Bereits Ende 2020 wurde eine Petition angegangen, in der es darum ging, FASD als eigenständige Krankheit (Behinderung) in der Versorgungs-Medizin-Verordnung (VersMedV) aufnehmen zu lassen. Diese Petition wurde vom Petitionsausschuss aufgrund einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abgelehnt. Die Beteiligten rund um die Menschen mit FASD haben diese Ablehnung nicht gutgeheißen. Nun wurde vom gemeinnützigen Verein Happy Baby International e.V., der sich intensiv mit FASD auseinandersetzt und dabei von anerkannten Fachleuten unterstützt wird, eine erneute Petition gestartet. Zur Ablehnung der ersten Petition gibt es eine Stellungnahme von Nevim Krüger, 1. Vors. Pfad-Landesverband Niedersachsen, die wir zum Verständnis des Geschehens veröffentlichen.
Die Begründung für die Ablehnung der Petition, dass nicht jede Krankheit namentlich genannt werden muss, damit ihre Defizite und Teilhabeeinschränkungen mit den vorhandenen Bedarfsermittlungsinstrumenten ausreichend erfasst werden können, verursacht genau das, was Betroffenen in der alltäglichen und gängigen Praxis in Behörden entgegenschlägt: ebenso mannigfaltige Fehldeutungen und -einschätzungen wie es mannigfaltige Auswirkungen und Komorbiditäten von FASD gibt.
Ohne eine für alle verbindliche Definition dieser Störung werden sie in ihrer Fülle nicht als eine direkte Folge der strukturellen Hirnschädigung und des dysfunktionalen ZNS gesehen, die dieser Behinderung zugrunde liegen. Besonders hervorzuheben sind hier die fehlenden bzw. stark eingeschränkten sogenannten Exekutivfunktionen, die sich nur mit dem Wissen um die typischen Merkmale von FASD richtig einschätzen lassen. Alle anderen Deutungen führen zu größtenteils falschen, lückenhaften oder uneffektiven Maßnahmen und überfordernden Zielvereinbarungen. Diese belasten nicht nur Betroffene wie Angehörige zusätzlich, sondern auch die Ressourcen der helfenden Systeme verschwenden.
Viele der Folgen von FASD können durch eine annehmende, wissende und eine der Behinderung angemessene Unterstützung abgemildert werden. Leider führt das immer wieder dazu, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit FASD, denen dieses Glück zuteil wird, dann allerdings die Behinderung abgesprochen bzw. der Grad einer Behinderung zu gering eingeschätzt wird. Ein junger Erwachsener, der eine gute und stark unterstützende Anbindung an sein Elternhaus (Pflege- oder Adoptivfamilien/Bezugsperson) hat, erscheint nicht unbedingt hilflos. Fällt dieses tragende Gerüst auch nur kurz weg, wird die Hilflosigkeit sofort erlebbar. Sie führt relativ schnell zu zahlreichen Problemen bei der alltäglichen Lebensbewältigung, bis hin zum kompletten sozialen Absturz. Die relative Stabilität unter oft sehr aufwändiger familiärer Unterstützung ist also trügerisch.
FASD braucht unbedingt eine grundsätzliche Anerkennung als Behinderung aus folgenden Gründen:
Die Behinderung, die 1.000 Gesichter hat, und meist nur mit ein bis zwei Hauptsymptome als Spitze des Eisberges gesehen wird, muss behandelt und anerkannt werden.
Auch die Diagnosen pFASD und ARND müssen dringend als Behinderung mit einem Grad von mindestens 50 anerkannt und verankert werden, da gerade diese Menschen aufgrund der fehlenden äußerlichen Merkmale viel zu oft durchs Raster fallen. Außerdem drohen ihnen sowie den Bezugspersonen häufig Überforderungen und Fehldeutungen mit teilweise katastrophalen Folgen (Herausnahme der Kinder aus Familien, Einstellung der Hilfen usw., Fehldiagnosen besonders im psychiatrischen Bereich).
Wenn es eine grundsätzliche Anerkennung von FASD als Behinderung gibt, entfällt eine der größten Hürden in der Genehmigung und Gewährung von den so dringend nötigen Hilfen. Es würde somit auch eine konkrete Notwendigkeit des Wissens und der Fortbildung/Qualifizierung zu diesem Syndrom entstehen. Die müßigen Antrags- und Widerspruchsverfahren, mit wiederum katastrophalen Folgen, sollten diese negativ entschieden werden, würde es nicht mehr geben. Die von FASD betroffenen Menschen würden einen selbstverständlichen Zugang zu Hilfen zur Teilhabe erhalten. Das hätte positiv zur Folge, dass weder sie selbst noch ihr Bezugssystem einer Abhängigkeit von Wissensständen und der daraus resultierenden Willkür einzelner Sachbearbeiter in den Versorgungsämtern unterlägen.
Unserer Auffassung nach ist es geradezu unwürdig für Menschen mit FASD, immer wieder beweisen zu müssen, dass sie durch den vorgeburtlichen Alkoholkonsum eine Behinderung erlangt haben.
Allein die ewigen Kämpfe und Erklärungen behindern die Menschen noch zusätzlich und verursachen weitere Schäden der meistens sehr fragilen psychischen Gesundheit.
Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Vorsitzende des Landesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien erlebe ich seit Jahren täglich die Auswirkungen, die die Fehldeutung und die fehlende Akzeptanz der Behinderung von FASD auf die Betroffenen und deren Bezugspersonen haben. Der ohnehin schon schwer zu gestaltendem Alltag wird somit nur noch mehr belastet; Hilfen sind nie sicher und immer hängt die latente Ablehnung oder Fehleinschätzung als Damoklesschwert über den Betroffenen und ihren Angehörigen.
Die Menschen mit FASD brauchen Akzeptanz, Kontinuität und ein wissendes Umfeld, um ein würdiges Leben führen zu können. Die fehlenden bzw. stark eingeschränkten Exekutivfunktionen und die große Hilflosigkeit, wenn sie allein auf sich gestellt sind/wären, müssen durch eindeutige Definition eine für alle verbindliche Anerkennung erhalten.
Wir fordern die Verankerung von FASD in der VersMedV.
Der gemeinnützige Verein HAPPY BABY INTERNATIONAL e.V., hat die Kampagne HAPPY BABY NO ALCOHOL ins Leben gerufen und kämpft für eine bundesweite Anerkennung, dass fetale Alkoholschäden als Behinderung gelten. Bisher gilt das Fetale Alkoholsyndrom (FASD) nicht als Behinderung, ist nicht in der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) gelistet. Der Verein hat eine Petition gestartet und bittet um Ihre Unterschrift.
Wie kann gute Kommunikation in Bezug auf FASD gelingen und was kann sie schlimmstenfalls vermeiden? Pflegeeltern machen die Erfahrung, dass ihre Kommunikation mit den anderen Beteiligten der Pflegekinderhilfe gerade in Bezug auf FASD als schwierig empfunden wird. Sie kennen es gar nicht anders, als dass sie Verhaltensweisen, Benehmen und Emotionen ihrer Kinder/Jugendliche immer und immer wieder erklären und darlegen müssen, damit die Gesprächspartner das Kind verstehen, die Situation der Pflegefamilie erkennen und die Handlungen der Pflegeeltern akzeptieren können.
Wenn Menschen, die bisher nicht viel von Pflegefamilien gewusst haben, den Berichten von Pflegeeltern zuhören, kommt häufig der Kommentar: "Ich könnte das ja nicht...!" Eine Pflegemutter und Vorsitzende eines Landesverbandes, die das schon soooo oft gehört hat, beschreibt die zwiespältigen Gefühle, die bei diesem Satz in ihr hochkommen.
Laut Drogenbericht der Bundesdrogenbeauftragten von 2019 werden jährlich 10.000 – 20.000 Kinder mit Alkoholschäden in Deutschland geboren. Diese Anzahl ist erschreckend und leider nur die Spitze des Eisberges. Ein großer Teil der betroffenen diagnostizierten Kinder wächst in Pflegefamilien auf. In Bezug auf diese Behinderung gibt es noch immer großen Nachholbedarf an Konzepten für den Umgang dieser Pflegeverhältnisse.
Landesverband für Pflege- und Adoptivfamilien Pfad Niedersachsen e. V., Apfel e. V. und die Hochschule Emden-Leer boten gemeinsam eine Vorlesungsreihe für StudentInnen sowie einen abschließenden Fachtag „Gerichtsbarkeit in der Kinder- und Jugendhilfe - Kindgerechte Justiz“ an der Hochschule Emden-Leer in Emden mit vollem Erfolg an.
Wie ist es, ein Pflegekind in die Selbstständigkeit zu entlassen? Wer entscheidet eigentlich über den richtigen Zeitpunkt und warum wird gerade von Pflegekindern erwartet, dass sie mit ihrem 18. Geburtstag auch tatsächlich erwachsen sind? Wie stehen die Chancen für behinderte Pflegekinder, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden?
PFAD-Niedersachsen e.V. engagiert sich umfassend im Bereich FASD in der Pflegekinderhilfe. Fortbildungen des Verbandes - auch gemeinsam mit Jugendämtern -, Beratungen und Begleitung von Pflegeeltern, die ein Pflegekind mit FASD haben oder aufnehmen wollen, - Schulung von Lehrern, Erziehern und Fachkräften - sowie Zusammenarbeit mit anderen Fachkundigen und Institutionen führten dazu, dass FASD langsam vom unbekannten Syndrom zu einem Teil der Realität im Leben von Pflegefamilien wurde.
Von moralischer Überlegenheit und Stigmatisierung!
Erfreulicherweise rückt das Thema FASD immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit. Natürlich wir dabei auch immer bewusster, dass FASD durch den vorgeburtlichen Konsum von Alkohol entsteht und das ungeborene Kind dadurch schwer geschädigt werden kann. Trotzdem - die Mütter sind zwar die Verursacher der Behinderung, aber sie sind nicht das ursächliche Problem.
von:
Petition: FASD muss anerkannte Behinderung werden
Themen:
Die Begründung für die Ablehnung der Petition, dass nicht jede Krankheit namentlich genannt werden muss, damit ihre Defizite und Teilhabeeinschränkungen mit den vorhandenen Bedarfsermittlungsinstrumenten ausreichend erfasst werden können, verursacht genau das, was Betroffenen in der alltäglichen und gängigen Praxis in Behörden entgegenschlägt: ebenso mannigfaltige Fehldeutungen und -einschätzungen wie es mannigfaltige Auswirkungen und Komorbiditäten von FASD gibt.
Ohne eine für alle verbindliche Definition dieser Störung werden sie in ihrer Fülle nicht als eine direkte Folge der strukturellen Hirnschädigung und des dysfunktionalen ZNS gesehen, die dieser Behinderung zugrunde liegen. Besonders hervorzuheben sind hier die fehlenden bzw. stark eingeschränkten sogenannten Exekutivfunktionen, die sich nur mit dem Wissen um die typischen Merkmale von FASD richtig einschätzen lassen. Alle anderen Deutungen führen zu größtenteils falschen, lückenhaften oder uneffektiven Maßnahmen und überfordernden Zielvereinbarungen. Diese belasten nicht nur Betroffene wie Angehörige zusätzlich, sondern auch die Ressourcen der helfenden Systeme verschwenden.
Viele der Folgen von FASD können durch eine annehmende, wissende und eine der Behinderung angemessene Unterstützung abgemildert werden. Leider führt das immer wieder dazu, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit FASD, denen dieses Glück zuteil wird, dann allerdings die Behinderung abgesprochen bzw. der Grad einer Behinderung zu gering eingeschätzt wird. Ein junger Erwachsener, der eine gute und stark unterstützende Anbindung an sein Elternhaus (Pflege- oder Adoptivfamilien/Bezugsperson) hat, erscheint nicht unbedingt hilflos. Fällt dieses tragende Gerüst auch nur kurz weg, wird die Hilflosigkeit sofort erlebbar. Sie führt relativ schnell zu zahlreichen Problemen bei der alltäglichen Lebensbewältigung, bis hin zum kompletten sozialen Absturz. Die relative Stabilität unter oft sehr aufwändiger familiärer Unterstützung ist also trügerisch.
FASD braucht unbedingt eine grundsätzliche Anerkennung als Behinderung aus folgenden Gründen:
Die Behinderung, die 1.000 Gesichter hat, und meist nur mit ein bis zwei Hauptsymptome als Spitze des Eisberges gesehen wird, muss behandelt und anerkannt werden.
Auch die Diagnosen pFASD und ARND müssen dringend als Behinderung mit einem Grad von mindestens 50 anerkannt und verankert werden, da gerade diese Menschen aufgrund der fehlenden äußerlichen Merkmale viel zu oft durchs Raster fallen. Außerdem drohen ihnen sowie den Bezugspersonen häufig Überforderungen und Fehldeutungen mit teilweise katastrophalen Folgen (Herausnahme der Kinder aus Familien, Einstellung der Hilfen usw., Fehldiagnosen besonders im psychiatrischen Bereich).
Wenn es eine grundsätzliche Anerkennung von FASD als Behinderung gibt, entfällt eine der größten Hürden in der Genehmigung und Gewährung von den so dringend nötigen Hilfen. Es würde somit auch eine konkrete Notwendigkeit des Wissens und der Fortbildung/Qualifizierung zu diesem Syndrom entstehen. Die müßigen Antrags- und Widerspruchsverfahren, mit wiederum katastrophalen Folgen, sollten diese negativ entschieden werden, würde es nicht mehr geben. Die von FASD betroffenen Menschen würden einen selbstverständlichen Zugang zu Hilfen zur Teilhabe erhalten. Das hätte positiv zur Folge, dass weder sie selbst noch ihr Bezugssystem einer Abhängigkeit von Wissensständen und der daraus resultierenden Willkür einzelner Sachbearbeiter in den Versorgungsämtern unterlägen.
Unserer Auffassung nach ist es geradezu unwürdig für Menschen mit FASD, immer wieder beweisen zu müssen, dass sie durch den vorgeburtlichen Alkoholkonsum eine Behinderung erlangt haben.
Allein die ewigen Kämpfe und Erklärungen behindern die Menschen noch zusätzlich und verursachen weitere Schäden der meistens sehr fragilen psychischen Gesundheit.
Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Vorsitzende des Landesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien erlebe ich seit Jahren täglich die Auswirkungen, die die Fehldeutung und die fehlende Akzeptanz der Behinderung von FASD auf die Betroffenen und deren Bezugspersonen haben. Der ohnehin schon schwer zu gestaltendem Alltag wird somit nur noch mehr belastet; Hilfen sind nie sicher und immer hängt die latente Ablehnung oder Fehleinschätzung als Damoklesschwert über den Betroffenen und ihren Angehörigen.
Die Menschen mit FASD brauchen Akzeptanz, Kontinuität und ein wissendes Umfeld, um ein würdiges Leben führen zu können. Die fehlenden bzw. stark eingeschränkten Exekutivfunktionen und die große Hilflosigkeit, wenn sie allein auf sich gestellt sind/wären, müssen durch eindeutige Definition eine für alle verbindliche Anerkennung erhalten.
Wir fordern die Verankerung von FASD in der VersMedV.
von:
Fetales Alkoholsyndrom muss anerkannte Behinderung werden