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30.04.2012
Gerichtsbeschluss
vom: 
23.01.2012

Kein Recht auf Antragstellung bzw. Beschwerde auf Hilfe zur Erziehung nach Sorgerechtsentzug

Die Antragstellerin kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine rechtliche Befugnis oder ein schützenswertes Interesse geltend machen, um sich gegen die auf einer Hilfegewährung nach §§ 27, 34 SGB VIII beruhende Heimunterbringung ihrer Tochter zugunsten eines weiteren gemeinsamen Zusammenlebens mit dieser zur Wehr zu setzen, da ihr Sorgerechte entzogen wurden.

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

G r ü n d e :

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Antragsbegehren der Antragstellerin stellt sich auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung als unzulässig dar. Die Antragstellerin kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine rechtliche Befugnis oder ein schützenswertes Interesse geltend machen kann, um sich gegen die auf einer Hilfegewährung nach §§ 27, 34 SGB VIII beruhende Heimunterbringung ihrer Tochter zugunsten eines weiteren gemeinsamen Zusammenlebens mit dieser zur Wehr zu setzen.

Den insoweit zutreffenden und überzeugenden Erwägungen des Verwaltungsge-richtes ist mit der Beschwerde nichts Entscheidendes entgegen gesetzt worden.

Entgegen der Annahme der Antragstellerin beschränkt sich der vorläufige Sorge-rechtsentzug durch den familiengerichtlichen Beschluss des Amtsgerichts L.

– F – vom 9. November 2011 nicht auf das rein formelle Recht, Hilfe zur Erziehung i. S. v. § 27 SGB VIII als Anspruchsberechtigter bloß beantragen zu dürfen. Wie sich aus der Flankierung des Entzugs des Rechts zur Beantragung von Hilfe zur Erziehung durch den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Regelung des Umgangs und der Gesundheitsfürsorge ergibt, zielt die familiengerichtliche Maßnahme vielmehr darauf, die Trennung des Kindes von der Mutter zu sichern, schränkt der Entzug in den einzelnen Teilbereichen das Sorge-recht also auch materiell-rechtlich ein.

Vgl. dazu etwa: Hamb. OLG, Beschluss vom 24. März 2011 – 9 UF 146/10 –, FamFR 2011, 235, juris.

Nur dieses Verständnis wird der Abwehr einer Gefährdung des Wohls des Kindes nach §§ 1666, 1666a BGB, auf die das Familiengericht seine Entscheidung gestützt hat, gerecht

Vgl. zu diesem Ansatz etwa: AG Bonn, Beschluss vom 15. Dezember 2010 – 401 F 178/09 –, juris

Eine Abspaltung des verfahrensmäßigen Antragsrechts vom materiell-rechtlichen Recht zur Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII, wie sie die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vertritt, ist nicht zu rechtfertigen. Dem Jugendamt L. als Ergänzungspfleger ist – anders als in den Fällen, die die Urteile des OVG NRW vom 12. September 2002 – 12 A 4352/01 – (NWVBl. 2003, 186; juris) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2001 – 5 C 6.00 – (NJW 2002, 232; juris) zum Gegenstand hatten – gerade nicht allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden. Nach der letztgenannten Entscheidung kann die Gewährung von Jugendhilfe vom Sorgeberechtigten dann als materiell-rechtswidrig angegriffen werden, weil sie das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) verletzt, wenn versäumt worden ist, ihm neben dem Aufenthaltsrecht auch das Recht auf Inan-spruchnahme öffentlicher Jugendhilfe zu entziehen.

Ein Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin ergibt sich vorliegend – ist der diesbezügliche Vortrag vom 16. Januar 2012 nicht ohnehin verfristet und damit nicht berücksichtigungsfähig(vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 7 VwGO) - auch nicht aus § 112 JustG NRW. Diese Vorschrift ist hier von vornherein nicht einschlägig. Sie regelt die Wirkung von Rechtsbehelfen in der Verwaltungsvollstreckung, um die es vorliegend nicht geht und hinsichtlich derer ohnehin eine Rechtsbetroffenheit durch den Vollstreckungsakt vorausgesetzt und nicht kraft Gesetzes geschaffen wird. Es ist nicht ersichtlich, dass gegen die Antragstellerin nach § 66 Abs. 3 SGB X i. V. m. § 55 Abs. 1 VwVG NRW ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll. Die Inobhutnahme ist zwar nicht beendet, wenn man - trotz der Möglichkeit, dass eine Bewilligung in Form eines Verwaltungsaktes auch konkludent mit der Leistungserbringung erfolgen kann,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 15. März 2004 – 12 A 3993/02 –, ZFSH/SGB 2005, 219 (zur Sozialhilfe),

und die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben an das Amtsgericht L. – Familiengericht – vom 16. Dezember 2011 deshalb möglicherweise richtig liegt – davon ausgehen will, dass die Antragsgegnerin den Antrag des Ergänzungspflegers auf Erziehungshilfe gem. §§ 27,34 SGB VIII noch nicht beschieden hat (vgl. § 42 Abs. 4 Nr. 2 SGB VIII). Die Inobhutnahme hat sich durch die Sorgerechtsentscheidung des Familiengerichtes vom 9. November 2011 der Antragstellerin gegenüber aber jedenfalls erledigt, weil ihr die betroffenen Rechtspositionen nicht mehr zugeordnet sind. Die vorläufige Entziehung wesentlicher Teilbereiche des Sorgerechts ihrerseits ist nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch gerichtliche Entscheidung erfolgt. Würde die Heimerziehung eine Hilfeleistung darstellen, läge ihr auch kein belastender Eingriffsakt, sondern ein begünstigender Gewährungsakt zugrunde, der sich zudem ausschließlich an das zum Ergänzungspfleger bestellte Jugendamt richtet, weil dieses insoweit anstelle der Antragstellerin zum Inhaber des Sorgerecht geworden ist.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen laufen die übrigen Einwendungen der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts von vornherein ins Leere. Ausreichender Rechtsschutz wird der Antragstellerin dadurch geboten, dass sie im Rahmen des dementsprechenden Verfahrensrechtes gegen die familiengerichtlichen Sorgerechtsentscheidungen vorgehen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar