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Begriffserklärung

Was ist "öffentliche" oder "freie" Jugendhilfe?

Leistungen und Tätigkeiten im Rahmen der Jugendhilfe - z.B. der Pflege- und Adoptivkinderhilfe - werden durch eine Vielfalt von Trägern erbracht. Gesetzliche Leistungsverpflichtungen richten sich an den 'öffentlichen' Träger der Jugendhilfe, andere Aufgaben werden sowohl vom öffentlichen Träger (Jugendamt) als auch von 'freien' Trägern der Jugendhilfe wahrgenommen.

Rechtliche Grundlagen zur Arbeit von öffentlichen und freien Trägern 

SGB VIII § 3 Freie und öffentliche Jugendhilfe

(1) Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen.

(2) Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Leistungsverpflichtungen, die durch dieses Buch begründet werden, richten sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe werden von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Ausführung betraut werden.

SGB VIII § 4 Zusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfe

(1) Die öffentliche Jugendhilfe soll mit der freien Jugendhilfe zum Wohl junger Menschen und ihrer Familien partnerschaftlich zusammenarbeiten. Sie hat dabei die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten.

(2) Soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können, soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen.

(3) Die öffentliche Jugendhilfe soll die freie Jugendhilfe nach Maßgabe dieses Buches fördern und dabei die Beteiligung von Kindern, Jugendlichen und Eltern stärken.

Die Aufgaben der Träger der Jugendhilfe richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben und den Bedarfen der Leistungsberechtigten. Wenn Träger der freien Jugendhilfe geeignete Angebote machen, dann soll die öffentliche Jugendhilfe davon absehen, ebensolche Angebote zu entwickeln. Die öffentliche Jugendhilfe soll in solchen Bereichen dann "subsidiär" bleiben, also nur den Freien Trägern unterstützend zur Seite stehen. Dieses Subsidiaritätsprinzip ist ein wesentlicher Bestandteil der Jugendhilfe in Deutschland. 

Wir unterscheiden zwei Arten von Trägern:

1. Öffentliche Träger der Jugendhilfe

Öffentliche Jugendhilfe ist ein Teil der staatlichen Leistungsverwaltung. Die Leistungen und Aufgaben einer staatlichen Verwaltung sind durch verschiedene Fachbehörden zu erfüllen. Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind die Jugendämter auf kommunaler Ebene und die Landesjugendämter auf der Ebene eines Bundeslandes. 

Eine Behörde braucht für ihr Handeln immer eine aktuelle und verständliche Rechtsgrundlage. Behörden können also nur in dem Umfang und in der Weise tätig werden, wozu sie durch entsprechende Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen) ermächtigt sind. 

2. Freie Träger der Jugendhilfe

Freie Träger können sein:

  • ein gemeinnütziger Verein,
  • eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) 
  • eine Stiftung des bürgerlichen Rechts.
  • Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts 
  • sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege

Die Kirchen und die Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind kraft Gesetzes Freie Träger und bedürfen keiner behördliche Anerkennung.

Alle anderen Freien Träger müssen gemäß § 75 SGB VIII bei der öffentlichen Jugendhilfe einen Antrag auf Anerkennung stellen. 

SGB VIII § 75 Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe

(1) Als Träger der freien Jugendhilfe können juristische Personen und Personenvereinigungen anerkannt werden, wenn sie

1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 tätig sind,

2. gemeinnützige Ziele verfolgen,

3. auf Grund der fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande sind, und

4. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten.

(2) Einen Anspruch auf Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe hat unter den Voraussetzungen des Absatzes 1, wer auf dem Gebiet der Jugendhilfe mindestens drei Jahre tätig gewesen ist.

(3) Die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind anerkannte Träger der freien Jugendhilfe.

Im Rahmen der im § 75 beschriebenen Voraussetzungen können demnach auch Vereine und Verbände der Adoptiv- und Pflegeeltern Träger der freien Jugendhilfe werden, denn gerade hier kann erwartet werden, "dass sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande sind".

Freie Träger in der Adoptiv- und Pflegekinderhilfe

Die freien Träger in der Adoptiv- und Pflegekinderhilfe können keine hoheitlichen Aufgaben erfüllen. Hoheitliche Aufgaben sind Leistungen des Staates und obliegen ausschließlich den Behörden. Die Vermittlung des Pflegekindes selbst ist eine hoheitliche Aufgabe, da nun eine Leistungsverpflichtung entsteht und kann daher nur durch ein Jugendamt abgeschlossen werden. Ebenso können Bescheide z.B. zum Pflegegeld nur durch das Jugendamt erfolgen. 

In allen anderen Bereichen sind neben den Jugendämtern auch die Freien Träger aktiv. Sie werben Pflegeeltern, bereiten Pflegeeltern vor, beraten und begleiten die Pflegefamilien nach der Vermittlung und sind meist auch mit der Herkunftsfamilie des Kindes in Kontakt. Freie Träger bieten darüber hinaus Fortbildungen an ebenso wie Gruppentreffen und Freizeiten. Sie begleiten und beraten ihre Pflegefamilien engmaschig besonders auch in Krisensituationen. Sie bereiten die Hilfeplangespräche vor und nehmen daran teil. Sie beraten und betreuen bei Besuchskontakten und planen mit den Pflegeeltern Vorgehen und Hilfen z.B. in schulischen, gesundheitlichen oder familiären Angelegenheiten.

Freie Träger sind in den Bundesländern sehr unterschiedlich verteilt. Meist wird die Arbeit im Bereich der Pflegekinderhilfe durch die Pflegekinderdienste der Jugendämter erledigt. In NRW z.B. gibt es eine Vielzahl Freier Träger, die im Bereich der Pflegekinderhilfe tätig sind. Hier besonders im Rahmen der Vollzeitpflege nach dem § 33 Satz 2: "für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen". Die Pflegeeltern, die diese Kinder aufnehmen, haben eine pädagogische Ausbildung, um mit den Bedarfen der Kinder im Alltag in geigneter Weise umgehen zu können. Meist werden diese Pflegestellen "Erziehungsstellen" genannt. Da diese Bezeichnung aber nicht geschützt ist, gibt es auch andere Bezeichungen.Die öffentlichen Träger schaffen für diese Unterbringungsmöglichkeit bessere Bedingungen durch erhöhtes Pflegegeld und angemessene Entgelte an die Freien Träger zur besonderen, an den Bedarfen der Kinder orientierten Beratung und Betreuung. 

In wenigen Kommunen gibt es keine speziellen Pflegekinderdienste im umfassenden Sinne. Hier wurden alle Aufgaben der Pflegekinderkinderhilfe aufgeteilt in

* die hoheitlichen Aufgaben, die beim Jugendamt verblieben und dort nun häufig vom Allgemeinen Sozialen Dienst mit erledigt werden - oder

* alle weiteren Aufgaben, die vom Jugendamt auf einen oder mehrere Freie Träger der Jugendhilfe delegiert wurden und von diesen übernommen wurde. 

Die Stadt Bremen hat hier vor einigen Jahren eine derartige Aufteilung geschaffen. 

Auch im Bereich der Auslandsadoptionen sind Freie Träger tätig. 

Eine Vielzahl der Vereine der Pflege- und Adoptivfamilien sind ebenfalls als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Auf Ebene der Bundesländer und des Bundes sind Verbände der Pflege- und Adoptivfamilien tätig, die ebenfalls alle Freie Träger sind. 

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Fachartikel

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Bedeutung der Pflegeelternvereine / Initiativen

Wie in allen Bereichen unserer Gesellschaft wird es auch in der Pflegekinderhilfe zunehmend schwieriger, Personen für den ehrenamtlichen Bereich in der Betroffenenhilfe zu finden. Pflegeeltern scheuen sich, in Organisationen tätig zu werden - auf örtlicher oder überörtlicher Ebene. Aber wie soll es zu guten Rahmenbedingungen in der Pflegekinderhilfe kommen, wenn die Betroffenen selbst - die Pflegeeltern - sich nicht äußern, sich nicht selbst helfen, nicht den Mund aufmachen, wenig Haltung zeigen, mutlos sind? Der Austausch in den sozialen Medien mag dem Einzelnen helfen - aber verändern, verbessern, das Pflegekinderwesen örtlich und politisch beeinflussen: das geht nur über öffentliches Tun.
Letzte Aktualisierung am: 
26.10.2023

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