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18.10.2016

Zwischenruf der Erziehungshilfefachverbände zum Reformprozess des SGB VIII

Die Fachverbände AFET, IGFH, BvKE und EREV warnen vor der Umsetzung der bisherigen Arbeitsentwürfe des Bundesfamilienministeriums und sehen hier deutliche Änderungsbedarfe. Sie weisen darauf hin, dass die aktuell geplante Neuausrichtung des SGB VIII in Umfang und Auswirkung vergleichbar ist mit der gesetzlichen Einführung des SGB VIII vor 25 Jahren.

Auszug aus dem 'Zwischenruf'

Die folgenden rechtlichen Änderungen sind recht kritisch zu bewerten:

  • Der Erziehungsbegriff wird aufgegeben und durch Teilhabe und Entwicklung ersetzt, damit ist Erziehung kein eigenständiger Gegenstand mehr von Hilfeangeboten.
  • Die Eltern haben nicht länger einen eigenständigen Anspruch auf Erziehungshilfe und die Bindung ihres eingeschränkten Beratungsanspruchs an eine festgestellte Einschränkung ihrer Kinder macht Kinder zu Symptomträgern.
  • Die überreglulierte und standadisierte Hilfeplanung kommt einer Abschaffung der bisherigen Zielperspektive gleich, nämlich der Herstellung sozialpädagogischer Arbeitsbündnisse.
  • Die Formunlierung eines einheitlichen Tatgestands ist sprachlich und rechtlich verwirrend und nicht eindeutig.
  • Vorgesehene verdeckte und offene Absenkungen des Leistungsniveaus für junge Flüchtliche verstärken den Trend zu einer Zwei-Klassengesellschaft im Kinder- und Jugendhilferecht.
  • Die Finanzierungsarten, der Einstieg in Ausschreibung und Vergabe von Hilfeleistungen für Kinder unf Familien ermöglicht eine einseitige Ausrichtung an fiskalische Vorgaben, was eine Abkehr von der Tarifbindung erleichtert und Folgen für das jugenhilferechtliche Dreieck hat. Der Qualitätsrückbau der Kinder- und Jugendhilfe durch den Vorang kommunaler Finanzinteressen vor einer durch Rechtsanspruch gesicherten Hilfe darf keinesfalls zu vergleichbaren Folgen wie in der Jugendberufshilfe führen.
  • Die Abkehr von der Veranwortungsgemeinschaft öffentlicher und freier Träger durch einseitige Zuweisung von Leistungen an Träger wirkt sowohl dem Wettbewerb der Leistungsangebote als auch einer kooperativen Verantwortungsgemeinschaft entgegen.
  • Die Förderung sozialräumlicher Ansätze durch den Vorrang vor individuellen Rechtsanspruchen erreichen zu wollen, ist fachlich nicht zielführend und gefährdet die Gewährung von Einzelfallhilfe. Es geht vielmehr darum, den individuellen Fall im Feld, also in seinen sozialräumlichen Bezügen zu sehen.
  • Die zugesichte Kostenneutralität für die öffentlichen Jugendhilfeträger ist bisher nicht expliziert worden. Wir haben den Eindruck aus den Praxisgesprächen, dass die Regelungen des Arbeitsentwurfes zu deutlichen personellen Mehrbedarfen führen werden.
  • Die Einbettung des Reformvorhabens in die Verhandlungen der föderalen Finanzbeziehungen und die diskutierte Verlagerung der Kinder- und Jugendhilfe in die Länderhoheit darf den Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen, maßgebliche Werte des Grundgesetzes, wie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicherzustellen. Denn dies führt zu erhöhten Unsicherheiten für hilfesuchende Kinder und Familien in einer modernen mobilen Gesellschaft. Die inklusiv ausgerichtete Kinder- und Jugendhilfe braucht einheitliche bundesweite Regelungen

Zwischenruf der Verbände

Alle Arbeitspapiere des Bundesfamilienministeriums und alle Stellungnahmen von Experten, Trägern, Institutionen zur Reform - Stand Mitte Oktober 16