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11.11.2022
Politik

Abschaffung der Kostenheranziehung junger Menschen

Der Bundestag beschloss in der Nacht einstimmig die Abschaffung der sogenannten „Kostenheranziehung“ für die Jugendhilfe. Diese Regelung gilt auch für jungen Menschen, die Berufsausbildungsbeihilfen und Ausbildungsgeld anderer Sozialleistungsträger enthalten. Der Bundesrat beschafft sich mit der Gesetzesänderung im Dezember 2022. Wenn er zustimmt, tritt das Gesetz am 1. Januar 2023 in Kraft.
In der Beschlussvorlage heißt es:

Auszüge:

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe sieht nunmehr vor, die Kostenheranziehung von Heim- und Pflegekindern, Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII sowie für ihre Ehegatten und Lebenspartner aufzuheben, damit diejenigen vollständig über das Einkommen verfügen können. Unverändert soll die Regelung des § 39 Absatz 2 SGB VIII bleiben, nach der das Leistungsspektrum auch ein angemessenes Taschengeld umfasst.

Die Anhörung von Expertinnen und Experten im parlamentarischen Verfahren zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe hat ergeben, dass die bereits mit dem KJSG vorgenommene umfangreiche Absenkung der Kostenheranziehung nicht ausreichend war. Noch immer sei es kontraproduktiv, wenn diese jungen Menschen einen Teil ihres Einkommens abgeben müssen, da sie ihre Ziele schwerer erreichen könnten; dies könne ihrer Motivation entgegenstehen. Gerade im Vergleich zu Gleichaltrigen, die nicht im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe stationär untergebracht sind, könnten sie sich dadurch zusätzlich benachteiligt fühlen. In Abwägung aller Argumente ist es daher folgerichtig, die Kostenheranziehung aus Einkommen von jungen Menschen, die in einer Pflegefamilie oder einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform der Kinder- und Jugendhilfe leben, abzuschaffen.

Mit dem Gesetzentwurf besteht nunmehr allerdings eine Ungleichbehandlung junger Menschen, die in Maßnahmen gemäß § 13 Absatz 3 SGB VIII untergebracht sind. Dasselbe gilt für junge Menschen mit Behinderungen, die Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III erhalten, sowie für junge Menschen, die Berufsausbildungsbeihilfe gemäß §§ 56 ff. SGB III beziehen. Diese Leistungen werden in der Regel als zweckgleiche Leistung gemäß § 93 Absatz 1 Satz 3 SGB VIII vereinnahmt, sodass die jungen Menschen im Ergebnis keine finanzielle Anerkennung aus ihrer Tätigkeit erhalten. Diese jungen Menschen sind in gleicher Weise wie die vom Gesetzentwurf erfassten jungen Menschen zu entlasten. 

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. die aufgrund des vorliegenden Gesetzentwurfs bestehende Ungleichbehandlung junger Menschen, die in Maßnahmen gemäß § 13 Absatz 3 SGB VIII untergebracht sind sowie für junge Menschen mit Behinderungen, die Ausbildungsgeld nach § 122 SGB III erhalten, und auch für junge Menschen, die Berufsausbildungsbeihilfe gemäß §§ 56 ff. SGB III beziehen, zu beseitigen,

2. eine Klarstellung des § 39 Absatz 2 SGB VIII dahingehend zu prüfen, dass bei Vorhandensein von entsprechendem Einkommen des jungen Menschen die Gewährung eines zusätzlichen Barbetrags (Taschengeld) entfällt, 

3. eine Evaluation über die Wirkungen des Gesetzes vorzunehmen und über das Ergebnis dieser Evaluation dem Deutschen Bundestag bis Ende 2024 Bericht zu erstatten.“ 

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Synopse zu den Änderungen durch das Gesetz zur Abschaffung der Kostenheranziehung

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Hinweis

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Kostenheranziehung junger Menschen in der Jugendhilfe – FAQ –

Immer wieder erhalten wir Nachfragen zur Kostenheranziehung junger Menschen. Trotz vieler Informationen ist die Verunsicherung zu diesem Thema noch riesengroß, weil auch weiterhin viele Jugendämter mögliche Veränderungen bisheriger Herangehensweisen ablehnen, obwohl es inzwischen klar stellende Urteile gibt. Anfang des Jahres gab es viele Äußerungen und Absichtserklärungen aus der Politik, ohne dass es Veränderungen in der Gesetzgebung gab. Alle Beteiligten warten also weiterhin gespannt auf die Reform des SGB VIII. Das Bundesnetzwerk Ombudschaft in der Kinder- und Jugendhilfe hat schon im April 2020 eine Broschüre zur Kostenheranziehung junger Menschen herausgegeben, auf die wir nochmals hinweisen möchten. Gleichzeitig finden Sie noch Links zu weiteren Informationen.
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75 Prozent-Regelung als Kostenbeitrag zur Jugendhilfe komplett infrage gestellt

1. Die drei Regierungsfraktionen in Rheinland-Pfalz drängen auf eine völlige Abschaffung der Regelung 2. Bei einer Veranstaltung mit Angela Merkel - 70 Jahre Grundgesetz / Bürgerdialog Wuppertal - wird die Bundeskanzlerin auf dieses Thema hin angesprochen (youtubefilm)