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Pflegegeld Großelternpflege
Die Leistungsfähigkeit der mit dem Kind oder Jugendlichen in gerader Linie verwandten Pflegeperson iSd § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII bestimmt sich jedenfalls grundsätzlich nach den zu § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB entwickelten unterhaltsrechtlichen Maßstäben.
Sachverhalt:[1] I. Die Bet. streiten über die Höhe des Betrags, um den gem. § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII derjenige Teil des Pflegegelds gekürzt werden darf, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft.
[2] Die Kl. ist Mutter eines im Juni 2005 geborenen Sohnes, der seit September 2005 im Haushalt ihrer Mutter und deren mit ihm nicht verwandten Ehemanns untergebracht ist. Der Vater des Kindes ist nicht bekannt. Seit Ende Juni 2007 wurde der Kl. Hilfe zur Erziehung in Form der Verwandtenpflege gewährt. Der Mutter der Kl. wurde zunächst allein der zur Abgeltung des Aufwands für die Pflege und Erziehung ihres Enkels vorgesehene Pauschalbetrag geleistet, während der Sachaufwand nicht abgegolten wurde. Mit dem angefochtenen Bescheid gewährte die Bekl. der Kl. rückwirkend zum 1.9.2009 Leistungen zum Unterhalt des Kindes in Form monatlicher Pauschalbeträge, die sowohl die Kosten für den Sachaufwand als auch die Kosten für Pflege und Erziehung des Kindes umfassten. Die die Kosten für den Sachaufwand abgeltenden Leistungen kürzte sie unter Hinweis darauf, die Mutter der Kl. sei ihrem Enkel gegenüber unterhaltspflichtig. Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Mutter der Kl. berücksichtigte sie deren Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann. Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Bekl. verpflichtet, der Kl. für den Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 31.1.2011 Pflegegeld für die Betreuung ihres Kindes im Rahmen der Vollzeitpflege ohne Kürzung um einen Unterhaltsanteil der Großmutter des Kindes zu bewilligen.
[3] Die hiergegen gerichtete Berufung der Bekl. hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. […]
Aus den Gründen:[6] II. Die Revision der Bekl. ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht im Einklang (§ VWGO § 137 Abs. VWGO § 137 Absatz 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht zum einen auf einem unzutreffenden Verständnis von § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII […]. Zum anderen läuft die Annahme der Vorinstanz, das der Bekl. von § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII eingeräumte Ermessen sei auf null reduziert, dem § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII zuwider (2.). Da dem BVerwG eine Entscheidung in der Sache (§ VWGO § 144 Abs. VWGO § 144 Absatz 3 S. 1 Nr. 1 VwGO) mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen verwehrt ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.).
[7] 1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend und in Übereinstimmung mit den Bet. angenommen, dass die Kl. von der Bekl. nach § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 1 S. 1 SGB VIII die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts ihres Sohnes beanspruchen konnte (a). Den Erwägungen der Vorinstanz zur Höhe dieses Anspruchs ist hingegen nicht zu folgen (b).
[8] a) Nach § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 1 S. 1 SGB VIII ist ua bei Hilfe nach § SGB_VIII § 33 SGB VIII der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Die Bekl. gewährte der Kl. Hilfe zur Erziehung ihres Sohnes in Vollzeitpflege in einer anderen Familie nach Maßgabe des § SGB_VIII § 27 Abs. SGB_VIII § 27 Absatz 1 SGB VIII iVm § SGB_VIII § 33 S. 1 SGB VIII. „Andere Familie“ ist hier die Familie der Mutter der Kl. und ihres Ehemanns (vgl BVerwG 12.9.1996 – BVERWG Aktenzeichen 5C3195 5 C 31.95; 1.3.2012 – Aktenzeichen 5C1211 5 C 12.11, JAmt 2012, JAMT Jahr 2012 Seite 329 Rn. JAMT Seite 329 Randnummer 13). Als Personensorgeberechtigte war die Kl. Inhaberin nicht nur des Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung gem. § SGB_VIII § 27 Abs. SGB_VIII § 27 Absatz 1 und SGB_VIII § 27 Absatz 2 a SGB VIII iVm § SGB_VIII § 33 S. 1 SGB VIII, sondern auch des Anspruchs auf Gewährung Wirtschaftlicher Jugendhilfe in Gestalt des sog. Pflegegelds gem. § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 1 S. 1 SGB VIII (vgl BVerwG 9.6.1983 – BVERWG Aktenzeichen 5C1282 5 C 12.82; 12.9.1996 – Aktenzeichen 5C3195 5 C 31.95; 13.3.2001 – Aktenzeichen 5B8300 5 B 83.00, FEVS 52, FEVS Jahr 1952 Seite 448 f).
[9] b) Soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, das Pflegegeld sei mangels Leistungsfähigkeit der Pflegeperson einer Kürzung nicht zugänglich, steht dies mit § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII nicht im Einklang.
[10] Der Höhe nach erfasst der Anspruch auf Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des Kindes gem. § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 1 S. 2 SGB VIII die Kosten zum einen für den Sachaufwand und zum anderen für die Pflege und Erziehung des Kindes. Die zu gewährenden Leistungen bemessen sich nach Maßgabe des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 1 und 2 SGB VIII und sollen grundsätzlich in monatlichen Pauschalbeträgen geleistet werden (§ SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 3 SGB VIII), deren Höhe hier nicht streitig ist. Ist die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind verwandt
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und kann sie diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren, so kann gem. § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII der Teil des monatlichen Pauschalbetrags, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft, angemessen gekürzt werden. Die Voraussetzungen für eine solche Kürzung liegen hier insoweit vor, als die (auch) als Pflegeperson bestellte Mutter der Kl. mit deren Sohn in gerader Linie verwandt und diesem zum Unterhalt verpflichtet ist (§ 1601 iVm § BGB § 1589 Abs. BGB § 1589 Absatz 1 S. 1 BGB).
[11] aa) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die von § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII für die Kürzungsmöglichkeit vorausgesetzte Fähigkeit der Pflegeperson, dem Kind unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren, jedenfalls grundsätzlich genauso auszulegen wie das Merkmal der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit iSd § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB.
[12] Dafür spricht bereits mit großem Gewicht der Wortlaut des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII. Zwar verweist die Bestimmung nicht ausdrücklich auf § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB. In der Sache liegt jedoch eine solche Bezugnahme dadurch vor, dass die Leistungsfähigkeit in beiden Bestimmungen nahezu wortidentisch umschrieben wird. Nach § BGB § 1601 BGB [Anm. der Red.: muss heißen: § BGB § 1603 BGB] ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Das Gewicht dieser begrifflichen Parallelität wird nicht dadurch geschmälert, dass nach § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB die fehlende Leistungsfähigkeit als negative Tatbestandsvoraussetzung ausgestaltet ist, während dem Erfordernis der Leistungsfähigkeit in § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII rechtsbegründende Bedeutung zukommt. Dies gilt gleichermaßen für den Umstand, dass § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII in Abweichung vom familienrechtlichen Unterhaltsrecht und damit auch von § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB allein auf die Leistungsfähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson, nicht hingegen auch auf sonstige Verwandte in gerader Linie abhebt.
[13] Für und nicht – wie das Oberverwaltungsgericht meint – gegen die unterhaltsrechtliche Bestimmung des Begriffs der Leistungsfähigkeit sprechen in systematischer Hinsicht die Regelungen über die Kostenbeteiligung in den §§ SGB_VIII § 90 ff SGB VIII. Nach der Novellierung des Kostenbeitragsrechts durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) vom 8.9.2005 (BGBl. BGBL Band 2005 Seite 2005, 2729) beurteilt sich die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen nach den §§ SGB_VIII § 90 ff SGB VIII nicht mehr wie zuvor nach Unterhaltsrecht, sondern aus Gründen der Vereinfachung und Entflechtung des als „überaus kompliziert“ empfundenen Zusammenspiels der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über die Kostenheranziehung und den zivilrechtlichen Regelungen über die Unterhaltspflicht grundsätzlich nach öffentlichem Recht (BT-Drs. 15/3676, 28 und 41; vgl BVerwG 11.10.2012 – BVERWG Aktenzeichen 5C2211 5 C 22.11, JAmt 2013, JAMT Jahr 2013 Seite 38 Rn. JAMT Seite 38 Randnummer 29). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber ein solches Konzept auch bei der Regelung der Kürzungsmöglichkeit des Pflegegelds in den Fällen der Großelternpflege in § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII verfolgt hätte, sind nicht ersichtlich. Die Regelung unterscheidet sich nicht nur sprachlich von den §§ SGB_VIII § 90 ff SGB VIII. Sie enthält anders als diese auch keine eigenständigen öffentlich-rechtlichen Maßstäbe für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson. Hätte sich der Gesetzgeber im Zusammenhang von § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII ebenfalls von unterhaltsrechtlichen Maßstäben lösen wollen, hätte es nahegelegen, dies in der Bestimmung zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen hat er die Begrifflichkeit des § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB nahezu wörtlich übernommen.
[14] Das bisherige Auslegungsergebnis wird von Sinn und Zweck des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII bestätigt. Diese ergeben sich insbesondere aus dessen Entstehungsgeschichte. Die Bestimmung geht zurück auf das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 8.9.2005. […] In dessen Begründung wird dargelegt, Großeltern hätten aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Kind und der daraus resultierenden Unterhaltspflicht eine von der Rechtsordnung anerkannte Pflichtenposition. Sie dürften daher von der staatlichen Gemeinschaft nicht ohne Weiteres dieselbe finanzielle Honorierung für ihre Betreuungs- und Erziehungsleistungen innerhalb der Verwandtschaft erwarten wie Pflegepersonen, die dem Kind nicht so eng verbunden seien (BT-Drs. 15/3676, 36). Anknüpfungspunkt für die Honorierung sollte die zivilrechtliche Unterhaltspflicht sein. Dies wird in der Begründung des dem § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII in seiner geltenden Fassung zugrunde liegenden Entwurfs des Kinderförderungsgesetzes (KiföG) vom 10.10.2008 (BGBl. 2008 I, BGBL Jahr 2008 I Seite 2403) bekräftigt. Dort wird ausgeführt, eine Kürzung komme nur in Betracht, wenn die Pflegeperson unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts dem Kind Unterhalt gewähren könne. Die gewählte Formulierung entspreche der Definition der Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht und vermeide einen Wertungswiderspruch zu diesem (BT-Drs. 16/9299, 17). Durch die Anlehnung an den Maßstab des angemessenen Unterhalts wird sichergestellt, dass die durch die Pflege und Erziehung des Kindes verursachte finanzielle Belastung der Pflegeperson in der Höhe nicht deren unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit übersteigt.
[15] bb) Ist ein Großelternteil Pflegeperson, so ist nach den zur Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit iSd § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII jedenfalls grundsätzlich anzulegenden Maßstäben des § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB – entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts – auch das Einkommen seines Ehegatten zu berücksichtigen.
[16] Eine unterhaltspflichtige Person ist leistungsfähig iSd § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB, soweit ihre anrechenbaren Einkünfte und das von ihr einzusetzende Vermögen das übersteigen, was sie unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen für ihren eigenen Bedarf benötigt. Dem Unterhaltspflichtigen sollen grundsätzlich diejenigen Mittel verbleiben, die zur Deckung des seiner eigenen Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs erforderlich sind. Maßgebend ist dabei die Lebensstellung, die seinem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang entspricht. Abzustellen ist hierbei auf den gesamten Lebensbedarf einschließlich einer angemessenen Altersversorgung. Die Höhe dieses Lebensbedarfs ist im Einzelfall zu klären. Hierbei ist nicht von einer festen Größe auszugehen, sondern etwaigen Veränderungen der individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse Rechnung zu tragen (vgl BGH 23.10.2002 – BGH Aktenzeichen XIIZR26699 XII ZR 266/99; 30.8.2006 – BGH Aktenzeichen XII ZR 98/04 Rn. 19 und 21).
[17] (1) Geht es – wie hier – um die Inanspruchnahme von Großeltern auf Unterhalt für ihre Enkel, sind den Unterhaltspflichtigen zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zuzubilligen, die auch erwachsene Kinder gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern verteidigen können (vgl BGH 8.6.2005 – BGH Aktenzeichen XIIZR7504 XII ZR 75/04 Rn. 27; 20.12.2006 – XII ZR
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137/04 Rn. 10). Auch Großeltern müssen idR nicht damit rechnen, für den Unterhalt ihrer Enkelkinder aufkommen zu müssen. Ihre Inanspruchnahme realisiert sich zudem regelmäßig zu einem Zeitpunkt, zu dem sie sich bereits in einem höheren Lebensalter befinden, ihre Lebensverhältnisse längerfristig ihrem Einkommensniveau angepasst haben, Vorsorge für ihr eigenes Alter treffen müssen oder sogar bereits Rente beziehen. Wegen ihrer gem. § BGB § 1607 Abs. BGB § 1607 Absatz 1 und BGB § 1607 Absatz 2 S. 2 BGB als Ersatzhaftung ausgestalteten nachrangigen Haftung müssen sie sich finanziell im Verhältnis zu ihren Enkelkindern nicht in gleicher Weise wie Eltern im Verhältnis zu ihren minderjährigen oder noch in Ausbildung befindlichen Kindern einschränken (vgl BGH 8.6.2005 – BGH Aktenzeichen XIIZR7504 XII ZR 75/04 Rn. 21, 23, 25 mwN). Der auf Unterhalt in Anspruch genommene Großelternteil braucht danach wie beim Elternunterhalt eine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls insoweit nicht hinzunehmen, als er nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt. Deshalb ist es entsprechend dem Unterhaltsverhältnis zwischen Kindern und Eltern gerechtfertigt, den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gegenüber seinen unterhaltsbedürftigen Enkeln mit einem erhöhten Betrag, wie er in den Tabellen und Leitlinien insoweit als Mindestbetrag vorgesehen ist, anzusetzen und dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich noch etwa den hälftigen Anteil seines für den Elternunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zu belassen (vgl BGH 8.6.2005 – BGH Aktenzeichen XIIZR7504 XII ZR 75/04 Rn. 22 unter Bezugnahme auf BGH 23.10.2002 – BGH Aktenzeichen XIIZR26699 XII ZR 266/99; 5.2.2014 – BGH Aktenzeichen XII ZB 25/13 Rn. 46).
[18] (2) Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen ist beim Enkelunterhalt bei der Ermittlung des über den Selbstbehalt hinaus zur Verfügung stehenden Betrags, der für die Gewährung des Unterhalts einzusetzen ist, auch das Einkommen des Ehepartners des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Großelternteils zu berücksichtigen.
[19] Die aufgezeigten Gründe, aus denen den Großeltern zumindest die höheren Selbstbehaltsbeträge zuzubilligen sind, die erwachsenen Kindern gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern zustehen, rechtfertigen es auch, bei der Ermittlung des über den Selbstbehalt den Großeltern zur Verfügung stehenden und als Unterhalt einzusetzenden Betrags die gleichen Grundsätze anzuwenden (vgl Wendl/Dose/Wönne Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 2 Rn. 1035 ff). Deshalb ist – wie beim Elternunterhalt (vgl dazu BGH 28.7.2010 – BGH Aktenzeichen XIIZR14007 XII ZR 140/07 Rn. 41; 23.7.2014 – BGH Aktenzeichen XII ZB 489/13 Rn. 11 f) – die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Großelternteils nach § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln, bei dessen Berechnung die Einkommen beider Ehegatten einfließen. Dem steht – anders als das Oberverwaltungsgericht meint – nicht entgegen, dass Großeltern im Verhältnis zu ihren Enkeln gem. § BGB § 1607 Abs. BGB § 1607 Absatz 1 BGB nur ersatzweise haften.
[20] Das Einkommen des Ehegatten des auf Enkelunterhalt in Anspruch genommenen Großelternteils ist auch in dem Fall in Ansatz zu bringen, in dem dieses – wie hier – höher ist als dasjenige des Unterhaltspflichtigen. In Anbetracht der vergleichsweise schwachen Ausgestaltung von Eltern- und Enkelunterhalt kann zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit und des einzusetzenden Einkommens auch in diesen Fällen auf die Grundsätze zum Elternunterhalt zurückgegriffen werden. Die Leistungsfähigkeit des seinen Eltern gegenüber unterhaltspflichtigen Kindes ist auch dann auf der Grundlage des individuellen Familienbedarfs zu bestimmen, wenn der Unterhaltspflichtige weniger verdient als sein Ehegatte (vgl BGH 5.2.2014 – BGH Aktenzeichen XIIZB2513 XII ZB 25/13 Rn. 17 ff, 26 ff). So liegt es auch beim Enkelunterhalt.
[21] cc) Die aufgezeigten unterhaltsrechtlichen Grundsätze sind auf § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII zu übertragen. Ihnen stehen keine Besonderheiten des Jugendhilferechts entgegen.
[22] Der erhöhte unterhaltsrechtliche Selbstbehalt entspricht dem angemessenen Unterhalt iSd § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII. Die mit dem Kind in gerader Linie verwandte Pflegeperson befindet sich grundsätzlich in der gleichen Situation wie der zivilrechtlich zum Enkelunterhalt verpflichtete Großelternteil, auf den – wie dargelegt – die Grundsätze des Elternunterhalts auch insoweit zu übertragen sind. Wie dieser wird auch sie – idR unerwartet und im fortgeschrittenen Lebensalter – mit der Herausforderung konfrontiert, ihrem Enkelkind die von diesem benötigte Pflege und Erziehung zuteilwerden zu lassen. Auch sie soll eine spürbare und dauerhafte Senkung ihres berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus jedenfalls dann nicht hinnehmen müssen, wenn sie nicht einen nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt oder ein Leben im Luxus führt. Eine Kürzung des Pflegegelds über den angemessenen Selbstbehalt hinaus würde die Pflegeperson unangemessen belasten und liefe dem mit § SGB_VIII § 27 Abs. SGB_VIII § 27 Absatz 2 a Halbs. 1 SGB VIII verfolgten Ziel des Gesetzgebers zuwider, die Vollzeitpflege im Interesse der betroffenen Kinder und Jugendlichen unter den Voraussetzungen des § SGB_VIII § 27 SGB VIII F. 2011 auch für Großeltern offenzuhalten (BT-Drs. 15/3676, 35 f; vgl BVerwG 9.12.2014 – BVERWG Aktenzeichen 5C3213 5 C 32.13 Rn. 28). Die Grenze des der Pflegeperson Zumutbaren wäre idR überschritten, würde in dieser Situation von ihr verlangt, mehr von ihrem Einkommen und Vermögen für den Unterhalt des Enkelkindes einzusetzen als ihr selbst verbleibt.
[23] Es sind keine Gründe ersichtlich, die der Übertragung der unterhaltsrechtlichen Maßstäbe auf den pflegenden Großelternteil entgegenstehen. Die Erwägungen, die für die entsprechende Anwendung des unterhaltsrechtlichen erhöhten Selbstbehalts sprechen, rechtfertigen auch die Anwendung der unterhaltsrechtlichen Grundsätze zur Berechnung des für den Enkelunterhalt einzusetzenden Betrags. Mithin ist auch bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit iSd § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII das Einkommen des Ehepartners der Pflegeperson zu berücksichtigen.
[24] Die zutreffende Annahme des Oberverwaltungsgerichts, bei der Bemessung des Umfangs der Kürzung desjenigen Teils des monatlichen Pauschalbetrags, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft, sei eine konkrete Ermittlung des Unterhaltsbetrags nicht geschuldet, steht einem Rückgriff auf die vorstehenden Grundsätze zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Pflegeperson nicht entgegen. Während die Fähigkeit der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson, diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen und ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt zu gewähren, zentrale
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Voraussetzung des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII ist, sind andere Elemente des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs wie die Bedürftigkeit des Kindes oder die Leistungsfähigkeit weiterer unterhaltsverpflichteter Personen nicht Gegenstand der betreffenden Prüfung (Hauck/Noftz/Stähr SGB VIII, Stand: 12/2015, SGB VIII § 39 Rn. 23 c; jurisPK/v. Koppenfels-Spies SGB VIII, Stand: 2/2016, SGB VIII § 39 Rn. 28).
[25] Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts widerstreitet der Übertragung der unterhaltsrechtlichen Grundsätze auf § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII F. 2011 auch nicht, dass dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus § SGB_VIII § 97 a Abs. SGB_VIII § 97A Absatz 2 S. 2 SGB VIII F. 2011 ein Auskunftsanspruch gegenüber dem mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandten Ehegatten der Pflegeperson nicht zusteht. Gegenstand der Auskunftspflicht sind allein die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der mit dem Kind in gerader Linie verwandten Pflegeperson. Diesen ist auch der sich nach den konkreten Lebensverhältnissen zu bemessende Anspruch auf Familienunterhalt zuzurechnen. Es obliegt der Pflegeperson, dem Jugendamt Auskunft über die Höhe des von ihr zu beanspruchenden anteiligen Familienselbstbehalts zu erteilen. Zur Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen steht ihr gegenüber ihrem Ehegatten ein Informationsanspruch zu, der sich während des Zusammenlebens der Ehegatten zwar nicht aus § BGB § 1605 Abs. BGB § 1605 Absatz 1 BGB, wohl aber aus der Generalklausel des § BGB § 1353 Abs. BGB § 1353 Absatz 1 S. 2 BGB ergibt. Die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft beinhaltet die wechselseitige Pflicht, sich über die für die Höhe des Familienunterhalts und eines Taschengelds maßgeblichen finanziellen Verhältnisse zu informieren und insoweit in einer – § BGB § 1605 Abs. BGB § 1605 Absatz 1 S. 1 BGB entsprechenden – Weise Auskunft zu erteilen, die die Feststellung des Unterhaltsanspruchs ermöglicht (BGH 2.6.2010 – BGH Aktenzeichen XIIZR12408 XII ZR 124/08 Rn. 19 ff).
[26] Der Rückgriff auf die vorstehenden unterhaltsrechtlichen Grundsätze im Rahmen des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht im Einklang ständen mit der vom Gesetzgeber angestrebten Förderung der Verwandtenpflege auch durch Großeltern. Der Gesetzgeber hat sich – wie aufgezeigt – dafür entschieden, Großeltern aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Kind und der daraus resultierenden Unterhaltspflicht nicht dieselbe finanzielle Honorierung wie Pflegepersonen zuteilwerden zu lassen, die dem Kind nicht in gleicher Weise verbunden sind. Dies gilt auch für die hier vorliegende Fallgestaltung, in der das Kind nur mit einem Ehegatten in gerader Linie verwandt ist. Gestaltet der Gesetzgeber gleichwohl die Kürzungsoption unterhaltsrechtlich aus, so läuft die Berücksichtigung des Einkommens des mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandten Ehegatten bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit der Pflegeperson nicht dem Gesetzeszweck zuwider.
[27] 2. Das angefochtene Urteil beruht auch insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung selbstständig tragend darauf stützt, das Ermessen der Bekl. sei hier auf null reduziert gewesen.
[28] a) Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Bekl. das ihr hinsichtlich der Kürzung des Pflegegelds obliegende Ermessen nicht ausgeübt hat.
[29] Ist die Pflegeperson leistungsfähig, hat die Bekl. nach § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII über die angemessene Kürzung des Teils des monatlichen Pauschalbetrags, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betrifft, nach Ermessen zu befinden. Eine Ermessensausübung der Bekl. ergibt sich nicht aus der Begründung des Ausgangsbescheids vom 6.7.2010. Dort wird allein ausgeführt, die Sachaufwendungen könnten angemessen gekürzt werden, ohne dass erkennbar ist, dass von diesem Ermessen in bestimmter Weise Gebrauch gemacht wurde und auf welchen Erwägungen eine solche Entscheidung gründet. Die Begründung des Widerspruchsbescheids lässt ebenfalls nicht erkennen, dass die Bekl. von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat.
[30] b) Die Voraussetzungen einer Ermessenreduzierung auf null, bei deren Vorliegen eine Betätigung des Ermessens entbehrlich gewesen wäre, lagen nicht vor.
[31] Eine solche Reduzierung des Ermessens kommt nur in engen Ausnahmefällen in Betracht. Sie setzt voraus, dass nach Lage der Dinge alle denkbaren Alternativen offenkundig nur unter pflichtwidriger Vernachlässigung eines eindeutig vorrangigen Sachgesichtspunkts gewählt werden können (vgl BVerwG 20.3.1973 – BVERWG Aktenzeichen 1WB21772 1 WB 217.72; 15.7.1987 – Aktenzeichen 4C5683 4 C 56.83).
[32] Gemessen daran konnte auf eine Ermessensausübung nicht deshalb verzichtet werden, weil aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts die Mutter der Kl. ihre Vollzeitstelle in eine halbe Stelle umgewandelt hatte, um die Aufnahme ihres Enkelkindes in ihrem Haushalt zu ermöglichen. Träfe dies zu, so wäre dies – auch unter dem Gesichtspunkt der vom Gesetzgeber im Interesse des Kindeswohls angestrebten Förderung der Verwandtenpflege – ein gewichtiger, gegen eine Kürzung sprechender Gesichtspunkt, der in die Abwägung einzustellen wäre. Er wäre aber nicht von solchem Gewicht, dass dahinter alle anderen denkbaren wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte von vornherein zurücktreten müssten. So ist die Reduzierung einer Vollzeitstelle, um die Aufnahme des Kindes zu ermöglichen, auch in Bezug zu setzen zur Leistungsfähigkeit der Pflegeperson. Je höher diese ist, desto weniger Gewicht kann im Einzelfall einem solchen Verzicht zukommen.
[33] 3. Mangels erforderlicher hinreichender tatsächlicher Feststellungen ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Es fehlen Feststellungen zum Einkommen des Ehemanns der Mutter der Kl. Die Kenntnis dieses Einkommens ist aber erforderlich, um beurteilen zu können, ob die Pflegeperson ihrem Enkel ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhalts Unterhalt gewähren konnte und ob insoweit die Voraussetzungen einer Kürzung des Pflegegelds erfüllt waren. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ VWGO § 144 Abs. VWGO § 144 Absatz 3 S. 1 Nr. 2 VwGO), um diesem Gelegenheit zu geben, die betreffenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen.
[34] Im Rahmen seiner Entscheidungsfindung wird das Oberverwaltungsgericht ggf auch zu berücksichtigen haben, dass sich für den Fall, dass sowohl die Mutter der Kl. als auch ihr mit dem Kind nicht in gerader Linie verwandter Ehemann zu Pflegepersonen bestellt worden sein sollten, die Kürzungsbefugnis des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII nicht auf jenen erstreckt (Krug/Riehle/Riehle SGB VIII, Stand: 12/2015, SGB VIII § 39 Rn. 72). Gegenstand der Kürzung wäre in diesem Fall nur der hälftige Teil des monatlichen Pauschalbetrags, der die Kosten für den Sachaufwand des Kindes betrifft. […]
Hinweise für die PraxisDas BVerwG hat mit vorliegender Entscheidung den Gleichklang des öffentlich-rechtlichen Regimes des notwendigen Unterhalts nach § SGB_VIII § 39 SGB VIII sowie der Kostenbeteiligung nach §§ SGB_VIII § 91 ff SGB VIII einerseits und dem familienrechtlichen Kindesunterhaltsrecht der §§ BGB § 1601 ff BGB weiter gestärkt. Die Ermessensausübung bei der Reduzierung des Sachaufwandanteils am notwendigen Unterhalt für die Unterbringung in Großelternpflege (§ SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII) hat sich konsequent nach der unterhaltrechtlichen Leistungsfähigkeit gem. § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB zu richten.
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Danach ist einem pflegenden Großelternteil zunächst ein Selbstbehalt zuzubilligen, der auch erwachsenen Kindern gegenüber ihren unterhaltsbedürftigen Eltern gewährt wird iHv aktuell 1.800 EUR. Zusätzlich ist dem Großelternteil noch etwa der hälftige Anteil seines für den Enkelunterhalt einsetzbaren bereinigten Einkommens zu belassen (s. Rn. 17 der Entscheidung).
Sodann ist nach dem BVerwG zu prüfen, inwieweit dieser hohe Selbstbehalt des pflegenden Großelternteils durch den eigenen Anspruch auf Familienunterhalt gegen den Ehegatten gedeckt wird. Dieser Prüfungsschritt führt im Unterhaltsrecht dazu, dass ggf das (geringe) eigene Einkommen eines Ehegatten für die allein diesen treffende Unterhaltspflicht gegenüber einem Dritten zur Verfügung steht (s. jew. Ziff. 21.5 der Leitlinien der Oberlandesgerichte). Das Einkommen des Ehegatten ist ausschließlich zur Deckung des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichtigen einzusetzen, nicht aber für den Kindesunterhalt selbst (vgl DIJuF/Knittel/Birnstengel Themengutachten, Stand: 11/2014, DIJUFHBGUTACHTEN TG-1120 Frage 4, abrufbar unter www.kijup-online.de). Im vorliegenden Fall hat die Großmutter eigenes Einkommen aus ihrer Teilzeitbeschäftigung, sodass hier der Gleichklang mit dem Unterhaltsrecht eingehalten werden kann.
Allerdings ist unter Abweichung vom familienrechtlichen Unterhaltsrecht nach dem BVerwG für einen Abzug beim Sachbezug nicht relevant, ob der Großelternteil überhaupt grundsätzlich unterhaltspflichtig ist (s. Rn. 12 und 24). Nach dem Zivilrecht setzt die Großelternhaftung voraus, dass beide Elternteile des Kindes leistungsunfähig oder zahlungsunwillig sind (sog. Ausfall- bzw Ersatzhaftung nach § BGB § 1607 BGB). Des Weiteren haftet ein Großelternteil nur anteilig neben den drei weiteren Großelternteilen in Form einer Teilschuld. Zur Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs muss ein Enkelkind daher die wirtschaftlichen Verhältnisse aller in Betracht kommenden Großeltern darlegen. Insgesamt ist der Anspruch des Enkelkindes auf den Mindestunterhalt beschränkt, wobei es ggf vorrangig Unterhaltsvorschuss in Anspruch nehmen muss (insg. zur Unterhaltspflicht von Großeltern DIJuF/Knittel/Birnstengel Themengutachten, Stand: 6/2014, DIJUFHBGUTACHTEN TG-1002, abrufbar unter www.kijup-online. de). Da für einen Abzug beim Sachbezug nach dem BVerwG allein die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit relevant ist, hingegen nicht die sonstigen Voraussetzungen einer Unterhaltspflicht, liegt insoweit ein Missklang in der Luft, der jedoch vom Gesetzestext des § SGB_VIII § 39 Abs. SGB_VIII § 39 Absatz 4 S. 4 SGB VIII gedeckt ist. (Br/My)
Bezüge:
§§ SGB_VIII § 39, SGB_VIII § 97 a Abs. SGB_VIII § 97A Absatz 2 SGB VIII, § BGB § 1353 Abs. BGB § 1353 Absatz 1 BGB, § BGB § 1589 Abs. BGB § 1589 Absatz 1 BGB, § BGB § 1603 Abs. BGB § 1603 Absatz 1 BGB, § BGB § 1605 Abs. BGB § 1605 Absatz 1 BGB, § BGB § 1607 BGB