- oder schockartiges Erleben u. U. auch traumaspezifische Symptome hervorrufen und nur schwer zu verarbeiten sein. Einen Schutz für das Kind sieht der Sachverständige nun –im Hinblick auf das Auskunftsbegehren des Antragstellers - darin, dass C. Zuspruch, Verständnis und Unterstützung von seiner Mutter und von anderen nahestehenden Bezugspersonen in und außerhalb der Familie erhalten könne. Gegebenenfalls zusätzlich könne ein neutraler fachlicher Rahmen, wie eine ambulante Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie angeboten werden, um das Erfahrene besser verarbeiten zu können. Derartige aktive Einbeziehung und tatkräftige Unterstützung von C. könnten einer traumatisierenden Erlebnisverarbeitung entgegenwirken. Außerdem werde die kognitive Entwicklung des Kindes es ermöglichen, ihm verständig zu vermitteln, das alles Nötige zu seinem Schutz getan wurde, u. a. ein persönlicher Umgang ausgeschlossen worden und mit den Informationen, welche dem Vater zur Verfügung gestellt worden sind, sehr sorgsam umgegangen worden sei, um einen möglichst optimalen Schutz zu gewährleisten. Es liegen nach dem Sachverständigen keine Hinweise vor, dass C. diese Sachverhalte nicht ebenfalls zur Kenntnis nehmen und konstruktiv verarbeiten könne.
Auch wenn der Sachverständige Verarbeitungsmöglichkeiten des Kindes sieht, lässt sich seinen Ausführungen gleichwohl entnehmen, dass C. nicht nur mit den Taten des Kindesvaters zurecht kommen muss, sondern – insbesondere nach Erlangung der notwendigen Verstandesreife - auch die übrigen Umstände, nämlich die Weitergabe seiner persönlichen Daten an denjenigen, der ihm erhebliche Gewalt zugefügt hat, zu verarbeiten haben wird. Der Senat versteht die Ausführungen des Sachverständigen so, dass dies jedenfalls eine zusätzliche Belastung und einen weiteren Risikofaktor für die psychische Gesundheit des Kindes darstellt. Insoweit ist aber nicht zu rechtfertigen, es darauf ankommen zu lassen, dass es C. schon gelingen wird, auch diesen Faktor bei der vorgesehenen Unterstützung durch nahestehende Personen und Psychotherapie verarbeiten zu können. Der „möglichst optimale Schutz“ des Kindes (Gutachten, S. 3, Bl. 246 GA) kann deshalb nur gewährleistet werden, wenn die Informationsweitergabe an den Antragsteller solange zurückgestellt wird, bis sich C. verständig selbst dazu oder dagegen entscheiden kann. Dies gilt umso mehr als der Sachverständige auch in seiner jetzigen gutachterlichen Stellungnahme wieder überzeugend hervorgehoben hat, wie wichtig es sei, dass Entscheidungen, die C. beträfen, nicht ohne dessen Einwilligung getroffen werden sollten.
Stellungnahmen zum Kentler-Experiment