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13.11.2003
Gerichtsbeschluss
vom: 
03.12.2008

Streitwert und Kosten bei Verfahren um elterliche Sorge für Pflegeeltern

Der Regelwert wird reduziert - Gerichtskosten werden zwischen den Beteiligten geteilt.

Zwischen den Parteien war ein Sorge- und Umgangsrechtsverfahren anhängig. Die Antragsteller beantragten als Pflegeeltern die elterliche Sorge für das am 30.12.1995 geborene Kind der Antragsgegner M. Die Antragsgegner begehrten daraufhin das Umgangsrecht mit dem Kind.
Nachdem die Antragsgegner die Einwilligung zur Adoption des Kindes Marcel erteilt hatten, nahmen die Antragssteller ihren Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge zurück.
Mit Beschluss vom 30.05.2002 entschied das Familiengericht, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt sei, die Kosten des Verfahrens die Antragsgegner je zur Hälfte zutragen haben, außergerichtliche Kosten und Auslagen nicht erstattet werden und der Wert des Verfahrens 3.000,00 DM betrage. Gleichzeitig hob das Familiengericht seine am 06.09.2001 erlassene einstweilige Anordnung zum Sorgerecht des Kindes auf.
Gegen die Kostenentscheidung wenden sich die Antragsgegner mit ihrer Beschwerde. Sie wollen erreichen, dass die Kosten des Verfahrens den Parteien je zur Hälfte auferlegt werden.
Gegen die Wertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Rechtsanwältin S. Sie begehrt die Abänderung des Geschäftswertes auf 10.000,00 DM.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Chemnitz hat der Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt. Zur Begründung seiner Nichtabhilfeentscheidung hat es ausgeführt, dass es den Gegenstandswert niedriger als den für das Verfahren maßgeblichen Regelwert angesetzt habe, weil das Verfahren insgesamt zwar von erheblicher Bedeutung für die Eltern und das Kind gewesen sei, andererseits aber berücksichtigt werden müsse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern außerordentlich beengt seien. Das Verfahren sei auch nach Inhalt und Umfang nicht so außergewöhnlich schwierig gewesen, dass diese Erwägungen dahinter zurückzustehen hätten.
II. Die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist gemäß § 20a Abs. 2 FGG statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nur teilweise begründet.
Da das Verfahren durch die Einwilligung der Antragsgegner zur Adoption und die danach erfolgte Antragsrücknahme Erledigung gefunden hat, also keine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache erging, ist das Verfahren gerichtsgebührenfrei. Denn § 94 Abs. 1 Nr. 4 KostO knüpft das Entstehen einer Gebühr für ein Sorgerechtsverfahren an eine Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache. Ebenso ist das einstweilige Anordnungsverfahren gerichtsgebührenfrei, da gemäß §§ 92 bis 98 KostO für ein derartiges Verfahren ein Gebührenansatz nicht vorgesehen ist und es insoweit bei der Regelung des § 91 KostO verbleibt. Mit seiner Kostenentscheidung hat das Familiengericht damit hinsichtlich der Gerichtskosten nur über die ebenfalls nach § 1 KostO zu den Gerichtskosten zählenden Auslagen, hier die Verfahrenspflegerkosten (§ 137 Nr. 16 KostO) und die Zustellungskosten (§ 137 Nr. 3 KostO), entschieden und sie den Antragsgegnern jeweils hälftig auferlegt.
Zwar betrifft die vom Familiengericht zutreffend angewandte Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2 1. Halbs. KostO alte Fassung, wonach das Gericht nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, welcher Beteiligte zahlungspflichtig ist, unmittelbar nur die gerichtlichen Gebühren. Sie ist aber hinsichtlich der Auslagen entsprechend anwendbar (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 94 KostO, Rdnr.27).
Da im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich derjenige zur Zahlung der Kosten verpflichtet ist, auf dessen Veranlassung oder in dessen Interesse das Gericht tätig wird (§ 2 KostO) ist es im vorliegenden Fall unabhängig vom Ausgang des Verfahrens gerechtfertigt und angemessen, auch die Antragsteller an den Gerichtskosten zu beteiligen. Ihr Interesse als antragstellende Pflegeeltern an der Regelung der elterlichen Sorge für Marcel war mindestens ebenso groß wie das Interesse der Antragsgegner an der Abwehr einer solchen Regelung und der Durchsetzung des Umgangsrechtes. Soweit die Pflegeeltern in ihrer Beschwerdeerwiderung auf die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung verweisen, dass Pflegeeltern grundsätzlich keine Gerichts- und Gutachterkosten schulden, verkennen sie, dass dieser Rechtsprechung ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt und es hierbei nicht um die Regelung der elterlichen Sorge nach § 1630 BGB, sondern um Streitigkeiten zwischen Eltern und Pflegeeltern um die Herausgabe des Kindes an die Eltern nach § 1632 BGB geht.
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ist das Gericht von dem im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Grundsatz des § 13a Abs. 1 FGG, wonach keine Erstattung außergerichtlicher Kosten stattfindet, nicht abgewichen. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Denn auch aus der Sicht des Senats bestand hierzu keine Veranlassung. Insbesondere ist unter Beachtung der Sachlage und der Gesamtumstände des Verfahrens kein grobes Verschulden der Antragsteller i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG zu erkennen, welches eine Kostenentscheidung zu ihren Lasten rechtfertigen würde.
Andere, im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigende Umstände haben die Antragsgegner nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 KostO gebührenfrei.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach der Höhe der Kosten, die die Antragsgegner nach dem Beschluss vom 30.05.2002 treffen können. Das sind die Verfahrenspflegerkosten in Höhe von 550,53 Euro, die Zustellungskosten in Höhe von 45,00 Euro und ihre Rechtsanwaltskosten in Höhe von ca. 600,00 Euro. Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist daher nach der Tabelle zu § 32 KostO auf bis zu 2.000,00 Euro festzusetzen.
III.
Die Beschwerde der Rechtsanwältin S.gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes des erstinstanzlichen Verfahrens ist gemäß §§ 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, 31 Abs. 3 KostO zulässig und teilweise begründet.
1.
Soweit Rechtsanwältin S. die Höhe des für den Sorgerechtsstreit festgesetzten Gegenstandswertes rügt, hat ihre Beschwerde keinen Erfolg.
Der Geschäftswert für ein Verfahren der vorliegenden Art bemisst sich nach §§ 94 Abs. 2 Satz 2, 30 Abs. 2 KostO in der hier anzuwendenden alten Fassung regelmäßig auf 5.000,00 DM. Allerdings kann gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO der Wert nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 1 Mio. DM angenommen werden. Eine Abweichung vom Regelwert ist immer dann veranlasst, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalles erkennen lassen, dass dieser Wert unangemessen hoch oder niedrig ist. Dabei muss das Gericht alle ihm bekannten Fallumstände tatsächlicher und rechtlicher Art sorgfältig berücksichtigen. Als maßgebliche Faktoren für diese Bewertung kommen sämtliche streiterhebliche Umstände, insbesondere die Bedeutung der Sache, das Interesse der Beteiligten und ihre wirtschaftliche Lage in Betracht (Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 30 Rdnr.54und 55).
Danach hat das Familiengericht zu Recht und mit zutreffender Beurteilung eine Reduzierung des Regelbetrages vorgenommen. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Familiengerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 11.06.2002 Bezug genommen.
Allerdings hat das Familiengericht übersehen, dass Gegenstand des Verfahrens auch die Regelung des Umgangs der Eltern mit Marcel war. Der Antrag hierzu wurde von der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner im Schriftsatz vom 05.02.2001 gestellt und im Verhandlungstermin am 14.02.2002 wurde die Frage des Umgangsrechtes erörtert. Deshalb hat auch für diesen Verfahrensgegenstand eine Wertfestsetzung zu erfolgen. Der Höhe nach hält der Senat wegen der zum Wert des Sorgerechtsverfahrens angestellten Erwägungen und des geringen Umfangs des Umgangsrechtsverfahrens ebenfalls eine Reduzierung des Regelwertes für gerechtfertigt und eine Wertfestsetzung auf 2500,00DM für angemessen. Somit ist der Wert des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens auf insgesamt 5.500,00 DM festzusetzen.
Das Verfahren über die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Bezüge:

§31Abs.4KostO

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