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Ersetzung der Zustimmung in die Adoption
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.99, AZ: 11 Wx 33/99 Gründe:IDer am 27.01.1996 geborene M ist das (schein-)eheliche Kind der Beteiligten zu 1 und 2. Leiblicher Vater des Kindes ist ein Afrikaner schwarzer Hautfarbe. Am 08.01.1996 - die Geburt war für den 09.03.1996 errechnet - wandte sich die Kindesmutter, die die rumänische Staatsangehörigkeit besitzt, an die Adoptionsvermittlungsstelle. Sie bekundete ihre Absicht, das erwartete Kind zur Adoption freizugeben, weil in ihrer Ehe kein Platz für ein Kind mit dunkler Hautfarbe sei und sie mit dem Kind auch nicht als alleinerziehende Mutter in Rumänien leben könne. Die Beteiligten zu 1 und 2 bezogen zeitweise Sozialhilfe. Sie bewohnten damals ein kleines Einzimmer-Appartement. Der Beteiligte zu 2 war - seit 1979 - drogenabhängig. Zwischenzeitlich nahm er an einem sogenannten Methadonprogramm teil. Bei ihm besteht eine HIV-Infektion.M wurde am 27.01.1996 als Frühgeburt mit 1870 g Gewicht geboren. Es wurde bei ihm ein Herzfehler, ein Nabelbruch sowie ein gastroösophagealer Reflux festgestellt. Die Beteiligten zu 4 beabsichtigen, das Kind zu adoptieren. Sie betreuen M seit der ersten Lebenswoche in der Klinik. Nach der Krankenhausentlassung am 23.02.1996 nahmen sie ihn in ihrem Haushalt auf.Kurz vor dem nach der achten Lebenswoche des Kindes vorgesehenen Notartermin erklärten die Beteiligten zu 1 und 2, dass sie das Kind doch nicht zur Adoption freigeben wollten. Entsprechend dem Vorschlag des Jugendamtes blieb das Kind aber weiterhin mit Zustimmung der Eltern in Vollpflege bei den Beteiligten zu 4. Auf Nachfrage des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 wurde dieser am 15.08.1996 Name und Anschrift der Pflegeeltern mitgeteilt. Gleichwohl kam es in der Folgezeit zunächst zu keiner Kontaktaufnahme mit dem Kind, auch nicht in Form von Erkundigungen oder Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenken. Daraufhin wurden die Beteiligten zu 1 und 2 von der Beteiligten zu 3 nach § 1748 Abs. 2 BGB darüber belehrt, dass bei Gleichgültigkeit dem Kind gegenüber die Einwilligung der Eltern in die Adoption gerichtlich ersetzt werden könne.Mit Beschluss des Amtsgerichts - Vormundschaftsgerichts - vom 21.03.1997 wurde die Beteiligte zu 3 zur Ergänzungspflegerin bestellt. Sie beantragte mit Schreiben vom 30.05.1997 die elterliche Einwilligung in die Adoption gemäß § 1748 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch Beschluss vom 19.03.1998 zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Kindes, vertreten durch die Ergänzungspflegerin, hat das Landgericht mit Beschluss vom 26.01.1999 die Einwilligungserklärung der Beteiligten zu 1 und 2 in die Adoption ihres Sohnes M durch die Beteiligten zu 4 ersetzt. Zugleich hat es die Beschwerde gegen die Bestellung der Beteiligten zu 3 zur Ergänzungspflegerin zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer weiteren Beschwerde.II.Die zulässige sofortige (vgl. §§ 20, 53 Abs. 1 Satz 2, 60 Abs. 1 Nr. 6 FGG) weitere Beschwerde ist nicht begründet.1. Nach § 1748 Abs. 1 BGB hat das Vormundschaftsgericht auf Antrag des Kindes die Einwilligung eines Elternteils - erforderlichenfalls auch beider Elternteile, vgl. BayObLGZ 1977, 148, 151 - in die Adoption (vgl. § 1747 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu ersetzen, wenn dieser durch sein Verhalten gezeigt hat, dass ihm das Kind gleichgültig ist, und wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde.2. Das Landgericht hat diese Voraussetzungen rechtsfehlerfrei bejaht.a) Zu Recht haben die Vorinstanzen nach Art. 22 Satz 1 EGBGB deutsches Sachrecht angewendet.b) In formeller Hinsicht setzt eine gerichtliche Entscheidung nach § 1748 Abs. 1 BGB einen Antrag des Kindes voraus, der hier von der Beteiligten zu 3 als Ergänzungspflegerin gestellt wurde. Gegen deren Bestellung zur Ergänzungspflegerin bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zwischen dem Kind und den Eltern besteht in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig ein massiver Interessenkonflikt, der es gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB rechtfertigt, dass das Vormundschaftsgericht dem Elternteil - gegebenenfalls auch beiden - die Vertretung des Kindes in der Adoptionsangelegenheit entzieht und nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Pfleger bestellt (vgl. Erman/Holzhauer, BGB, 9. Aufl., § 1748 Rdnr. 24; Lüderitz in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 1748 Rdnr. 25). Sollte das Rechtsmittel (als unbefristete weitere Beschwerde) auch gegen die Bestellung der Ergänzungspflegerin gerichtet sein - eine Begründung wurde nicht eingereicht -, wäre es insoweit ebenfalls unbegründet.c) Zutreffend hat das Landgericht angenommen, sowohl die Beteiligte zu 1 als auch der Beteiligte zu 2 hätten durch ihr Verhalten gezeigt, dass ihnen das Kind gleichgültig ist. „Gleichgültig“ verhält sich ein Elternteil dann, wenn er gegenüber dem Kind und seiner Entwicklung gänzlich teilnahmslos ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn er zu dem Kind über längere Zeit keinen Kontakt pflegt und dadurch zu erkennen gibt, dass ihn das Kind und dessen Schicksal nicht interessieren (BayObLG FamRZ 1994, 1348 f; NJW-RR 1991, 1219 f).Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 in der Zeit vom 15.08.1996 - zu diesem Zeitpunkt wurde ihnen die Adresse der Pflegeeltern mitgeteilt - bis Juli 1997 keinerlei Versuch unternommen haben, mit ihrem Kind in Kontakt zu treten. Sie haben sich weder telefonisch noch brieflich nach dem Befinden des Kindes erkundigt, obwohl ihnen dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Selbst das Belehrungsschreiben gemäß § 1748 Abs. 2 BGB vom 20.02.1997 und die darin mitgeteilte Frist von drei Monaten haben sie nicht zum Anlass genommen, sich um Kontakt zu M zu bemühen. Erstmals im vorliegenden Verfahren haben sie den Wunsch geäußert, ihr Kind zu besuchen. Aber auch den - aufgrund der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 19.03.1998 - für den 06.06.1998 vorgesehenen Besuchstermin haben die Beteiligten zu 1 und 2 ungenutzt und ohne vorherige Absage verstreichen lassen.Diese rechtsfehlerfrei getroffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) tatrichterlichen Feststellungen rechtfertigen die Annahme, die Eltern hätten durch ihr Verhalten gezeigt, dass ihnen ihr Kind gleichgültig ist. Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Verhalten der Beteiligten zu 1 und 2 nach Einleitung des Verfahrens auf Ersetzung der Zustimmung in Frage gestellt. Es kann dahinstehen, ob es hierauf überhaupt noch ankommt oder ob in die Würdigung nur das frühere Verhalten der Eltern einzubeziehen ist ("durch sein Verhalten gezeigt hat": vgl hierzu OLG Braunschweig FamRZ 1997, 513), denn auch nach Verfahrenseinleitung haben die Beteiligten zu 1 und 2 kaum Interesse an M gezeigt. Sie haben sich vielmehr - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - ambivalent verhalten. Einerseits haben sie auf eine Besuchsregelung gedrängt, andererseits den Besuchstermin vom 06.06.1998 nicht wahrgenommen. Auch eine Begründung ihrer weiteren Beschwerde haben sie bis zum heutigen Tage nicht eingereicht.d) Nach Auffassung des Senates würde ein Unterbleiben der Adoption dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen.aa) Die Entscheidung, ob ein Kind ohne Adoption einen „unverhältnismäßigen Nachteil“ erleiden würde, setzt eine Abwägung des Wohles des Kindes gegenüber den Interessen des sich der Adoption widersetzenden Elternteiles - unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - voraus. Das Abwägungsergebnis hängt entscheidend von der Art des Verhaltens der Eltern, seiner Dauer und seinen Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes ab und lässt sich nur unter Berücksichtigung der dadurch herbeigeführten Lebensumstände des Kindes und seines derzeitigen Entwicklungsstandes beurteilen (BGH FamRZ 1986, 460 unter II 3).bb) Nach dem Ergebnis der Anhörungen durch Amts- und Landgericht und nach dem Bericht der Ergänzungspflegerin vom 28.04.1998 steht fest, dass sich zwischen den Pflegeeltern und dem Kind in den ersten beiden Lebensjahren eine natürliche Eltern-Kind-Bindung entwickelt hat. Das Amtsgericht hat dazu ausgeführt, dass M lediglich zu den Pflegeeltern Bindungen hat und ihm seine Eltern vollkommen fremd sind Es hat daraus den Schluss gezogen, dass eine Herausgabe des Kindes an seine Eltern nicht in Betracht komme, eine Ersetzung der Einwilligung der Eltern in die Adoption aber abgelehnt, weil schon das Verbleiben des Kindes bei den Pflegeeltern verhindere, dass diesem ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehe. Der letztgenannten Schlussfolgerung hat sich das Landgericht zu Recht nicht angeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich entschieden, dass allein die weitere Unterbringung des Kindes in seiner bisherigen Pflegestelle nicht ausreicht, einen unverhältnismäßigen Nachteil für das Kind bei Unterbleiben der Adoption zu verneinen (BGH FamRZ a.a.O.). Unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich gesagt, dass im Regelungsbereich des § 1748 Abs. 1 BGB die Ersetzung der elterlichen Einwilligung in die Adoption nicht schon ausgeschlossen ist, wenn das Kind in einer Dauerpflegestelle gut untergebracht ist (BGHZ 133, 384, 388 unter Hinweis auf BT-Drucks 7/421. S.6f und S.9). Demgegenüber habe der Gesetzgeber im Rahmen des § 1748 Abs. 3 BGB die Grenzen für die Ersetzung der Einwilligung bewusst enger gezogen. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass es sich in diesen Fällen - anders als bei § 1748 Abs. 1 BGB - um schicksalhaftes, nicht zurechenbares Versagen der Eltern handele und der mit der Adoption verbundene Verlust ihres Kindes für sie deshalb eine besondere Härte bedeute, die ihnen nur ausnahmsweise zugemutet werden könne.In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. BayObLG FamRZ 1994, 1348, 1350: OLG Braunschweig FamRZ 1997, 513 f) sieht der Senat einen unverhältnismäßigen Nachteil für das Kind bereits darin, dass es ohne Adoption in einer rechtlich ungesicherten Beziehung zu seinen Pflegeeltern aufwachsen müsste. Im Interesse des Kindes ist es geboten, ihm das Aufwachsen in Verhältnissen zu ermöglichen, die der leiblichen Eltern-Kind-Beziehung möglichst nahe kommen. Das ist bei einer Adoption eher gewährleistet als bei einem bloßen Pflegeverhältnis. Erst die Adoption führt zur rechtlichen Integration in den Familienverband der Annehmenden. Den damit verbundenen Rechtswirkungen kommt auch im Alltagsleben eines Kindes durchaus erhebliche Bedeutung zu. Beispielhaft seien hier nur die namensrechtlichen Folgen erwähnt (vgl. § 1757 Abs. 1 BGB). Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass gerade im vorliegenden Fall das abweichende Erscheinungsbild des Kindes und dessen gesundheitliche Beeinträchtigung in besonderem Maße gebieten, rechtliche Klarheit und Sicherheit in den Beziehungen zu seinen Pflegeeltern zu schaffen. Soweit auch in jüngerer Zeit vom OLG Schleswig (NJW-RR 1994, 585 f) noch die Auffassung vertreten wurde, ein "unverhältnismäßiger Nachteil" liege nicht vor, wenn die Lebensverhältnisse des Kindes in einer guten Pflegefamilie weder tatsächlich noch rechtlich gefährdet seien, handelt es sich - so das Oberlandesgericht Schleswig - um einen „besonders gelagerten Sachverhalt“. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (vgl. § 28 Abs. 2 FGG) kann darin nicht gesehen werden. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 22.03.1996 (FGPrax 1996, 109) betrifft eine Zustimmungsersetzung nach § 1748 Abs. 3 BGB. Dafür gilt - wie dargelegt - ein anderer rechtlicher Maßstab.Nach alledem kommt der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu dem Ergebnis, dass ein Unterbleiben der Adoption für das Kind einen unverhältnismäßigen Nachteil darstellen würde, weshalb die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 keinen Erfolg haben kann.