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Verbleib in der Pflegefamilie
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Zum Sachverhalt:
Bei den Eltern handelt es sich um eine schwer psychisch kranke Mutter, die zu dem ein Alkoholproblem hatte, und einen schwierigen Kindesvater, der von der Gutachterin für bedingt erziehungsfähig angesehen wurde. Nachd m das Kind bereits im Säuglingsalter wegen der Erkrankung der Mutter erstmals aus der Familie herausgenommen worden war, dann wieder zu den Eltern zurückkehrte und in der Folge nach mehrfachen Krisen wieder in einer Pflegefamilie untergebracht
werden musste, entschied sich das Jugendamt zuletzt für die Unterbringung in einer Dauerpflegestelle.Aus den Gründen:
Wenn zwar auf der Grundlage der bei Verfahrenseinleitung mitgeteilten Tatsachen nicht zweifelsfrei sein konnte, ob im Hauptverfahren ein Eingriff in das elterliche Sorgerecht mit der Folge einer Trennung des Kindes L. von den Eltern gerechtfertigt sein könnte, so hat die Entwicklung der Verhältnisse in der Familie der Beschwerde führenden Eltern bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung gezeigt, dass die Eltern trotz angebotener und gewährter öffentlicher Familienhilfe
nicht in der Lage waren, ihrem Kind L. eine von schädlichen Einflüssen auf seine Entwicklung freie Betreuung und Erziehung zu gewähren.Die im Juni 2002 im Weg der Hilfe zur Erziehung im Einverständnis der Mutter erfolgte Weggabe des L. in eine Pflegefamilie hat an der Gefährdung und Entwicklung, insbesondere des geistigen und seelischen Wohls des Kindes L., nichts zu ändern vermocht.
Die auf ihrem Versagen beruhenden zahlreichen Entgleisungen der Mutter – gleichgültig, ob verschuldet oder, weil Ausdruck einer Krankheit, unverschuldet –, deren Zeuge L. wiederholt geworden ist, sind ein klarer und ausreichender Beleg für ihr Unvermögen, dem Kind die notwendige Pflege und mütterliche Zuwendung angedeihen zu lassen, so dass der durch Herausnahme von L. aus der Familie am 06.12.2002 erfolgte Eingriff in ihr Sorgerecht gerechtfertigt und
geboten war und heute wohl ist.Das Gleiche gilt für den Vater, der sich als nicht in der Lage erwiesen hat, den für das Kind erforderlichen häuslichen Rahmen der Verlässlichkeit, des Vertrauens und der seelischen Geborgenheit zu schaffen. In Anbetracht der ihm bekannten gravierenden Störungen von Psyche und Persönlichkeit seiner Frau, mit erheblich beeinträchti-genden Auswirkungen auf ihre Rolle als Mutter, hat er es, namentlich
in der Phase ihrer besonderen Hilfsbedürftigkeit und der unter diesen Umständen besonders wichtigen Mitwirkung, an der Durchführung angebotener und gewährter öffentlicher Familienhilfe fehlen lassen (Gegenstand des Hilfeplangesprächs vom 18.10.2002). Auch hat er es nicht vermocht, L. von den für seine seelische Entwicklung sehr schädlichen Auseinandersetzungen mit der Mutter fernzuhalten.Zwar sind seit dem Jahr 2003 Vorkommnisse der geschilderten Art nicht mehr bekannt geworden. Auch hat die Sachverständige Diplom-Psychologin U. in ihrem Ergänzungsgutachten vom 26.09.2003 die prinzipielle Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters bejaht, seine gegenwärtigen Lebensbedingungen, seine Wohnverhältnisse sowie die ihm zu Gebote stehenden Betreuungsmöglichkeiten positiv beurteilt und lediglich eine sofortige Rückführung L. in seinen Haushalt für nicht mit dem Kindeswohl vereinbar gehalten. Das Ergänzungsgutachten geht
aber ersichtlich davon aus, dass die Eheleute nicht mehr zusammen leben und eine zeitnahe Wiederherstellung der Ehegemeinschaft nicht zu erwarten ist. Auf der Grundlage dieser vom Ehemann absichtlich wahrheitswidrig durch entsprechende Äußerungen gegenüber der Gutachterin bestärkten Annahme, brauchte diese sich nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Auswirkungen ein erneutes
Zusammenleben der Eheleute auf das Wohl des Kindes haben würde.Hierzu hätte sich die Gutachterin auf jeden Fall geäußert. Denn sie hat auf Seite 26 ihres Ergänzungsgutachtens hervorgehoben, dass es „nicht einsichtig“ sei, dass die Mutter, „die zusätzlich zu ihrer Persönlichkeits-störung scheinbar auch noch ein Alkoholproblem besitze, ohne Krankheitseinsicht und Therapiebereitwilligkeit Einfluss auf ihren Sohn bekommen sollte“.
Im Lichte der vom Verfahrensbeteiligten zu 1) vor dem vorbereitenden Einzelrichter des Senats abgegebenen Äußerungen, wonach eine wirkliche Trennung der Eheleute gar nicht bestanden habe und auch nicht beabsichtigt war, dass mithin dahin gehende Erklärungen und Verhaltensweisen nur vorgetäuscht waren, um sich eine bessere Ausgangsposition für die „Rückgewinnung“ des Kindes zu schaffen, verlieren sowohl die gutachterliche Stellungnahme als auch die Hinweise
und Beteuerungen des Beschwerdeführers zu 1), dass er in der Lage sei, seinem Kind dauerhafte und klare Bezüge und emotionale Stabilität zu gewähren, an Gewicht.
Vor diesem Hintergrund sind die bei den Pflegeeltern eingetretene ersichtlich positive Entwicklung des Kindes einerseits und die Prognose der Auswirkungen einer Rückkehr in den Haushalt der zusammenlebenden Eltern andererseits zu gewichten. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob die Pflegeeltern L. besser betreuen und erziehen als das die leiblichen Eltern könnten. Entscheidend ist
vielmehr, dass L. im Verlauf des Verfahrens zunächst nach einem Aufenthalt von drei Monaten in einer Pflegefamilie, sodann nach einer etwa acht Monate dauernden gescheiterten Rückanvertrauung an seine Eltern und schließlich nach einem weiteren ca. 2 ½ Monate währenden Aufenthalt in einer anderen Pflegefamilie bei seinen jetzigen Pflegeeltern, bei denen er schon seit zwei Jahren lebt, endlich einen ungefährdeten stabilen Lebensrahmen bei verlässlicher Betreuung und Förderung und konsequenter Erziehung antrifft. Im Hinblick auf die Vorgeschichte seiner Entwicklung würde sich ein erneutes Misslingen seiner Eingliederung in den elterlichen Haushalt auf seine Entwicklung verhängnisvoll auswirken.
Der Senat hält bei diesen Gegebenheiten, insbesondere im Hinblick auf das unehrliche Taktieren des Beschwerdeführers zu 1) das Risiko, dass bei Wiederherstellung des vollen gemeinsamen elterlichen Sorgerechts – aber auch bei Beschränkung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater – eine erneute Anvertrauung des Kindes an die Eltern bzw. den Vater abermals fehlschlägt, für zu hoch. Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine Verbleibensanordnung im Sinne von § 1632 Abs. 4 BGB
während der mit ihr festgesetzten Dauer diese Gefahr verringern und sich deshalb als das mildere Mittel gegenüber dem Personensorge-rechtsentzug darstellen könnte (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl. § 1632, Rn. 17).
In diesem Fall müsste jedoch das Kind aufgrund des wiederher-gestellten Sorgerechts der Eltern bzw. des Vaters an den/die Sorgerechtsinhaber dann herausgegeben werden, wenn die Pflegeeltern vor Ablauf der Verbleibensanordnung das Kind nicht mehr betreuen wollten oder könnten, ohne dass nunmehr geprüft werden könnte, ob die sofortige Rückgabe dem Kindeswohl entspricht oder nicht.
Der Senat ist im Hinblick auf die bereits geschilderten Besonderheiten des Falles der Auffassung, auch dieses das Kindeswohl nach wie vor gefährdende Risiko ausschalten zu müssen.Gegen diese Verbleibensanordnung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Sie ist unbegründet, weil durch die Wegnahme aus der Pflegestelle das Kindeswohl gefährdet würde (§ 1632 Abs. 4 BGB).
Der Antragsteller hat sich am 7. April 2006 in der Beratungsstelle von seinen Kindern losgesagt, jedem Kind einen Brief übergeben (Bl. 304ff. GA) und ihnen darin die Aufnahme jedweden weiteren Kontakts mit ihm untersagt (Ich möchte von Euch nichts mehr hören.). Bei den Briefen befand sich jeweils eine Trauerkarte (schwarzumrandet) mit der Aufschrift „Ein letzter stiller Gruß“. Unter PS heißt es in jedem der drei Briefe: „Zum Neuanfang gehört auch Vergessen. Deshalb habe ich in dieser Woche alle unsere Fotos mit Negativen und die Videoaufnahmen
verbrannt! Es bleibt nur noch die Erinnerung!“.Der Beschwerdeführer hat damit das Ziel seines Rechtsmittels, die Kinder zu sich zu nehmen, aufgegeben. Damit stellt sich die Situation völlig neu dar. Nur die Aufrechterhaltung der Verbleibensanordnung bietet die Gewähr, dass die Kinder ordnungsgemäß betreut und versorgt werden, ihr Schulbesuch und ihre sonstige Entwicklung gesichert sind.
Mitgeteilt von Rechtsanwältin Astrid Doukkani-Bördner, Frankfurt
Quelle: 4.Jahrbuch des Pflegekinderwesens, Hrsg: Stiftung zum Wohl des Pflegekindes - Schulz-Kirchner-Verlag