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Herausgabeverlangen
BESCHLUSS:
Die Beschwerde der Pflegeeltern gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Kerpen vom 08.12.1999 (54 F 95/99) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Über die Anträge auf Erlaß weiterer einstweiliger Anordnungen hat das Amtsgericht zu entscheiden.
G R Ü N D E
I.
R. wurde am 20.1.1998 der Familie K. in Vollzeitpflege gegeben, nachdem sich der leibliche Vater des Kindes einer Alkoholentziehung unterziehen mußte und die leibliche Mutter sich mit der Betreuung ihrer damals vier Kinder überfordert fühlte.Im Sommer 1999 verlangten die leiblichen Eltern nach erfolgreicher Durchführung der Alkoholentziehung die Rückführung des Kindes in ihren Haushalt, der sich nunmehr in H. befindet.
Aufgrund einer mündlichen Anhörung aller Verfahrensbeteiligten am 23.6.1999 hat das Amtsgericht Kerpen die Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Frau Dr. N. zur Frage der eventuellen Schädigung des Kindes durch eine Rückführung zu den leiblichen Eltern und der Bewertung dieser Schäden im Verhältnis zu den Erfordernissen nach Art. 6 GG sowie eine umfassende Stellungnahme des Jugendamts H. angeordnet.
Unter dem 17.9.1999 hat Frau Dr. N. ein eingehendes psychologisches Gutachten erstattet. Zusammenfassend hat sie ausgeführt, ""daß bei einer Rückführung R. zwar vorübergehend Probleme zu erwarten sind, wie bei jeder Rückführung von Pflegekindern, insbesondere wenn damit wie hier auch ein sozialer Milieuwechsel verbunden ist, daß aber unter der Voraussetzung, daß Herr R. (der leibliche Vater) weiterhin alkoholfrei bleibt und die installierten und angekündigten Hilfen in der beschriebenen Weise durchgeführt werden, Probleme, die den erneuten Bezugspersonenwechsel betreffen, zu überwinden sein werden. Was den Bedarf an Entwicklungsförderung angeht, so ist er durch die vorgeschlagenen Maßnahmen im Rahmen einer Tagesgruppe gut abzudecken. Hat R. in der einen Familie aufgrund des größeren Problembewußtseins und der größeren Handlungskompetenz bessere Entwicklungschancen, so "paßt" er in der anderen Familie besser und gilt weniger als "Problemkind"."
Das Bezirksjugendamt der Stadt H. hat auf das Gutachten Bezug genommen, da ihm die Entwicklung von R. nur nach der Aktenlage bekannt war und weiter ausgeführt, die Familie R. nehme die angebotene Hilfe aktiv an und könne eigenverantwortlich handeln, ähnlich hat die soziale Betreuungsstelle "O." berichtet.
Am 20.10.1999 hat das Amtsgericht einen weiteren Termin mit allen Verfahrensbeteiligten durchgeführt, bei dem das Kind R. wegen Erkrankung nicht angehört werden konnte. In ihrer Stellungnahme vom 30.10.1999 hat die (damalige) Verfahrensbevollmächtigte der Pflegeeltern im Einzelnen ausgeführt, daß nach Auffassung der Pflegeeltern mit der Herausnahme aus der Pflegefamilie eine nachhaltige Gefahr für R. verbunden sei. Dazu hat die Sachverständige Dr. N. mit einem Schreiben vom 7.11.1999 Stellung genommen.
Am 8.12.1999 hat das Amtsgericht einen dritten Termin mit den Verfahrensbeteiligten durchgeführt und dabei auch das Kind R. angehört. Im Protokoll ist festgehalten, daß das Kind mit einem "Urlaub" einverstanden war.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Kerpen hat durch den angefochtenen Beschluß vom 8.12.1999 angeordnet, daß das betroffene Kind R., das sich seit Januar 1998 bei den Pflegeeltern befindet, sofort zu einem Urlaub nach H. mitgenommen werden soll. Die abschließende Entscheidung solle nach erneuter Begutachtung durch Frau Dr. N. nach Weihnachten 1999 ergehen.
Dieser Beschluß sollte in der Weise vollzogen werden, daß die leiblichen Eltern das Kind am Nachmittag des 8.12.1999 bei den Pflegeeltern abholen sollten. Die Abholung konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da die Pflegemutter das Kind an einen unbekannten Ort gebracht hatte. Am 22.12.1999 ist das Kind an die leiblichen Eltern herausgegeben worden und befindet sich zur Zeit in H. , wo die Begutachtung durch die Sachverständige Frau Dr. N. durchgeführt wird.
Durch Beschluß vom 16.12.1999 hat das Amtsgericht eine Verfahrenspflegerin für das Kind bestellt.
Gegen den Beschluß vom 8.12.1999 richtet sich die Beschwerde der Pflegeeltern, die beantragt haben anzuordnen, daß das Kind R. nur am 24.12.1999 von 12 – 18 Uhr zum Besuchskontakt zu seinen leiblichen Eltern nach H. fahren und anschließend bis zum endgültigen Abschluß des Verfahrens zu seinen Pflegeeltern zurückkehren solle.
Ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung des Amtsgerichts hat der Senat durch Beschluß vom 21.12.1999 zurückgewiesen.
Die Verfahrenspflegerin hat mit Schriftsatz vom 23.12.1999 beantragt,
1) im Wege der einstweiligen Anordnung einen Nachbegutachtungstermin durch die Sachverständige Dr. N. für die Woche vom 3.1.2000 zu veranlassen,
2) im Wege der einstweiligen Anordnung den leiblichen Eltern aufzugeben, das Kind R. am 8.1.2000 an die Pflegeeltern herauszugeben.
Die Pflegeeltern haben sich diesen Anträgen angeschlossen und sie mit Schriftsatz vom 3.1.2000 dahin modifiziert, daß angeordnet werden soll, daß das Kind spätestens nach Begutachtung durch die Sachverständige herauszugeben ist.
Die Sachverständige hat auf Nachfrage des Senats erklärt, daß sie am Freitag, 7.1.2000, eine Beobachtung des Kindes in der Familie seiner leiblichen Eltern durchführen werde und bis 14.1.2000 über das Ergebnis berichten werde, falls keine verzögernden Ereignisse einträten.
II.
Die zulässige Beschwerde der Pflegeeltern ist in der Sache nicht begründet.Der Senat nimmt zur Zulässigkeit auf seinen Beschluß vom 21.12.1999 Bezug.
Auch in der Hauptsache ist die gegen die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts vom 8.12.1999 gerichtete Beschwerde nicht begründet.
Wie der Senat in seinem Beschluß zur Aussetzung der Vollziehung schon ausgeführt hat, entspricht die einstweilige Anordnung zur vorläufigen Verbringung des Kindes in die Herkunftsfamilie dem Vorschlag der Sachverständigen. Da das Amtsgericht weiterhin angeordnet hat, daß die Sachverständige zeitnah nach Weihnachten ein Nachbegutachtung durchführen soll, mit der die Situation des Kindes in der Herkunftsfamilie überprüft werden soll, ist sichergestellt, daß etwaige Fehleinschätzungen alsbald überprüft und ggf. korrigiert werden können. Auch die beteiligten Jugendämter haben gegen dieses Verfahren keine Bedenken erhoben.
Da das Amtsgericht nur eine vorläufige Maßnahme ergriffen hat, die gerade zur Aufklärung dienen soll, was dem Wohl des Kindes letztlich am besten dient, besteht kein Anlaß, daß der Senat aus eigener Zuständigkeit Maßnahmen ergreift.
Wie in anderen Fällen muß dem erstinstanzlichen Gericht überlassen bleiben, in welcher Weise es die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen ermittelt. Die Grenze der insoweit zulässigen Maßnahmen ist nicht überschritten. Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, daß die im Einvernehmen mit der Sachverständigen angeordnete Begutachtung in der Herkunftsfamilie schon als solche gegen das Wohl des Kindes verstieße.
Ebenso muß das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit entscheiden, wie in der Sache nach dem Ergebnis der Nachbegutachtung weiter zu verfahren ist.
Das Amtsgericht hat mit seinem Beschluß vom 8.12.1999 nur einen "Urlaub" bei der Herkunftsfamilie zum Zweck der Nachbegutachtung angeordnet. Die Anordnung kann daher nicht als eine verkappte Endentscheidung aufgefaßt werden. Daraus folgt weiter, daß das Kind nach Beendigung des Urlaubs grundsätzlich in die Pflegefamilie zurückkehren muß.
Wie lange die Begutachtung genau dauern darf und wann und wie das Kind in die Pflegefamilie zurückkehren soll, muß aber das Amtsgericht in eigener Zuständigkeit entscheiden, ebenso wie es in seiner Zuständigkeit liegt, etwaige weitere Anordnungen, die dem Wohl des Kindes dienen, nach dem Ergebnis der angeordneten Begutachtung zu treffen. Dazu gehört auch eine etwa erforderliche Entscheidung über den genauen Zeitpunkt einer Rückkehr.
Durch die Einlegung der Beschwerde gegen vorbereitende Maßnahmen, die nur der Sachaufklärung des Amtsgericht dienen, kann keine Zuständigkeit des Beschwerdegerichts für die Entscheidung über die weitere Sachaufklärung begründet werden, sondern das Beschwerdegericht ist darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit der ergangenen Entscheidung zu überprüfen. Aus diesem Grunde bestand auch kein Anlaß zur Durchführung einer Erörterung mit allen Verfahrensbeteiligten durch den Senat. Eine solche Erörterung müßte mit der Sachverständigen nach weiterer Begutachtung des Kindes geschehen. Die Bewertung der vom Amtsgericht angeordneten Begutachtung ist aber zunächst dessen Sache.
Das Amtsgericht muß daher auch über die weiteren Anträge der Verfahrenspflegerin und der Pflegeeltern zum Zeitpunkt der Durchführung der Begutachtung – soweit sie nicht überholt sind – und über die Anträge zur Rückführung des Kindes entscheiden.
Den leiblichen Eltern ist bereits Prozeßkostenhilfe für das gesamte Beschwerdeverfahren durch Beschluß vom 21.12.1999 bewilligt worden, zu einer Ergänzung besteht kein Anlaß.
Zur Zulassung der weiteren Beschwerde zum BGH besteht kein Anlaß.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a I FGG.
Beschwerdewert: 5000,- DM.
Bezüge:
§ 1632 BGB