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Verfahrensbeistand - "Anwalt" des Kindes
Themen:
In der Pflegekinderhilfe gibt es für ein Pflegekind und seine Eltern oder Pflegeeltern mehrere Möglichkeiten, in Verfahren vor einem Familiengericht involviert zu sein.
1. In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt.
Paragraf 1666 BGB beschäftigt sich mit einer möglicher Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohles des Kindes oder seines Vermögens und § 1666a BGB mit Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist und mit der Frage des Entzuges der gesamten Personensorge.
2. Wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet, oder in Verfahren, die die Herausgabe des Kindes oder eine Verbleibensanordnung zum Gegenstand haben,
Diese Punkte betreffen natürlich im hohen Maße die Pflegekinder. Sollte ein Pflegekind sich an die Menschen, bei denen es lebt, soweit gebunden haben, dass bei einer Trennung eine Kindeswohlgefährdung nicht auszuschließen ist, müssen Herausgabewünsche von Eltern an dem Wohl des Kindes gemessen werden und notfalls eine Verbleibensanordnung des Gerichtes erfolgen.
3. Wenn der Ausschluss oder eine wesentliche Beschränkung des Umgangsrechts in Betracht kommt.
Das Umgangsrecht der Kinder zu ihren Eltern und das Umgangsrecht und die Umgangspflicht der Eltern ihrem Kind gegenüber kann je nach Ausübung der Umgänge das Kind in seinem Kindeswohl gefährden. Wenn eine einvernehmliche Vereinbarung der Beteiligten nicht möglich ist, muss das Gericht auch in diesen Zusammernhängen beschliessen.
In all diesen und noch in anderen Bereich kann 'das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz stehen'.
Um das Wohl und das Interesse von Beginn an mit in die möglichen Verhandlungen einbeziehen zu können, soll der Verfahrenspfleger schon frühzeitig vom Gericht bestellt werden. Seine Aufgabe wird wie folgt beschrieben: " Der Verfahrensbeistand hat das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren. Soweit nach den Umständen des Einzelfalls ein Erfordernis besteht, kann das Gericht dem Verfahrensbeistand die zusätzliche Aufgabe übertragen, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand mitzuwirken. Das Gericht hat Art und Umfang der Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen. Der Verfahrensbeistand kann im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen."
Der Verfahrensbeistand wird durch seine Arbeit kein gesetzlicher Vertreter des Kindes. Ist das Verfahren beendet, dann ist auch seine Aufgabe beendet.
Wer kann Verfahrensbeistand sein?
Im § 158 FamFG wird verlangt, dass dem Kind ein "geeigneter" Verfahrensbeistand gegeben werden soll. Also müssen wir hier die Frage der Geeignetheit aufwerfen. Im Bundestag wurde an die Regierung eine Anfrage zur Ausbildung und Arbeit von Verfahrensbeiständen gestellt und im Juli 2020 beantwortet.
Nachfolgend einige Auszüge
In familiengerichtlichen Verfahren werden oft Entscheidungen getroffen, die weitreichende Auswirkungen auf die Lebenswege und Schicksale von Kindern und Familien haben. Neben Richtern und Gutachtern spielen hier Verfahrensbeistände eine signifikante Rolle. Der Verfahrensbeistand in familiengerichtlichen Verfahren soll als „Anwalt des Kindes“ fungieren und laut § 158 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist es seine Aufgabe, die subjektiven und objektiven Interessen des Kindes wahrzunehmen.
Allerdings gibt es keine einheitlichen Standards wie gesetzliche Anforderungen an die Qualifikation des berufsmäßigen Verfahrensbeistandes bzw. für eine Befähigung zu dieser Tätigkeit. Oft wird diese Funktion auch von Personen ausgeübt, die in anderer Weise in Familiengerichtsbarkeitsverfahren involviert sind. Es ist zudem dem Familiengericht überlassen, im Einzelfall eine geeignete Person für diese Funktion auszuwählen. Zwar verlangen Familiengerichte von Neubewerbern den Nachweis von Fortbildungen zum Verfahrensbeistand. Zwingend ist dies aber nicht.
Um die vom Gesetzgeber vorgesehene Funktion der Verfahrensbeistände als „Anwalt des Kindes“ auszuführen, sind die Fragesteller überzeugt, dass Verfahrensbeistände bestimmte Qualifikationen und Standards erfüllen müssen, um im Sinne und für das Wohl der Kinder zu handeln und ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen zu können. Hierzu gehören zum einen eine Neutralität gegenüber den Elternteilen in Familiengerichtsverfahren, zum anderen Wissen zu entwicklungspsychologischen Aspekten bei Kindern und Jugendlichen sowie eine praxisbezogene Aus- und Fortbildung in der Auswertung und Interpretation von Äußerungen und Reaktionen von Kindern und Jugendlichen als auch Kenntnisse im Familienrecht. [....]
Frage 5. Welche Personen gelten nach Kenntnisstand der Bundesregierung für geeignet, als Verfahrensbeistand zu fungieren (bitte auflisten und begründen)?
Frage 6. Gibt es Personen, die nach Kenntnisstand der Bundesregierung nicht geeignet sind als Verfahrensbeistand zu fungieren (bitte auflisten und begründen)?
Die Anwendung des Verfahrensrechts obliegt allein den unabhängigen Gerichten. Das Familiengericht hat dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist (§ 158 Absatz 1 FamFG). Das Gericht bestimmt in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens den für das Kind persönlich und fachlich geeigneten Verfahrensbeistand nach den Besonderheiten des Einzelfalls. Dementsprechend kommt als Verfahrensbeistand nicht eine bestimmte Berufsgruppe, sondern, z. B. eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter, eine Sozialpädagogin oder ein Sozialpädagoge, eine Kinderpsychologin oder ein Kinderpsychologe oder eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in Betracht. Soweit es um die persönliche Geeignetheit geht, prüft das Gericht dabei auch, ob der oder die Minderjährige zu dem in Betracht kommenden Verfahrensbeistand ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann. Dabei werden an die persönliche Eignung des Verfahrensbeistands hohe Anforderungen gestellt, um etwaige Gefährdungen für die Minderjährige oder den Minderjährigen auszuschließen. [....]
Die Bunderegierung arbeitet derzeit vor dem Hintergrund der erschütternden sexualisierten Gewalttaten gegen Kinder, die in den letzten Wochen aufgedeckt wurden, mit Hochdruck an einem Reformpaket, um den Schutz von Kindern zu verbessern. In diesem Zusammenhang sollen auch Maßnahmen ergriffen werden, um die Qualifizierung der im familiengerichtlichen Verfahren tätigen Personen zu verbessern. Dabei sollen auch konkrete Qualifikationsanforderungen für Verfahrensbeistände im Gesetz verankert werden. Hierdurch sollen den Gerichten Kriterien an die Hand gegeben werden, um noch besser gewährleisten zu können, dass nur solche Verfahrensbeistände bestellt werden, die persönlich und fachlich gut für ihre Aufgabe geeignet sind.
In dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, welches im Juni 2021 in Kraft getreten ist, wurden auch Teile des FamFG geändert. Unter anderem die Paragrafen zur Verfahrensbeistandschaft im Sinne der o.a. angeführten Stellungnahme der Bundesregierung.
In der Praxis machen sich die Verfahrensbeistände den Richtern bekannt. Jeder Richter kann den Verfahrensbeistand auswählen, den er für geeignet in diesem Verfahren ansieht. Gegen die Bestellung eines Verfahrensbeistandes kann keine Beschwerde erhoben werden. Das Gesetz stellt ausdrücklich fest, dass der Verfahrensbeistand durch seine Bestellung ein hinzugezogener Beteiligter wird. Die Position des formell Beteiligten ist eine Rechtsposition, die mit prozessualen Rechten ausgestattet ist. Der Verfahrensbeistand kann - wie auch das beteiligte Jugendamt - Prozesshandlungen vornehmen, wie Anträge stellen und Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts einlegen. Der Verfahrensbeistand wird vom Gericht vergütet.
Um das Interesse des Kindes auch gut wahrnehmen zu können, wird der Verfahrensbeistand mit den Beteiligten des Verfahrens und besonders mit dem Kind sprechen. Er sollte sich über die Lebensmöglichkeit des Pflegekindes in der Pflegefamilie ein umfassendes Bild machen und daher das Kind dort besuchen, sich mit ihm bekannt machen und mit den Pflegeeltern Kontakt aufnehmen. Da meist in den Verfahren mit Pflegekindern vom Gericht Gutachten eingeholt werden, die sich mit den Bindungen des Kindes beschäftigen, ist dies nicht die Aufgabe des Verfahrenspflegers. Für ihn steht an oberster Stelle, den Kindeswillen zu erkennen, diesen dem Gericht mitzuteilen und seine Meinung zur der Kindeswohlverträglichkeit abzugeben. Manchmal ist der Kindeswille nicht auch unbedingt das Wohl des Kindes, aber durchaus das Interesse des Kindes. Hier Abwägungen und Einschätzungen abzugeben ist hilfreich für das Gericht zur Findung einer Lösung und eines Beschlusses.
Zur Aktualisierung der rechtlichen Grundlagen der Verfahrensbeistandschaft wurde ein hier neuer Artikel im April 2022 veröffentlicht.