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Alltag mit Kindern

Loyalität und Loyalitätskonflikte

Loyalität ist ein Begriff für Gefühle der Treue, der Achtung, der Akzeptanz, der inneren Verbundenheit einem Menschen oder einer Idee gegenüber. Loyalität bedeutet, die Werte des anderen zu teilen und zu vertreten - auch dann zu vertreten, wenn man sie nicht vollumfänglich teilt. Loyalität ist immer freiwillig. Problematisch wird Loyalität dann, wenn sie gefordert wird. Unterschiedliche Forderungen verschiedener Menschen oder Dienste führen zu Loyalitätskonflikten.

Was bedeutet Loyalität?

Loyalität ist ein Begriff für Gefühle der Treue, der Achtung, der Akzeptanz, der inneren Verbundenheit einem Menschen oder einer Idee gegenüber.
Loyalität bedeutet, die Werte des anderen zu teilen und zu vertreten - auch dann zu vertreten, wenn man sie nicht vollumfänglich teilt. Loyalität ist immer freiwillig.
Der Begriff Loyalität wird oft im Sinne von Zuverlässigkeit und Anständigkeit gegenüber der Gruppe, der man sich verbunden fühlt, gebraucht, beispielsweise im Zusammenhang mit Dienstverhältnissen, bei denen sich ein Arbeitgeber bzw. Dienstherr auf die Treue seines Mitarbeiters verlassen können muss. Der Loyalitätspflicht des Mitarbeiters entspricht eine Fürsorgepflicht des Vorgesetzten.

Was sind Loyalitätskonflikte?

Problematisch wird Loyalität dann, wenn sie gefordert wird. Unterschiedliche Forderungen verschiedener Menschen oder Dienste führen zu Loyalitätskonflikten.

Ein Loyalitätskonflikt bedeutet also:

1. ich bin einer Sache, einem Menschen gegenüber loyal, gerate aber in einen Konflikt, weil ich zunehmend den Inhalten der Sache bzw. dem Menschen nicht mehr vertraue.
2. ich habe das Gefühl, mehreren Personen oder Ideen gegenüber loyal sein zu müssen die sich aber gegenseitig für mich nicht vereinbaren lassen oder sich sogar ausschließen. (Ich kann nicht Diener zweier Herren sein)

Wenn wir von Loyalitätskonflikten in Pflegeverhältnissen sprechen, denken wir vorrangig an Konflikte dieser Art bei den Pflegekindern. Meine Erfahrung in den vielen Jahren meiner Tätigkeit im Pflegekinderwesen zeigte mir jedoch, dass es Loyalität und Loyalitätskonflikte in allen Bereichen und zwischen vielen Beteiligten gibt, die mit Pflegeverhältnissen zu tun haben – und das sind viel mehr Menschen als nur Pflegekinder, Pflegeeltern und Herkunftseltern. Ich möchte mich jedoch hier auf die Loyalität und Loyalitätskonflikte des Pflegekindes und der Pflegeeltern im direkten familiären Leben begrenzen.

Loyalitätskonflikte des Pflegekindes

Loyalitätskonflikte des Pflegekindes bedeuten, dass das Pflegekind loyal sein möchte, dies aber nicht kann weil die Erwachsenen um es herum seine Loyalität bewerten, nicht verstehen und anderes von ihm verlangen oder zumindest erwarten.
Loyalität zur Herkunftsfamilie unmittelbar nach der Vermittlung

Hierzu ein Auszug aus dem Referat von Dipl.Psychl. Susanne Lambeck „Kein neuer Anfang ohne Abschied“

Wenn ein Kind neu in eine Pflege- oder Adoptivfamilie kommt, treffen Abschied und Neubeginn unvermittelt aufeinander. Auf der einen Seite steht eine erwartungsfrohe, freudig erregte aufnehmende Familie, für die die Ankunft des Kindes häufig die Erfüllung eines langen Wunsches ist. Diese Familie wünscht sich nichts mehr als diesen kleinen Menschen mit Liebe zu überschütten und ihn für all das zu entschädigen, was ihm bisher widerfahren ist.

Egal wie gut die Gründe sind dem Kind eine neue Familie zu geben, so bedeutet doch der Wechsel für das Kind in der Regel zunächst Verlust und Trauer. Vor allem kleine Kinder haben keine Vergleichsmöglichkeiten und halten das, was sie bisher an Behandlung erlebt haben, für völlig normal. Sie wissen nicht, dass Kinder in anderen Familien nicht geschlagen und angeschrieen werden, dass es Erwachsene gibt, die sich um ihr leibliches Wohl sorgen. Und deshalb hängen sie an den Menschen und an der Umgebung, die ihnen vertraut ist.

Je unvorbereiteter die Herausnahme oder Umplazierung des Kindes geschehen ist, desto eher ist der plötzliche Ortswechsel für das Kind mit einem Schock verbunden. Das Kind erstarrt innerlich und weigert sich häufig, die neue Realität anzuerkennen. "Ich bin hier nur zu Besuch. Ich geh wieder zurück". Die Leugnung der Realität ist zunächst eine ganz gesunde Reaktion der Psyche, sich vor Tatsachen zu schützen, die so noch nicht zu ertragen sind. Bedrängen Sie das Kind jetzt nicht mit Richtigstellungen, sondern lassen Sie ihm die Zeit, die es braucht sich den Tatsachen stellen zu können.

Unabhängig davon, ob sie einen Säugling oder ein älteres Kind aufnehmen. Jedes Kind braucht erstmal Zeit, um das zu betrauern, was es verloren hat. Und es braucht altersgemäße Informationen über das, was passiert ist. Kinder verfügen über andere kognitive und sprachliche Fähigkeiten als Erwachsene. Deshalb trauern sie anders als Erwachsene. Trauer ist bei Erwachsenen und Kindern ein ganz individueller Prozess.

Die Trauer von Kindern verläuft weniger offensichtlich und gradlinig wie die von Erwachsenen. Rückzug, Weinen oder Aggression wechseln sich mit Phasen von Spiel und Ausgelassenheit ab, in denen man meinen könnte, die Kinder blieben von den Ereignissen ganz unberührt.

Bei Kindern (besonders im Vorschulalter und frühen Schulalter) kommt häufig die Suche nach dem Verursacher hinzu: Irgendjemand muss Schuld sein, dass alles so gekommen ist.

Im Laufe der Zeit müssen Pflegekinder sich aus ihrer starken Loyalität gegenüber ihren Herkunftseltern entbinden, um so frei zu sein für den Einstieg in eine neue Familie. Kleine Kinder erleben bei Veränderungen in ihrem Leben Verwirrung und Trauer, erst ab späterem Kindergartenalter sprechen wir von Loyalitätskonflikten, weil sich dann die Kinder schon in die Handlungen und Gefühle von anderen Menschen hineindenken können. Die Jahre zwischen dem 5. und 12. Lebensjahr sind wohl die Jahre, in denen Kinder in die intensivsten Loyalitätskonflikte kommen. Wenn die Kinder älter und jugendlich werden, verändern sich die Loyalitätskonflikte. Sie nehmen ab durch die wachsende Entscheidungs-fähigkeit, die die Kinder nun aus sich heraus entwickelt haben. Da Pflegekinder in ihrer Entwicklung oft verzögert sind, können hier auch noch ältere Kinder unter Loyalitätskonflikten leiden.

Loyalität von Versorgerkindern

Ein Versorgerkind ist meist das älteste Kind bei vernachlässigenden Eltern. Dieses Kind übernimmt die Versorgung der jüngeren Geschwister und häufig auch noch die Versorgung der Mutter und es fühlt sich verantwortlich für die Personen, die es versorgt hat. Es ist daher notwendig, diesem Kind nach der Vermittlung in einer Pflegefamilie deutlich zu vermitteln, dass es der Mutter, den Geschwistern nun gut geht, obwohl es nicht mehr selbst für Mutter und Geschwister sorgen kann. Hier könnten Besuchs-kontakte der Mutter und der Geschwister das Versorgerkind eventuell sehr entlasten. Es sieht, dass es nicht mehr versorgen muss und kann diese Verantwortung dann eher loslassen.
Sollte das Kind jedoch durch solche Besuchskontakte eher geschädigt werden, dann ist es wichtig, dass das Kind durch eine Person, der es vertraut, erfährt, wie es der Mutter, den Geschwistern genau geht.

Loyalität mit Geschwistern

Es zeigt sich zunehmend, dass Pflegekinder (auch Adoptivkinder) ein meist großes Interesse an ihren leiblichen Geschwistern haben. Dieses Interesse kann von einem einmaligen oder öfteren Kontakt bis hin zu regelmäßigen Treffen gehen. Der Kontakt mit den leiblichen Geschwistern hängt sehr stark vom individuellen Bedürfnis des Kindes und seiner Geschwister ab.

Loyalitätskonflikte der Pflegeeltern

Loyalität hat natürlich ganz viel mit uns selbst und unseren eigenen Werten und Motivationen zu tun. Loyalität ist ein Wert und eine Stärke, kann aber auch Starrheit und Gestriges bedeuten. Es ist daher wichtig, dass ich mir meiner Werte bewusst bin und sie hinterfragen kann. Es ist notwendig, nicht nur Gefühle walten zu lassen, sondern auch das Gehirn einzuschalten.

Gegenüber den Herkunftseltern

Pflegeeltern haben Herkunftseltern gegenüber keine guten Gefühle, wenn sie darüber nachdenken, was ihr Pflegekind durch diese Eltern erlitten hat – andererseits sind sie nun aber die Eltern ihres Kindes.
Loyalität gegenüber Menschen zu ermöglichen geschieht auch dadurch, dass ich versuche, eine Situation mit den Augen dieses Menschen zu betrachten. Wenn ich das bei Herkunftseltern versuche sehe ich, dass viele dieser Eltern selbst geschädigte und traumatisierte Kinder waren und auch weiterhin sehr bedürftige Menschen sind. 95 % der Eltern traumatisierter Kinder sind selbst traumatisierte Kinder gewesen. Wird mir dies bewusst, werde ich diesen Herkunftseltern gegenüber weicher – aber bleibt es nicht trotzdem dabei, dass sie meinem Pflegekind Schaden zugefügt haben?
Aus diesem Konflikt kann ich heraus kommen. Ich kann sowohl der Mutter/dem Vater meines Pflegekindes, als auch meinem Pflegekind selbst gegenüber loyal sein, wenn ich versuche, klar zwischen Tat und Täter zu unterscheiden – zwischen dem, was ein Mensch ist und dem, was er getan hat; - und wenn es mir gelingt zu akzeptieren, dass dieser Mensch für das Pflegekind wertvoll ist, weil es von ihm abstammt.
Ich kann mich durchaus loyal einer Herkunftsmutter gegenüber verhalten wenn ich sie als Person nicht herabwürdige, sie achte, aber ihre Handlungen an dem Kind verdeutliche und mich stark dafür mache, dass das Kind diese Handlungen erst einmal verkraften darf und muss. Ist es dabei auf einem guten Weg, dann kann die Mutter wieder eine Rolle spielen. Ich bin nicht gegen sie, aber ich bin vorrangig dem Kind gegenüber loyal – ihm gegenüber bin ich verantwortlich – die Mutter muss von anderen aufgefangen und begleitet werden – aber ich erkenne durchaus ihre Not und ihre Sehnsüchte. Pflegeeltern können nicht für alles und alle verantwortlich sein. Ihre Verantwortung ist das Kind nicht die Herkunftsfamilie. Loyalitätskonflikte können durch klare Aufgabenverteilung vermieden werden.

Gegenüber den eigenen Kindern

Pflegeeltern kommen in Loyalitätskonflikte zu ihren leiblichen Kindern, wenn das Pflegekind ZU problematisch ist und die Familie massiv „aufmischt“.
Hilfen:

  • VOR der Vermittlung genau hinsehen, ob das Kind zu den anderen Kindern in der Familie passt z.B. kein Pflegekind aufnehmen, welches älter ist als die eigenen Kinder
  • kein Pflegekind aufnehmen in einer momentanen schwierigen Familiensituation evtl. durch Krankheit oder Tod eines Familienmitgliedes
  • kein Pflegekind aufnehmen, wenn der Funke beim ersten Treffen nicht fliegt
  • kein Pflegekind aufnehmen, nur um der Fachkraft einen Gefallen zu tun
  • NACH der Vermittlung sich ein Netzwerk schaffen, Austauschen, Hilfen einfordern

Gegenüber dem Pflegekind

Die Loyalität zum Pflegekind kann Pflegeeltern in Konflikte mit Anderen stürzen. Finden Fremde es seltsam, dass die Pflegeeltern sooo streng zu ihrem Pflegekind sind und auf Regeln bestehen, dann kann den Pflegeeltern dies ziemlich egal sein, sind es aber Nachbarn, die die Handlungen der Pflegeeltern dem Kind gegenüber nicht nachvollziehen können, sind es die Lehrer, Trainer, Berater mit denen man ja eigentlich gut auskommen möchte, dann haben die Pflegeeltern das Gefühl, sich ständig verteidigen zu müssen. Sie können dann nur noch dem Kind gegenüber loyal empfinden und werfen alles andere über den Haufen. Hier hilft der Austausch in Gruppen und mit anderen Pflegeeltern um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen.

Letzte Aktualisierung am: 
22.09.2009