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Keine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater, wenn der Übertragung gewichtige Nachteile für das Kind entgegenstehen
Das 2016 geborene Kind, um das es in dieser Entscheidung geht, wurde unehelich geboren und seine Eltern haben nie zusammengelebt. Die Mutter erhielt ambulante Betreuung. Als trotzdem eine Kindeswohlgefährdung erkannt wurde, entzog des Familiengericht vorläufig der Mutter das Sorgerecht und übertrug es auf das Jugendamt. Seit 1 1/2 Jahren lebt das Kind nun in einer Pflegefamilie. Mitte 2020 wurde der Entzug des Sorgerechts im Haptverfahren bestätigt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vater des Kindes einige Woche später durch eine Beschwerde bei Gericht.
Gemäß § 1680 Abs. 2 i. V. mit Abs. 3 BGB hat das Familiengericht dann, wenn einem Elternteil, dem die elterliche Sorge allein zustand und dann entzogen wurde, dieses Sorgerecht dem bisher nichtsorgeberechtigten anderen Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
Der Vater begründete die Übertragung auf ihn auch damit, dass er seit gut einem Jahr mit einer Lebensgefährtin zusammen lebe, die ein Kind mit in die Partnerschaft gebracht hatte. Er habe in dieser Zeit gelernt, ein besserer Vater zu werden und er und seine Lebensgefährtin könnten sich vorstellen, sein Kind ebenfalls aufzunehmen.
Das Gericht musste nun seine Entscheidung nochmals überprüfen und bezog sich auf die Stellungnahmen des Gutachters, des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes und bestätigte die Übertragung der Vormundschaft auf das Jugendamt, da es den Vater nicht für geeignet hielt, das Sorgerecht im Sinne des Kindes ausüben zu können.
Das Gericht erläuterte dazu: "Im vorliegenden Fall ergibt die vorzunehmende Überprüfung der Kindesinteressen indes, dass diese der Sorgerechtsübertragung auf den Kindesvater entgegenstehen." Es erklärte weiterhin, dass dies für die Urteilsbegründung ausreiche und es keinen Beweis einer Kindeswohlgefährdung in diesem Fall geben müsse.
In der Begründung des Beschlusses heißt es weiterhin:
Ohnehin erscheint es dem Senat in der vorliegenden Situation, in der der Kindesvater erst im Wege begleiteten Umgangs eine stabile Beziehung zu dem Kind aufbauen muss, verfrüht, ihm das Sorgerecht zu übertragen. Ob unter Zugrundelegung der von der Sachverständigen getroffenen Feststellungen und der sonstigen Umstände des Falles davon auszugehen ist, dass bei einer Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater und dem damit verbundenen, von dem Kindesvater erstrebten Wechsel des Kindes in den Haushalt des Kindesvaters eine konkrete Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB) gegeben wäre, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Mit der Sachverständigen, dem Familiengericht, dem Verfahrensbeistand, dem Jugendamt, dem Amtsvormund und mittlerweile wohl auch der Kindesmutter ist jedenfalls davon auszugehen, dass im Falle der Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater und eines Wechsels des Kindes zu ihm, das Kindeswohl aufgrund der dargestellten erzieherischen Defizite des Kindesvaters nicht gewährleistet wäre. Damit widerspricht die vom Kindesvater begehrte Entscheidung dem Kindeswohl und ist nicht zu treffen.
Kontinuitätsaspekte stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Angesichts der bereits seit Februar 2019 andauernden Fremdplatzierung des Kindes sprechen sie im Gegenteil eher – zumindest gegenwärtig – für eine Beibehaltung des derzeitigen Lebensmittelpunkts in der Pflegefamilie als für eine erneute Verlegung des Lebensmittelpunkts. Ein entgegenstehender Kindeswille ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Wenn der Kindesvater in der Beschwerdebegründung andeutet, X äußere den Wunsch, bei ihm zu leben, kann einer derartigen Äußerung des vierjährigen Kindes nach den Feststellungen der Sachverständigen schon keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen werden. Im Übrigen könnte ihr nicht entsprochen werden, weil dies nach dem oben Ausgeführten dem Kindeswohl widerspräche. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Kindesvater, worauf der Inhalt der Stellungnahme des Amtsvormunds hindeutet, X gegenüber seinen – des Kindesvaters – eigenen Wunsch nach einem Wechsel des Kindes in seinen Haushalt äußert und damit riskiert, das Kind in einen Loyalitätskonflikt zu bringen.
BGB § 1680 Tod eines Elternteils oder Entziehung des Sorgerechts
(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.
(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.
BGB § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
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Weiteres Rechtsgutachten des DIJuF zu Vereinsvormundschaften