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Empfehlung der BAG LJÄ zur Kostenheranziehung junger Menschen
Beteiligte:
BAGLJA: Empfehlungen zur Kostenbeteiligung nach dem SGBVIII vom 4. Mai 2018 - Heranziehung zu den Kosten nach §§91ff.SGBVIII
8.9 Kostenbeitrag des jungen Menschen aus seinem Einkommen (§ 94 Absatz6 SGB VIII)
Die jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII haben bei vollstationärer Unterbringung ihre Einkünfte abzüglich der in § 93 Absatz2 SGB VIII vorgesehenen Beträge in Höhe von 75 % als Kostenbeitrag einzusetzen. Die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Ausgaben und ausbildungsbedingter Mehrbedarf wie z. B. Fahrtkosten zur Ausbildungsstelle/Berufsschule oder ähnliches stellen Kosten der Jugendhilfemaßnahme dar und sind vom Jugendhilfeträger zu übernehmen, wenn sie nicht durch den Arbeitgeber getragen werden. Sie sind für die Berechnung des Kostenbeitrags des jungen Menschen ohne Bedeutung.
8.9.1 Einkommenszeitraum
§ 94 Absatz6 SGB VIII ist eine eigenständige Vorschrift zur Berechnung des Kostenbeitrags des untergebrachten Personenkreises. Die Berechnung ist mit dem aktuellen monatlichen Einkommen durchzuführen. Zweckgleiche Leistungen sind gemäß § 93 Absatz1 Satz 3 SBG VIII neben einem Kostenbeitrag aus Einkommen einzusetzen.
8.9.2 Verzicht auf die Erhebung
Nach § 94 Absatz6 Satz 2 und 3 SGB VIII kann auf die Erhebung des Kostenbeitrages teilweise oder ganz verzichtet werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund steht. Ob eine Tätigkeit dem Zweck der Leistung dient, ist in jedem Einzelfall unter pädagogischen Erwägungen zu prüfen.
Die Entscheidung, ob der Beitrag reduziert oder ganz auf die Erhebung verzichtet wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des hilfegewährenden Jugendhilfeträgers.
9.3 Festlegung des Kostenbeitrags
Härtefallregelung
Eine Härtefallprüfung nach § 92Absatz5 Satz 1 SGB VIII ist regelmäßig durchzuführen. Sie soll u. a. sicherstellen, dass die Motivation für eine Ausbildung erhalten bleibt. So kann z.B. das Einkommen aus einem Ferienjob im Einzelfall unberücksichtigt bleiben.
Stellungnahme am 18. Juni 2018 von PFAD Bundesverband der Pflege– und Adoptivfamilien e.V. zu den Empfehlungen der BAG LJÄ vom 04. Mai 2018
Die Empfehlung der BAG LJÄ zur Kostenheranziehung junger Menschen widerspricht teilweise geltendem Recht.
Die Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter von 04.05.2018 widerspricht in Punkt 8.9.1 Einkommenszeitraum (S. 34) geltendem Recht. Seit 03.12.2013 gilt mit dem KJVVG eine eindeutige Klarstellung zum anzusetzenden Einkommenszeitraum. In mehreren Urteilen, wie
- Urteil des OVG Cottbus VG K 568/16 vom 03.02.2017
- Urteil des VG Berlin VG 18 K 443.14 vom 05.03.2015
sowie im Rechtsgutachten (DIJuF SN_2017_0557 Kr vom 22.08.2017) und Rechtskommentar Hauck, Erich Schmidt Verlag (Stähr zu § 94 III Nr.8 RN 29) wird eindeutig klargestellt, dass der zu Grunde zu legende Einkommenszeitraum sich aus § 93 Absatz 4 SGB VIII ergibt. Demzufolge ist diese Vorschrift auch bei der Kostenheranziehung für junge Menschen und Leistungsberechtigte (§ 94 Absatz 6, SGB VIII) anzuwenden.
Die genannten Urteile sowie Rechtsgutachten und Rechtskommentar beziehen sich auf die Begründung des Gesetzesentwurfes (BT-Drs. 17/13023, S. 10 f., 14 f.) Aus diesem geht hervor, dass um die Unsicherheiten der Praxis - also der Jugendämter - bei der Einkommensberechnung zu begegnen, dem § 93 der neue Absatz 4 hinzugefügt wurde. Dieser dient der Klarstellung, welcher Zeit-raum für die Berechnung des Einkommens zu betrachten ist (VG K 568/16 ; VG 18 K 443.14, Stähr):
„Aus einem Jahreseinkommen ist das durchschnittliche Monatseinkommen zu ermitteln. … Grundsätzlich wird das durchschnittliche Monatseinkommen des Kalenderjahres berechnet, das dem jeweiligen Kalenderjahr der Leistung oder Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe vorangeht.“ (BT-Dr. 17/13023 S. 14/15)
Die Auffassung der BAG LJÄ, dass „§ 94 Absatz 6 SGB VIII eine eigenständige Vorschrift zur Berechnung des Kostenbeitrags des untergebrachten Personen-kreises“ sei, gibt keine Basis, rechtswidrig das aktuelle monatliche Nettoein-kommen als Berechnungsgrundlage anzusetzen. Denn: „§ 94 Abs. 6 SGB VIII bestimmt keine ausdrückliche Ausnahme von dem allgemein gesetzlich be-stimmten Einkommensbegriff in § 93 Abs. 4 SGB VIII.“ (VG 18 K 443.14)
Wir wissen, dass viele Kommunen finanzielle Probleme haben. Dass aber aus-gerechnet junge Menschen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder Pflegefa-milien leben, die Kassen der Kommunen füllen sollen, ist nicht nachvollziehbar. Auf Bundesebene wird aktuell intensiv diskutiert, wie Kinderarmut zu verhindern ist. Eine berufliche Ausbildung bildet eine wesentliche Grundlage, um später auf eigenen Füßen stehen zu können. Junge Menschen, die nicht die Unterstützung ihrer biologischen Familien haben, brauchen umso mehr die Hilfe und Anerkennung durch die Behörden, um nicht das Armutsrisiko ihrer biologischen Familien fortzuführen.