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05.03.2021
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Unbekannte Vormundschaft - Statistikmängel und Forschungsbedarfe

Eine Studie des "Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft" und der IGFH - durchgeführt von ISA-Institut für Soziale Arbeit. Die Studie beginnt mit dem Satz "Über kein anderes Feld der Kinder- und Jugendhilfe ist womöglich so wenig bekannt, wie über das Handlungsfeld der Vormundschaft und Pflegschaft". Um dies zu ändern beschreibt die Studie die Ist-Situation der Vormundschaft und Pflegschaft, die Mängel in der Statistik und Ideen für die zukünftige Entwicklung in Forschung und Praxis.

Auszüge aus der Einleitung der Studie

Über kein anderes Feld der Kinder- und Jugendhilfe ist womöglich so wenig bekannt, wie über das Handlungsfeld der Vormundschaft und Pflegschaft. Es gibt Lücken bei den amtlichen Statistiken und es fehlt an quantitativen und qualitativen empirischen Untersuchungen. Forschung zu Themen der Vormundschaft und Pflegschaft hat für die Kinder- und Jugendhilfeforschung momentan allenfalls eine randständige Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft, in Projektträgerschaft der internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V., die vorliegende Expertise in Auftrag gegeben. Mit Hilfe dieser Expertise sollen Wissensbedarfe identifiziert werden, die für die Weiterentwicklung der Vormundschaft und Pflegschaft bedeutsam sein können.

Hieraus ergeben sich einerseits konkrete Empfehlungen für die Weiterentwicklung bestehender Datenerhebungen – Stichwort amtliche Statistik – und können andererseits Fragestellungen und Themen für zukünftige Untersuchungen zum Bereich Vormundschaft und Pflegschaft herausgearbeitet werden. Die Relevanz dieser Fragestellung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass in den letzten Jahren einschneidende Veränderungen im Handlungsfeld der Vormundschaft und Pflegschaft stattgefunden haben und weitere Veränderungen anstehen.

So hat das Gesetz zur Änderung des Vormundschaftsund Betreuungsrechts in 2011 bereits entscheidende Weichen gestellt und die Personensorge in den Fokus gerückt. Die Verantwortung des Vormunds/der Vormundin für die Begleitung und Förderung der Kinder und Jugendlichen wurde gestärkt. Kindern und Jugendlichen wurde zudem eine deutlichere Subjektstellung eingeräumt. So sind sie seither anzuhören bei der Auswahl des Vormunds/der Vormundin und Kontakte zum Vormund/zur Vormundin sollten in der Regel einmal monatlich stattfinden. Ferner wurden personelle Ressourcen für die Vormundschaft und Pflegschaft verbessert, beispielsweise durch die Festlegung einer Obergrenze von 50 Fällen pro Vollzeitstelle  

Im Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Reform des Vormundschaftsrechts“ des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vom 25.09.2020 sind weitere Änderungen und Anpassungen für die so genannte „große Vormundschaftsreform“ vorgesehen, von denen viele schon im 2. Diskussionsteilentwurf des BMJV angekündigt waren.

Das Bundesforum Vormundschaft und Pflegschaft hatte bereits in seiner Stellungnahme zum 2. Diskussionsteilentwurf des BMJV als begrüßenswert besonders herausgestellt:

  • „die Stärkung der Subjektstellung der Kinder und Jugendlichen durch die Zuerkennung von eigenständigen Rechten, die explizitere Betonung der vormundschaftlichen Pflichten zur Beteiligung der Kinder und Jugendlichen und Anerkennung von deren wachsender Selbstständigkeit und Autonomie. 
  • die Stärkung des Kooperationsgedankens zwischen Vormund*innen/Pfleger*innen einerseits und Erziehungspersonen andererseits sowie – mit gewissen Einschränkungen - die Einführung eines Spektrums von Möglichkeiten des geteilten Sorgerechts.“ .

Zudem ist – u.a. auch auf Anregung des Bundesforums – in den Regierungsentwurf zur Vormundschaftsreform eine Regelung aufgenommen worden, nach der Vormunde/Vormundinnen auch die Beziehung zwischen Kind und Eltern bei ihrer Amtsführung zu berücksichtigen haben.

Damit sich das Handlungsfeld der Vormundschaft und Pflegschaft den Aufträgen des Gesetzgebers entsprechend weiterentwickeln kann, braucht es jedoch eine fundierte Wissensbasis inklusive valider und reliabler (amtlicher) Statistiken, aber auch darüber hinaus einer empirischen Forschungskultur, die die gängigen Methoden sozialwissenschaftlicher Erhebungen umfasst.

Vor diesem Hintergrund soll im vorliegenden Bericht die Frage beantwortet werden: Welche Daten fehlen im Handlungsfeld Vormundschaft und Pflegschaft, um qualifizierte Aussagen für die Gestaltung einer positiven Entwicklung des Handlungsfelds machen zu können?

Nach einer kurzen Darstellung der Datenlage zum Bereich Vormundschaft und Pflegschaft, die einerseits auf die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik und andererseits auf Veröffentlichungen eingeht, die Hinweise auf Wissensbedarfe liefern, folgt die Darstellung eines Gruppeninterviews mit Experten/Expertinnen aus dem Feld zu aus deren Perspektive bestehenden Wissenslücken im Bereich der Vormundschaft. Die in diesen Schritten erarbeiteten Themenstellungen werden diskutiert und Empfehlungen für ein weiteres Vorgehen formuliert.

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