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Traumatisierungen

Die Mehrheit der Pflegekinder haben ihre bisherigen Lebenserfahrungen nicht bewältigen können. Sie wurden durch diese Lebenserfahrungen traumatisiert.

Themen:

Pflegekinder sind Kinder mit Erfahrungen von Vernachlässigung, Gewalt und Missbrauch.
Das Kind zeigt uns durch das, wie es fühlt oder eben nicht fühlt, wie es reagiert oder eben nicht reagiert, was das Leben bisher mit ihm gemacht hat. Es zeigt uns durch sein Verhalten, ob es leben oder nur existieren konnte.
Die Mehrheit der Pflegekinder haben ihre bisherigen Lebenserfahrungen nicht bewältigen können. Sie wurden durch diese Lebenserfahrungen traumatisiert.

Welche Erlebnisse können ein Trauma verursachen?

Susanne Lambeck schreibt in dem Buch "Traumatisierte Kinder in Pflegefamilien und Adoptivfamilien" (Herausgeber PAN e.V.) in "Nur" schwere Kindheit oder traumatisiert?:

"Ein seelisches Trauma wird durch Ereignisse verursacht, die plötzlich, intensiv, gewalttätig und unkontrollierbar auf einen Menschen einwirken.

Hierbei kann es sowohl ein zuviel an Reizen:

  • ein Unfall, das Miterleben eines Unfalls, große Schmerzen und Angst vor dem Tod, das Erleben von Gewalt am eigenen Körper, aber auch das hilflose Mitansehenmüssen von Gewalt gegenüber einem anderen, das Hören von Schmerzens- oder Hilferufen und man kann selbst nichts tun, die völlige Unvorhersehbarkeit eines Tagesablaufes

als auch ein zuwenig an für die Entwicklung notwendigen Reizen

  • Mangel an Nahrung und Zuwendung (wie bei schwerer Vernachlässigung üblich)

traumatisierend wirken.

Je jünger ein Mensch ist, desto weniger Möglichkeiten hat er, das, was anlässlich einer Bedrohung oder Vernachlässigung mit ihm passiert, zu kompensieren. Kinder erleben Situationen als lebensbedrohlich, die für Erwachsene harmlos scheinen.

  • Allein, hungrig und weinend in einem leeren Zimmer, niemand kümmert sich, niemand versteht, niemand hält es für wichtig zu trösten -

Ein Trauma ist ein Ereignis, dass unser Gefühl des Wohlbehagens und der Sicherheit zerstört. Kinder sind verwundbarer als Erwachsene, da sie weniger Bewältigungsmechanismen und Lebenserfahrung besitzen.

  • Für einen Säugling sind Stunden ohne Nahrung und Trost die Ewigkeit. Ein Kindergartenkind dagegen weiß, was es heißt nach dem Mittagsschlaf gibt es Essen.

Nicht die Situation an sich ist es, die traumatisierend wirkt, sondern ob die Situation die psychischen Verarbeitungsmöglichkeiten eines Menschen übersteigt. Der Grad der Beeinträchtigung nach einem Trauma wird vom Umfang traumatischer Vorerfahrungen und der unmittelbaren Reaktion der Bezugspersonen mitbestimmt.

Das Überleben eines Traumas führt sowohl zu hirnorganischen (Gehirnstrukturen) als auch zu psychologischen Veränderungen (Überzeugungen, Erwartungen, spezifischen Erinnerungen) beim betroffenen Kind.

Nach einem Trauma ist die Welt kein sicherer Ort mehr, an dem Menschen die Grenzen eines anderen respektieren, für ihn sorgen und ihn vor Verletzungen und Einsamkeit schützen. Die traumatische Situation vermittelt dem Kind falsche und destruktive Überzeugungen über sich selbst und die Welt."

Um das Pflegekind verstehen zu können, ist es wesentlich, die Lebensgeschichte dieses Kindes aus seiner Perspektive nachvollziehen zu wollen und zu können.
Zu spüren, was dieses Kind mitgemacht hat, zu verstehen, dass seine Erfahrungen es anders prägten, als optimal groß gewordene Kinder.
Kinder sind Spiegel der Erwachsenen. Vermittle ich ihnen meine Sorge, meine Liebe, mein Verständnis, vermittle ich ihnen, dass sie mir viel wert sind, dann fühlen auch sie sich wertvoll, haben Zuversicht und Vertrauen.
Vermittle ich ihnen jedoch, dass sie mir wenig bedeuten, kriege ich es nicht geregelt, ihre Grundbedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen, behandele ich sie achtlos und unwürdig, dann empfinden sie sich auch so. Dann haben sie kein Vertrauen, oft jedoch Misstrauen Erwachsenen gegenüber. Sie sind vorsichtig, und müssen alles unter Kontrolle haben um nicht überrumpelt zu werden. Sie trauen Erwachsenen nicht, glauben ihnen nicht, nehmen nichts an von ihnen.

Für Kinder, die Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch erlebt haben gilt eines ganz besonders: die körperlichen Verletzungen sind zwar schlimm, aber sie sind nicht die entscheidenden Verletzungen - bedeutsam sind die psychischen Folgen dieser Erfahrungen besonders die Enttäuschung des Vertrauens und die sich daraus ergebenden Folgen für die Beziehungsfähigkeit. Diese emotionalen Defizite wirken sich wesentlich gravierender in der Pflegefamilie aus, als die körperlichen Schädigungen.

Letzte Aktualisierung am: 
15.05.2008

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