Deutsche Liga für das Kind fordert gemeinsames Aufwachsen von Kindern mit und ohne Behinderung
Auf ihrer wissenschaftlichen Jahrestagung „Jedes Kind ist anders, alle Kinder sind gleich. Inklusion ja – aber wie?“ am 21./22. Oktober in Hamburg fordert die Deutsche Liga für das Kind, Kindertageseinrichtungen und Schulen so umzubauen, dass Kinder mit und ohne Behinderung in allen Bereichen des Bildungssystems gemeinsam aufwachsen können.
Pressemitteilung der Deutschen Liga für das Kind vom 20.10.2011
„Kinder gehen zumeist ganz selbstverständlich mit Verschiedenheit um. Die Erfahrung unterschiedlicher Stärken und Schwächen stärkt ihre emotionalen und sozialen Fähigkeiten und trägt zu der so wichtigen Persönlichkeitsbildung bei. Von inklusiver Bildung profitieren alle Kinder, ganz gleich, ob sie mit einer Behinderung leben oder nicht“, sagt Prof. Dr. Franz Resch, Kinder- und Jugendpsychiater und Präsident der Deutschen Liga für das Kind. „Allerdings braucht es entsprechende Voraussetzungen. Eine behindertengerechte Ausstattung und ausreichend qualifiziertes Personal sind dafür ebenso notwendig wie die Möglichkeit zur individuellen Förderung. Jedes Kind ist anders, dieser Erkenntnis muss unser Bildungssystem Rechnung tragen.“
Während in Kindertageseinrichtungen bundesweit immerhin fast zwei Drittel der Kinder mit Beeinträchtigungen gemeinsam mit anderen spielen und lernen, ist es in der Grundschule nur noch ein Drittel. Beim Übergang in die weiterführende Schule reduziert sich dieser Anteil dann sogar auf rund 15 Prozent. Insgesamt besuchen im Bundesdurchschnitt mehr als 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen keine allgemeinen Schulen, sondern Sondereinrichtungen wie zum Beispiel eine Förderschule. Damit gehört Deutschland im internationalen Vergleich zu denjenigen Ländern mit einem besonders selektiven Bildungssystem.
Notwendig sind der zügige Umbau aller Kindertagesstätten und Schulen zu inklusiven Einrichtungen. Hierzu gehören die schrittweise Auflösung von Sonderschulen und die Hereinnahme des dort vorhandenen fachlichen Know-hows in das allgemeine Schulsystem. Außerdem müssen bauliche Änderungen vorgenommen werden, um Kindern mit Behinderungen einen diskriminierungsfreien Zugang zu ermöglichen. Besonders wichtig sind eine Qualifizierung der Pädagoginnen und Pädagogen in den bestehenden Einrichtungen und die Aufklärung der Eltern über die neuen Chancen ihrer Kinder.
Auf gesetzlicher Ebene sollten Kinder in allen Bundesländern einen individuellen Rechtsanspruch auf gemeinsames Lernen und besondere Förderung im allgemeinen Schulsystem erhalten. In Hamburg ist dies bereits der Fall. Außerdem sollte im Rahmen einer so genannten „Großen Lösung“ die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe auf alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von eventuellen seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderungen ausgedehnt werden. Dies alles wird nicht zum Nulltarif zu bekommen sein, ist aber nötig, damit wirklich von einer „Bildungsrepublik Deutschland“ für alle Kinder die Rede sein kann.
Die „Deutsche Liga für das Kind“ wurde 1977 gegründet. Sie zählt zu den führenden Verbänden in Deutschland, wenn es um den Einsatz für das Wohl und die Rechte von Kindern geht. Zu den heute mehr als 250 Mitgliedsorganisationen gehören wissenschaftliche Gesellschaften, kinderärztliche und psychologische Vereinigungen, Familien- und Jugendverbände und zahlreiche Service Clubs.
Eingebettet in die Mitgliederversammlung der IGfH im September 2021 fand eine öffentliche Fachveranstaltung zum neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) statt. Kern-Themen waren "Recht und Beteiligung von jungen Menschen und Eltern", "Inklusion", "Kinderschutz und Kooperation" sowie "Leaving Care".
Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung kommunaler Spitzenverbände, der BAG überörtlicher Sozialhilfeträger und der BAG Landesjugendämter stellte einen Zwischenbericht vor, in dem die Gruppe sich für eine große Lösung im Rahmen der Jugendhilfe ausspricht.
Das 'Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien' hat in einer Stellungnahme die Berücksichtigung der Pflegekinder im Bundesteilhabegesetz angemahnt.
Ein Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ. Seit mehr als 10 Jahren ist die VN-Behindertenrechtskonvention (VN-BRK) in Kraft. Sie verpflichtet Deutschland, sein bestehendes Hilfesystem, dessen strukturelle Barrieren und Exklusionswirkungen zu überprüfen und neu zu gestalten, so dass gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen möglich wird. Die AGJ begrüßt daher ausdrücklich die Reform des SGB VIII und die damit verbundene Zielsetzung, die Kinder- und Jugendhilfe zu einem inklusiven Leistungssystem weiterzuentwickeln und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für alle jungen Menschen zu sichern.
Neben dem langfristigen Ziel einer möglichst klaren Regelung der Zuständigkeiten sind aus Sicht des Deutschen Vereins besonders kurz- und mittelfristig Lösungen zur Verringerung der bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten erforderlich.
Heterogenitätsmerkmale und Bildungschancen von Pflegekindern
Im Pflegekinderwesen in Deutschland werden die Erfolge, Misserfolge und die besonderen Probleme von Pflegekindern im Bildungssystem bemerkenswert wenig diskutiert. Der Autor hat sich dieses Themas angenommen.
Die beiden Erziehungshilfeverbände AFET (Bundesverband für Erziehungshilfe e.V.) und die IGfH (Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V.) haben eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Thematik „Große Lösung“ eingesetzt und ein Positionspapier erarbeitet.
Die Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin fordert mehr Teilhabe für Kinder mit hohem Betreuungsbedarf. „Inklusion ist möglich.“ Politische Absichtserklärungen allein reichen aber längst nicht mehr aus. So fehlen derzeit ausreichende Mittel zur barrierefreien Gestaltung von Räumen und vor allem ausreichend qualifiziertes Personal.
Deutsche Liga für das Kind fordert gemeinsames Aufwachsen von Kindern mit und ohne Behinderung
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Pressemitteilung der Deutschen Liga für das Kind vom 20.10.2011
„Kinder gehen zumeist ganz selbstverständlich mit Verschiedenheit um. Die Erfahrung unterschiedlicher Stärken und Schwächen stärkt ihre emotionalen und sozialen Fähigkeiten und trägt zu der so wichtigen Persönlichkeitsbildung bei. Von inklusiver Bildung profitieren alle Kinder, ganz gleich, ob sie mit einer Behinderung leben oder nicht“, sagt Prof. Dr. Franz Resch, Kinder- und Jugendpsychiater und Präsident der Deutschen Liga für das Kind. „Allerdings braucht es entsprechende Voraussetzungen. Eine behindertengerechte Ausstattung und ausreichend qualifiziertes Personal sind dafür ebenso notwendig wie die Möglichkeit zur individuellen Förderung. Jedes Kind ist anders, dieser Erkenntnis muss unser Bildungssystem Rechnung tragen.“
Während in Kindertageseinrichtungen bundesweit immerhin fast zwei Drittel der Kinder mit Beeinträchtigungen gemeinsam mit anderen spielen und lernen, ist es in der Grundschule nur noch ein Drittel. Beim Übergang in die weiterführende Schule reduziert sich dieser Anteil dann sogar auf rund 15 Prozent. Insgesamt besuchen im Bundesdurchschnitt mehr als 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen keine allgemeinen Schulen, sondern Sondereinrichtungen wie zum Beispiel eine Förderschule. Damit gehört Deutschland im internationalen Vergleich zu denjenigen Ländern mit einem besonders selektiven Bildungssystem.
Notwendig sind der zügige Umbau aller Kindertagesstätten und Schulen zu inklusiven Einrichtungen. Hierzu gehören die schrittweise Auflösung von Sonderschulen und die Hereinnahme des dort vorhandenen fachlichen Know-hows in das allgemeine Schulsystem. Außerdem müssen bauliche Änderungen vorgenommen werden, um Kindern mit Behinderungen einen diskriminierungsfreien Zugang zu ermöglichen. Besonders wichtig sind eine Qualifizierung der Pädagoginnen und Pädagogen in den bestehenden Einrichtungen und die Aufklärung der Eltern über die neuen Chancen ihrer Kinder.
Auf gesetzlicher Ebene sollten Kinder in allen Bundesländern einen individuellen Rechtsanspruch auf gemeinsames Lernen und besondere Förderung im allgemeinen Schulsystem erhalten. In Hamburg ist dies bereits der Fall. Außerdem sollte im Rahmen einer so genannten „Großen Lösung“ die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe auf alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von eventuellen seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderungen ausgedehnt werden. Dies alles wird nicht zum Nulltarif zu bekommen sein, ist aber nötig, damit wirklich von einer „Bildungsrepublik Deutschland“ für alle Kinder die Rede sein kann.
Die „Deutsche Liga für das Kind“ wurde 1977 gegründet. Sie zählt zu den führenden Verbänden in Deutschland, wenn es um den Einsatz für das Wohl und die Rechte von Kindern geht. Zu den heute mehr als 250 Mitgliedsorganisationen gehören wissenschaftliche Gesellschaften, kinderärztliche und psychologische Vereinigungen, Familien- und Jugendverbände und zahlreiche Service Clubs.