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Verbleib in der Pflegefamilie und Umgangsregelung
Themen:
Das Amtsgericht Schwarzenbeck gibt dem Antrag der Pflegeeltern statt und beschließt am 6. Mai 2006:
1. Es wird angeordnet, dass das Kind A., geboren im Februar 2004, bei den Pflegeeltern verbleibt.
2. Der Antrag der Antragstellerin (Kindesmutter) auf Herausgabe des Kindes wird zurückgewiesen.
3. Es wird angeordnet, dass Umgangskontakte zwischen der Kindesmutter und dem Kind A. alle vier Wochen unter Begleitung des Vereins K. stattfinden sollen. Die Umgangsbegleiterin wird jeweils in Absprache mit der Kindesmutter und den Pflegeeltern die Umgangstermine festsetzen. Den Pflegeeltern wird aufgegeben, das Kind A. zu den Umgangsterminen zu bringen und es wieder abzuholen.
4. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Dem Beschluss liegt Folgendes zugrunde:
A., geboren im Februar 2004, wurde als Kind ausländischer Kindeseltern aus einem Teilbereich der früheren Jugoslawischen Republik geboren. Sie wurde schon in den ersten Lebensmonaten aufgrund von häuslicher Gewalt in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem sie im Rahmen einer gewalttätigen Auseinandersetzung der
Kindeseltern Verletzungen erlitten hatte. Im Alter von drei Monaten wurde das Kind von dem örtlich zuständigen Jugendamt in Familienpflege gegeben. Bei Inpflegegabe war das Kind besonders klein. Es war in seinen ersten drei Lebensmonaten nicht ärztlich versorgt worden, es war nicht geimpft und es hatten keine Vorsorgeunter-suchungen stattgefunden. Das Kind war erheblich entstellt, weil es aufgrund fehlerhafter Lagerung eine schiefe Kopfhaltung hatte. Insgesamt wies das Kind einen verwahrlosten Zustand auf. Ferner war auffällig, dass es gelegentlich kleine Anfälle hatte, bei denen es
die Augen verdrehte. Die Anfallsneigung wurde letztmalig im November 2004 untersucht. Letztendlich wurde diagnostiziert, dass das Kind epileptische Schauderzustände hatte, die gerade bei Kindern nach Drogenentzug auch im älteren Säuglingsalter häufig beobachtet werden. Begleitet wurde dieses von motorischen Entwicklungsverzögerungen.
In der Zeit von Mai 2004 bis Juli 2005 besuchte die Kindesmutter das Kind etwa zwölfmal in der Pflegefamilie. Im August 2005 wurde die Pflegefamilie von dem Wunsch der Mutter überrascht, die Rückkehr des Kindes in ihren Haushalt anzustreben. Zu diesem Zeitpunkt war A. immer noch zart, wenn auch aufgrund von Krankengymnastik und Frühförderung gut entwickelt. A. war in eine Reihe von fünf Geschwistern in die Pflegefamilie eingebunden.Gestützt auf § 1632 Abs. 4 BGB stellten die Pflegeeltern einen Antrag auf Verbleibensanordnung.
Die Kindesmutter trat diesem Begehren entgegen.
Es wurde eine Verfahrenspflegschaft eingerichtet, die ihre Aufgabe vorbildlich wahrnahm.
Nach streitiger mündlicher Verhandlung ordnete das Gericht den vorläufigen Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie an und ordnete zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung über die gegenläufigen Anträge auf Rückführung des Kindes bzw. dessen Verbleib in der Pflegefamilie ein psychologisches Sachverständigengutachten an.
Die Sachverständige wurde aufgefordert, auch zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter Stellung zu nehmen und gegebenenfalls zur Ausgestaltung von Umgangskontakten. Mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens wurde die psychodiagnos-tische Beratungspraxis Hamburg beauftragt.Das Gutachten beantwortete die richterlichen Fragestellungen wie folgt:
1. Das Kleinkind A. lebt seit dem dritten Lebensmonat in der Pflegefamilie und hat dort Bezugsbindungen im Sinne einer psychologischen Elternschaft aufgebaut. Zur leiblichen Mutter besteht vonseiten des Kindes bisher keine Bezugsbindung. Der Ehemann der Kindesmutter ist dem Kind unbekannt.
2. Eine Rückführung aus derartig enger elterlicher Bindung ist als eine große Entwicklungsherausforderung mit starkem Gefährdungspotenzial zu betrachten.
3. Das Kind ist in seiner allgemeinen Entwicklung beeinträchtigt und zeigt Verunsicherungen, insbesondere bei Veränderungen, so dass von einem besonderen Erziehungs-, Förder- und Schutzbedarf ausgegangen werden muss.
4. Die Kindesmutter ist dem Kinde zwar liebevoll zugeneigt, erkennt die
Gefahr durch die Rückführung jedoch nicht angemessen. Den besonderen Herausforderungen an die zu erwartende Rückführungs-situation ist sie nicht im ausreichenden Maße gewachsen.5. Insbesondere vor dem Hintergrund eines ausgeprägt idealisierenden Denkens, mit der Tendenz, unerwünschte Erlebnisse zu ignorieren sowie gefährdende Momente zu verdrängen, ist die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter als eingeschränkt zu bewerten.
6. Das Verhältnis zum Jugendamt, insbesondere in seinem Wächteramt, ist von erheblichem Misstrauen geprägt. Von einer selbstständigen Kontaktaufnahme bei Eintritt einer Notlage kann zurzeit nicht ausgegangen werden. In der Frage der Umgangskontakte trägt das Gutachten als kindeswohldienlich den Umgang in vierwöchentlichen Abständen, wie im Gerichtsbeschluss festgelegt, an.
Mitgeteilt von Rechtsanwältin Ulrike Edelhoff-Bohnhardt, Preetz
Quelle: 4.Jahrbuch des Pflegekinderwesen - Verbleib oder Rückkehr -
Hrsg: Stiftung zum Wohl des Pflegekindes - Schulz-Kirchner-Veralg