Sie sind hier

Basiswissen

Auf was haben Pflegeeltern ein Anrecht?

Anrechte gemäß des Bürgerliches Gesetzbuches (BGB)

Anrechte von Pflegeeltern ergeben sich aus den Positionen, die ihnen in verschiedenen Gesetzen zugeschrieben werden. Hier erklären wir die Anrechte, die sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergeben.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Im BGB § 1688 werden den Pflegeeltern Entscheidungsbefugnisse für den Alltag zugebilligt, damit überhaupt Erziehung und Alltagsbewältigung möglich ist. Alltagsentscheidungen bedeuten Entscheidungen für hier und jetzt. Grundsätzliche Entscheidungen mit zukünftigen oder entscheidenden Auswirkungen auf das Leben des Kindes obliegen dem Sorgeberechtigten im Rahmen von Grundentscheidungen.

Zum besseren Verständnis geben wir hier eine intensivere Betrachtung der Grundentscheidungen sowie der Alltagssorge an Beispielen aus dem alltäglichen Leben mit einem Pflegekind:

Aufenthaltsbestimmung:

Vormund (Grundentscheidungen):
  • generelle Bestimmung des Aufenthaltes in der Pflegefamilie,
  • Wechsel des Mündels in Fördereinrichtungen, Förderschule, Internate,
  • Zustimmung bei ambulanten und stationären Hilfen zur Erziehung,
  • An – und Abmeldung,
  • Rückführung in die Ursprungsfamilie.
Pflegeeltern (Alltagssorge):
  • Besuche bei Freunden, Verwandten, Urlaub,
  • Klassenfahrten.

Gesundheitsfürsorge

Vormund (Grundentscheidungen):
  • Einwilligung in medizinische Eingriffe nach Aufklärung der medizinischen Risiken,
  • Zustimmung zum Drogentest,
  • Zustimmung zum Aidstest,
  • Zustimmung zur Blutentnahme, die nicht im Rahmen routinemäßiger ärztlicher,
  • Untersuchungen durchgeführt werden,
  • Zustimmung zu kosmetischen Eingriffen – Piercing, Tattoos (Einbringen einer ärztlichen Unbedenklichkeitserklärung durch den Jugendlichen),
  • Überwachung der Vorsorgeuntersuchungen und des Impfschutzes,
  • Beantragung medizinischer Leistungen: Kuren, Therapien, Pflegegeldleistungen bei Krankenkassen, Schwerbehindertenausweis.
Pflegeeltern (Alltagssorge):
  • Inanspruchnahme von Hausarzt und Fachärzten,
  • Ausführungen der ärztlichen Anweisungen,
  • Anforderungen von Attesten und Überweisungen,
  • Teilnahme an Eltern-Kind-Kuren,
  • Begleitung zu Therapien.

Bildung und Ausbildung

Vormund (Grundentscheidungen):
  • Anmeldung zum Kindergarten,
  • Entscheidung über die weiterführende Schulform,
  • Anmeldung zur Schule,
  • Auslandsaufenthalte im Rahmen einer Schulausbildung,
  • Ausbildungsfragen z.B. Lehrstelle.
Pflegeeltern (Alltagssorge):
  • Vertreter in der Elternpflegschaft,
  • Arbeitskreise des Kindes,
  • Schulfahrten,
  • Besuch der Elternsprechtage,
  • Besuch der Elternabende,
  • Termine mit Lehrern.

Religiöse Erziehung

Vormund (Grundentscheidungen):
  • Entscheidung über die religiöse Zugehörigkeit.
  • Der Vormund muss die religiöse Erziehung des Kindes entscheiden, wenn die zuvor sorgeberechtigten Eltern keine Entscheidung getroffen haben und eine religiöse Zugehörigkeit nun für das Mündel bedeutsam wird.
  • Unterbringung eines Pflegekindes in einer passenden religiösen Pflegefamilie, wenn dies von den Eltern so gewünscht wird,
  • Zustimmung zur Taufe und Kommunion,
  • Zustimmung zu allen weiteren religiösen Entscheidungen bis zur religiösen Mündigkeit des Jugendlichen mit 14 Jahren.
Pflegeeltern (Alltagssorge):
  • Religiöse Alltagsrituale - Beachten religiöser Sitten und Normen.

Ausschließliche Alltagssorge der Pflegeeltern (im Rahmen grundsätzlicher Verantwortung des Vormunds)

  • Freizeitregelung,
  • Erziehung des Kindes,
  • Taschengeldregelung,
  • Rechtsgeschäfte des alltäglichen Lebens (z.B. Kind wird zum Einkaufen geschickt).

Die Grundentscheidungen werden natürlich nicht wahllos an den Pflegeeltern vorbei getroffen. Diese Entscheidungen werden in Hilfeplangesprächen zwischen Jugendamt, sorgeberechtigten Herkunftseltern, Vormund und Pflegeeltern besprochen und vereinbart. Ergänzend zum §1688 BGB können Sorgeberechtigte den Pflegeeltern eine Vollmacht ausstellen, die ihnen erlaubt, bestimmte Entscheidungen für das Kind zu treffen.

Entscheidungen, bei denen im Zweifelsfall schwer zwischen Alltagsentscheidung und Grundentscheidung zu trennen ist, empfiehlt sich die Absprache mit dem Sorgeberechtigten oder die Rücksprache mit dem Pflegekinderdienst.

Vollmachten

Vorsicht bei Vollmachten!

In der Praxis des Pflegekinderwesens wird verhältnismäßig viel mit Vollmachten gearbeitet. Vollmachten werden von den Sorgerechtigte (Eltern oder Vormund) den Pflegeeltern geben, damit diese einige Angelegenheiten entscheiden und erledigen können. Ich möchte darauf hinweisen, dass solche Vollmachten nicht rechtssicher sind. Per einfacher Unterschrift lassen sich wichtige Entscheidungen für das Kind (Grundentscheidungen) nicht einfach übertragen. Diese Angelegenheiten gehören in den Verantwortungsbereich des Sorgeberechtigten und sollten daher auch wirklich von ihm erledigt und verantwortet werden.
 

Letzte Aktualisierung am: 
04.09.2018

Das könnte Sie auch interessieren

Basiswissen

Einzelvormund sein für das Pflegekind

Pflegekinder haben häufig Pfleger oder Vormünder. Ein Vormund ist der gesetzliche Vertreter für ein Kind in allen Angelegenheiten. Ist ein Pflegekind in seiner Pflegefamilie integriert und klar, dass es auf Dauer dort bleibt, können auch seine Pflegeeltern die Aufgabe des Einzelvormundes übernehmen. Entweder schlägt das Jugendamt sie dem Gericht vor, oder sie machen diesen Vorschlag direkt selbst vor Gericht. Das Jugendamt muss dann zu diesem Vorschlag eine Stellungnahme abgeben.
Basiswissen

Was ist eine Aufsichtspflichtverletzung und wer haftet bei Schäden?

Rechtliche Informationen zu Haftung, Schadensersatz - mit einigen Beispielen aus der Rechtsprechung.
Basiswissen

Ausübung des Sorgerechtes

Wenn Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern wohnen, dann "zerfällt" gewissermaßen auch die Ausübung des Sorgerechtes. Wesentliche, für die Zukunft des Kindes wichtige Entscheidungen oder Handlungen bleiben dem Sorgeberechtigten – also hier dem Vormund – vorbehalten.
Basiswissen

Vormundschaft / Pflegschaft für das Kind

Was ist der Unterschied zwischen Vormund und Pfleger? In diesem Artikel werden die Zuständigkeiten und Aufgaben beschrieben.
Basiswissen

Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Vormund oder Pfleger

Wenn Eltern das Kindeswohl nicht mehr garantieren, dann schützt die Gesellschaft das Wohl des Kindes durch Eingriffe eines Familiengerichtes in das Sorgerecht.
Basiswissen

Anträge im Rahmen des BGB

Detailinfos zum Antrag auf Freiwillige Übertragung des Sorgerechtes auf die Pflegeeltern, zum Antrag auf Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie, zum Antrag auf Umgang der Pflegeeltern mit ihrem ehemaligen Pflegekind und zum Antrag auf ehrenamtliche Einzelvormundschaft.
Basiswissen

Persönliche Kontakte des Vormundes zum Mündel

Die persönlichen Kontakte des Vormundes zu seinem Mündel sollen dazu dienen, die Lebenssituation des Mündels in der Pflegefamilie besser zu kennen und "Wohl und Willen des Mündels" zu beachten. Der Vormund soll eine Beziehung zum Mündel aufbauen und besonderen Wert darauf legen, dass das Kind oder der Jugendliche sein Leben mit gestalten kann und an allen Entscheidungen beteiligt wird.