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03.03.2021
Hinweis

Neues Positionspapier fordert Bildungsgerechtigkeit

Aufgrund der Diskussionen im Rahmen der Neuordnung des SGB VIII hat der Verein der jungen Volljährigen in der Jugendhilfe Careleaver e.V. seine Positionen noch einmal aktualisiert und präzise zusammengefasst.

Auszüge aus der Erläuterung zum aktualisierten Positionspapier

Mit dem Entwurf des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes besteht derzeit die Hoffnung, dass auch Deutschland sich dafür entscheidet, jungen Menschen einen guten und stabilen Start ins Erwachsenenleben zu ermöglichen, die nicht das Privileg haben, auf eine funktionale Herkunftsfamilie zurückgreifen zu können.

Ein wichtiger Knackpunkt ist dabei, ob die Hilfen für über 18-Jährige nur gewährt werden, wenn die jungen Volljährigen Defizite aufweisen. Oder ob – im Gegenteil – gerade eine positive Entwicklung, zum Beispiel ein angestrebter höherer Bildungsabschluss, nicht vielmehr ausschlaggebend dafür sein sollte, ob weiter Hilfe gewährt wird. [....]

Ausschlaggebend dafür, ob künftig mehr jungen Erwachsenen „Hilfen über 18“ gewährt werden, ist, ob es sich dabei um eine „Kann“- oder um eine „Soll“-Regelung handelt.

Leider geht die aktuelle Empfehlung des Bundesrats hier nun in die entgegengesetzte Richtung und droht die aktuell häufig rechtswidrige Praxis, jungen Menschen Hilfe vorzuenthalten, zu legalisieren.

Der Bundesrat empfiehlt im Zusammenhang in § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII-E das Wort „gewährleistet“ durch die Wörter „erwarten lässt“ zu ersetzen. Mit folgender Begründung: „Die Hilfe für junge Volljährige ist verbindlicher ausgestaltet. Die gewählte Formulierung verdeutlicht, dass nicht in der Mehrzahl der Fälle generalisierend eine weitere Hilfe erforderlich ist, sondern jeder Einzelfall zu prüfen ist.“

Sollte der Bundestag dieser Empfehlung folgen, steht zu befürchten, dass zukünftig noch mehr junge Menschen mit ihrem 18. Geburtstag sich selbst überlassen werden. Damit würde das Gegenteil der ursprünglichen Intention des Gesetzesentwurfes erreicht.

Positionspapier

Wir fordern…

1. einen eigenen Rechtsstatus
  • Careleaver brauchen finanzielle Sicherheit – bei Anträgen sind sie von den Angaben zu den leiblichen Eltern freizustellen.
  • Careleaver haben diverse Benachteiligungen zu bewältigen – zusätzliche Nachteile wie z.B. die Übernahme von Elternunterhalt sind abzuschaffen.
2. gerechte Bildungschancen
  • Investitionen in persönliche Bildung zahlen sich im späteren Leben aus – der schnellstmögliche Abschluss ist nicht immer der Beste, auch Praktika, Freiwilligendienste, Abitur und Studium müssen in Betracht gezogen werden.
  • Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen in den Bildungs- und Ausbildungsmarkt integriert werden z.B. durch Sprachkurse und den erleichterten Einstieg in die Berufs- oder Schulausbildung.
3. individuelle und prozesshafte Übergänge
  • Ein abruptes Ende der Jugendhilfe führt häufig zu Existenzgefährdungen, die nicht durch andere Systeme aufgefangen werden können – Übergänge sind flexibel und nahtlos zu gestalten.
  • Anstatt eines Übergangs in ein anderes Hilfesystem, sollte Jugendhilfe darauf abzielen, junge Menschen in die Selbständigkeit zu entlassen – auch auf finanzieller Ebene.
4. ressourcenorientierte Jugendhilfe
  • Die Bewertung der Persönlichkeitsentwicklung in Hilfeplangesprächen sollte den Fokus auf die Ressourcen legen.
  • Eine Weitergewährung von Jugendhilfe darf nicht (ausschließlich) an die Defizite des jungen Menschen geknüpft werden.
5. eine Fachaufsicht für Jugendämter
  • Jugendhilfe muss verlässlich und unabhängig von regionalen Gegebenheiten gewährt werden – deshalb sollten Jugendämtern eine fachliche Aufsicht zugeordnet werden.
  • Jugendhilfe darf kein „Glücksspiel“ sein – überregional bedeutsame Fragestellungen (z.B. Aktenaufbewahrung oder Übernahme einer Wohnungskaution) sind bundesweit einheitlich zu beantworten.
6. mehr Partizipation
  • Jede*r hat individuelle Bedürfnisse – diese können nur im Rahmen wirksamer Mitbestimmung im Hilfeprozess berücksichtigt werden.
  • Junge Menschen sollen ihre Bedürfnisse durch Zusammenschluss auf Einrichtungs-, Landes- und Bundesebene einbringen können.
7. Kontinuität in der Zuständigkeit
  • Beständige Bindungen fördern das Vertrauensverhältnis und damit die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen – unnötige Wechsel von Jugendamt, Vormund*in, Bezugsbetreuer*in und Pflegefamilie sind zu vermeiden. 

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