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Jugendhilfe und dann? Careleaver haben Rechte - Forderungen an Politik und Fachpraxis

Der Anspruch auf Hilfen für junge Volljährige nach dem SGB VIII wird in der Praxis sehr restriktiv gehandhabt. Das gefährdet die Nachhaltigkeit des Erfolges der geleisteten Hilfen. Care Leaver müssen ihre Ansprüche gegenwärtig bei verschiedenen Stellen geltend machen. Lange Überleitungsprozesse und eine Tendenz der Sozialleistungsträger, sich im Zweifelsfall für unzuständig zu erklären, führen zu Lücken in der Finanzierung ihres Lebensunterhalts. Diese Verwaltungspraxis verschärft existentielle Risiken wie z.B. Ausbildungsabbrüche oder Wohnungslosigkeit.

Care Leaver sind junge Menschen, die einen Teil ihres Lebens in öffentlicher Erziehung – z.B. in Wohngruppen oder Pflegefamilien - verbracht haben und sich am Übergang in ein eigenständiges Leben befinden. Im Gegensatz zu Kindern, die in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen, verfügen viele dieser Jugendlichen und jungen Erwachsenen kaum über stabile private Netzwerke und ausreichende materielle Ressourcen. Dennoch wird von ihnen in der gängigen Hilfepraxis erwartet mit Eintritt der Volljährigkeit selbständig zu leben.

Ein Positionspapier der IGfH und der Uni Hildesheim stellt zentrale Forderungen auf, deren Umsetzung die Lebenssituation der jungen Menschen im Übergang nachhaltig verbessern könnte.

Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie die Forderungen an Praxis und Fachpolitik verbreiten und unterstützen könnten!

Lassen Sie uns gemeinsam in eine öffentliche Debatte über die Förderung und Unterstützung junger Menschen im Übergang zum Erwachsenenleben treten!

Die Rechte der Care Leaver müssen durchgesetzt werden!

"Der Anspruch auf Hilfen für junge Volljährige nach dem SGB VIII wird in der Praxis sehr restriktiv gehandhabt. Das gefährdet die Nachhaltigkeit des Erfolges der geleisteten Hilfen.

  • Wir fordern, das Recht auf die Inanspruchnahme von Erziehungshilfen über die Volljährigkeit hinaus ernst zu nehmen.
  • Die Rechtsgrundlage für die Gewährung von Hilfe über das 18. Lebensjahr hinaus (§ 41 SGB VIII) muss im Interesse der jungen Menschen ausgelegt werden und darf nicht Spielball fiskalischer Interessen sein.
  • Um der restriktiven Auslegung des § 41 SGB VIII entgegen zu wirken, müssen bundesweit Ombudsstellen eingerichtet und gefördert werden, die Care Leaver dabei unterstützen, ihr Recht auf Hilfe durchzusetzen.

Care Leaver für Care Leaver!

Selbstorganisation stärken Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass junge Menschen aus erzieherischen Hilfen ihre Interessen und Rechte besser vertreten und wahrnehmen können, wenn sie als Gruppe aktiv werden.

  • Die Vernetzung und Selbstorganisation der Care Leaver muss gefördert werden, z.B. durch logistische Unterstützung.
  • Die Interessen der Care Leaver müssen durch Lobbyarbeit für diese Gruppe unterstützt werden.
  • Die Lobbyarbeit der Care Leaver muss politisch gefördert werden. Es müssen Strukturen auf allen Ebenen geschaffen werden, in denen sie sich selbst vertreten können.

Zuständig bleiben! Dienstleistungsinfrastruktur für Care Leaver schaffen

Care Leaver müssen ihre Ansprüche gegenwärtig bei verschiedenen Stellen geltend machen. Lange Überleitungsprozesse und eine Tendenz der Sozialleistungsträger, sich im Zweifelsfall für unzuständig zu erklären, führen zu Lücken in der Finanzierung ihres Lebensunterhalts. Diese Verwaltungspraxis verschärft existentielle Risiken wie z.B. Ausbildungsabbrüche oder Wohnungslosigkeit.

  • Über eine bindende Vorleistungsregelung ist sicherzustellen, dass immer der zuerst kontaktierte Träger Hilfe leisten muss.
  • Die Leistungen der Träger müssen koordiniert werden, sowohl bezogen auf den Einzelfall wie auch auf übergeordneter Ebene. Die Jugendhilfeplanung hat hier die Verantwortung der kommunalen Bedarfsklärung sowie der Gestaltung einer lokalen Infrastruktur.
  • Auf der Ebene der kommunalen Infrastruktur ist ein niedrigschwelliges allgemeines Beratungsangebot für junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren bereitzuhalten.

Bildungschancen sichern!

Care Leaver unterliegen einer besonderen Bildungsbenachteiligung. Den Erziehungshilfen wird bisher kein expliziter Bildungsauftrag zugesprochen.

  • Die Bildungsorientierung der jungen Menschen muss stärker gefördert werden. Care Leaver sollten immer bei der Erlangung des höchstmöglichen Abschlusses unterstützt werden.
  • Berufliche Ausbildungsmöglichkeiten für Care Leaver, z.B. in Verbindung mit Wohnangeboten, sind zu stärken.
  • Care Leaver erlangen oft erst später im jungen Erwachsenenalter einen Abschluss. Die Kinder- und Jugendhilfe muss Care Leaver unterstützen, auch im zweiten oder dritten Anlauf als junge Volljährige Bildungsabschlüsse zu erreichen.

Die Jugendhilfe muss die veränderte Jugendphase anerkennen!

Die Jugendhilfe muss den gesamten Prozess des Übergangs in das (Erwerbs-)Leben in den Blick nehmen und begleiten.

  • Fast alle jungen Menschen erleben heute vielfältige Unterstützungsformen bis weit in das dritte Lebensjahrzehnt. Care Leaver haben ein Recht auf eine vergleichbare Unterstützung.
  • Hilfen können nicht mit 18 abschließend beendet werden, sondern die Jugendhilfe ist weiter zentraler Ansprechpartner für junge Volljährige.
  • Care Leaver müssen sich eingeladen fühlen, sich auch nach Beendigung der Hilfe jederzeit wieder an die Jugendhilfe wenden zu können".
Letzte Aktualisierung am: 
25.02.2014

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