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Wer sollte Einzelvormund für ein Kind werden?

Rechtliches und fachliches Betrachten von Personen, die Einzelvormundschaften für ein Kind übernehmen können sind unterschiedlich. Die rechtliche Betrachtung ist eindeutig, die fachliche Betrachtung ist nicht eindeutig.

Rechtliches und fachliches Betrachten von Personen, die Einzelvormundschaften für ein Kind übernehmen können sind unterschiedlich.
Die rechtliche Betrachtung ist eindeutig, die fachliche Betrachtung ist nicht eindeutig.

Rechtliche Einschätzung des ehrenamtlichen Einzelvormundes

Rechtlich gesehen zeigt es sich, dass die Gesetzgebung drei Personenkreise als ehrenamtliche Einzelvormünder ansieht – und zwar in bevorzugter Reihenfolge:

  1. Verwandte, die geeignet sind (z.B. Großeltern)
  2. Pflegeeltern
  3. sonstige Personen

1. Verwandte als Einzelvormünder

Das Familiengericht hat nach Anhörung des Jugendamtes den Vormund auszuwählen. Hierzu heißt es in § 1779 BGB Absatz 2:

Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sind der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis des Mündels zu berücksichtigen.

Der Gesetzgeber hat die Verwandten also grundsätzlich als vorrangig angesehen, wenn auch diese für die Führung der Vormundschaft geeignet sind.

Zu dieser Frage gab es am 12.11.2009 eine deutliche Entscheidung des Oberlandgerichtes Düsseldorf, in dem es hieß:

„Dritte Personen dürfen nur dann grundsätzlich zum Vormund bestellt werden, wenn geeignete Verwandte dafür nicht vorhanden sind.“

Sie können diesen Beschluss hier nachlesen.

2. Pflegepersonen als Einzelvormünder ihrer Pflegekinder

Den Antrag auf Vormundschaftsübertragung können auch die Pflegeeltern stellen, da diese zu dem Personenkreis gehören, die ein „berechtigtes Interesse“ an der Antragstellung haben.

Das Jugendamt hat gem. § 56 Abs. 4 SGB VIII darüber hinaus jährlich zu überprüfen, ob für die Belange des Kindes die Bestellung einer Einzelperson angezeigt ist und dies dem Vormundschaftsgericht mitzuteilen.

Prof. Helga Oberloskamp sagte auf der Tagung „Rechtsverhältnisse im Pflegekinderwesen“ des Landesjugendamtes Rheinland vom 2.-3.9.2010 in Hennef dazu:

„Pflegeeltern sind in der Regel geeignet, diese Vormundschaft zu führen. Schon alleine durch die tatsächliche Ausübung der täglichen Sorge für das Kind zeigen sie, dass sie in der Lage sind, auch rechtliche Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Wesentlich ist, dass Pflegeeltern eine feste Bindung an das Pflegekind haben. Sie können auf Grund des täglichen Erlebens am Besten feststellen, was das Kind braucht.“

Beschluss des Kammergerichts vom 17.04.2001 (FamRZ 2002, 267):

„Für A. erfüllt eine Vormundschaft am Besten ihren Sinn, wenn er erlebt, dass die Person, die ihn täglich erzieht, auch rechtlich befugt ist, ihn zu erziehen. Angesichts seiner Erfahrungen in der Vergangenheit ist es von erzieherischen Vorteil, wenn die Zuordnung klar geregelt ist.“

In seinem Beschluss vom 18.02.2000 (FamRZ 2000, 445) hat das Landgericht Flensburg sich ebenfalls eindeutig positioniert:

„Das Gesetz geht in den §§ 1791 b, 1887 Abs. 1 BGB klar und eindeutig vom Vorrang der Einzelvormundschaft aus gegenüber der Vormundschaft des Jugendamtes. Die Übertragung der Vormundschaft auf die Pflegeeltern entspricht auch dem Wohle der Kinder. Die Kinder haben in ihrer frühen Jugend den Weggang der Mutter und anschließend einen Heimaufenthalt erleben müssen, bis sie zu den Pflegeeltern kamen. Das Wohl der Kinder erfordert es aus Sicht der Kammer nicht, die Vormundschaft wegen eines Umgangsrechtes der Kinder diese beim Jugendamt zu belassen.
Der Umstand, dass die Mitarbeiter des Jugendamtes in der Anbahnung und Durchführung von Besuchskontakten auf Grund ihrer Vorbildung und Erfahrung geschickter seien mögen als die Pflegeeltern, reicht nicht aus, um den Vorrang der Einzelvormundschaft vor der Amtsvormundschaft zu beseitigen. Auch hat das Jugendamt von sich aus darauf zu achten, dass Vormünder für die Erziehung und Pflege der Mündel Sorge tragen und beratend darauf hinzuwirken, dass etwaige Mängel durch den Vormund notfalls durch das Vormundschaftsgericht abgestellt werden.“

3. sonstige Personen

Sonstige Personen sind Personen, die sich in dieser Weise für Kinder einsetzen wollen.

  • Engagierte Fachkräfte,
  • Personen aus dem Umfeld des Kindes,
  • Personen die Wissen und Erfahrungen zur Lebensbereich des Kindes haben.

Alle diese Personen haben Anspruch auf Schulung und Begleitung durch das Jugendamt.

Fachliche Einschätzung des ehrenamtlichen Einzelvormundes

Welche Personen sind als Einzelvormund für ein Kind geeignet?
Neben den Pflegeeltern selbst wäre dies eine Person aus dem Lebensumfeld des Kindes, oder eine fachkundige dritte Person bei einer voraussehbaren schwierigen Führung der Vormundschaft.

Pflegeeltern als Vormund für ihr Pflegekind

Die Überlegung, welcher Vormund der geeignete für ein Pflegekind ist, muss sich ausschließlich an der Entwicklung, den Bindungen und den Bedürfnissen des Pflegekindes orientieren. Pflegemutter, Pflegevater oder auch beide Pflegeeltern sind dann als Vormund für ihr Pflegekind sinnvoll, wenn dieses Kind dauerhaft in ihrer Familie untergebracht ist. Dauerhaft bedeutet, dass es schon einige Zeit in der Pflegefamilie lebt und auch dort in Zukunft aufwachsen soll. Da die leiblichen Eltern bei Änderung der Vormundschaft angehört werden, ist es sicherlich von Vorteil, wenn sich Herkunftseltern und Pflegeeltern im Grunde herein verständigen können.

Da die Vormundschaft zu Beginn überwiegend beim Jugendamt liegt, entsteht die Frage, wann denn eine Übertragung auf den Einzelvormund sinnvoll sein würde. Wenn Pflegeeltern die Einzelvormundschaft bekommen wollen, dann wäre es ein guter Zeitpunkt an den Wechsel der Vormundschaft zwei Jahre nach der Vermittlung des Kindes in die Pflegefamilie zu denken. Dann wird sich die Dauerhaftigkeit klar herausgestellt haben und oft wechselt ja dann die Vormundschaft vom vermittelnden Jugendamt auf das dann zuständige Jugendamt am Wohnort der Pflegeeltern. In dieser Wechselphase, in der auch häufig das neu zuständige Jugendamt die Amtsvormundschaft vom bisher zuständigen Jugendamt übernimmt, wäre die Übertragung auf die Pflegeeltern als Einzelvormünder sinnvoll.

Ist eine Verständigung zwischen Herkunftseltern und Pflegeeltern aufgrund sehr unterschiedlicher Sichtweisen (z.B. zu Fragen des Umgangs oder sogar zur Frage des Dauerverbleibs) nur schwer möglich, dann sollten Pflegeeltern sich überlegen, ob sie sich eine solche Vormundschaft „antun“ wollen, oder ob die Vormundschaft nicht lieber von einer dritten Person ausgeübt werden sollte.

Die Einzelvormundschaft von Pflegeeltern für ihre Pflegekinder ist rechtlich unumstritten möglich, fachlich wird sie doch häufig diskutiert.
Es gibt Fachkräfte, die sich deutlich dagegen aussprechen bis hin zur generellen Erklärung, dass Pflegeeltern nie Einzelvormünder ihrer Pflegekinder werden sollten, da hier ein Interessenkonflikt vorliegen würde.

Diese Aussage ist aus meiner Sicht so nicht haltbar. Eine generelle Ablehnung ist nicht begründbar und entspricht möglicherweise auch der Vorstellung, dass Pflegeeltern durch die Einzelvormundschaft vielleicht zu „mächtig“ werden könnten, dass das Jugendamt nicht mehr an das Pflegekind heran kommen würde, usw. usw.

Pflegeeltern bleiben jedoch, auch wenn sie Vormund geworden sind, weiterhin Pflegeeltern im Sinne der Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII.
Es gibt also weiterhin Hilfeplanung, Beratung und Betreuung durch das Jugendamt. Sollte ein Pflegekind in der Pflegefamilie eine Kindeswohlgefährdung erleiden, kann das Jugendamt wie in jeder anderen Familie auch das Kind in Obhut nehmen und es schützen.

Trotzdem gibt es Überlegungen die dazu führen können, dass es sinnvoller ist, wenn nicht die Pflegeeltern selbst sondern eine dritte Person, - manche sagen auch eine neutrale Person - Einzelvormund werden sollte.

Dritte als Einzelvormünder

Bei der Überlegung, welcher Vormund für das Kind in seinem „besten Interesse“ ist muss das Kind in seiner Individualität, in seiner Entwicklung und seinen Möglichkeiten beachtet werden. Dies kann dazu führen, dass nicht z.B. die Pflegeeltern selbst, sondern dass sogenannte „dritte“ unabhängige Personen die Vormundschaft übernehmen sollten. Wesentlich dabei wäre, dass diese Personen wissen, was die Besonderheiten dieser Kinder in Familienpflege, Heim oder betreutem Wohnen sind. Bedeutsam auch, dass das Kind mit ihnen als Vormund einverstanden ist.
Es gibt es Lebenssituationen besonders für Pflegekinder, die in Anbetracht einer Einzelvormundschaft intensiv zu betrachten sind:

1. Traumatisierte Kinder

Pflegekinder sind Kinder mit einer oft dramatischen Vorgeschichte, die ihr Leben auch in der Zukunft weiterhin mit prägt und beeinflusst. Dies gilt besonders für traumatisierte Kinder. Die bei diesen Kindern oft vorkommende Beziehungsstörung kann in der Vorpubertät oder Pubertät zu heftigen Entwicklungen führen. Die Pflegekinder können die bis dahin ‚ausgehaltene’ Nähe einer Familie oft nicht mehr ertragen. Sie stellen sich gegen ihre Pflegeeltern bis hin zu massiven körperlichen Angriffen.

Hier kann ein Einzelvormund, der das Vertrauen des Kindes und der Pflegeeltern hat, nach gemeinsam akzeptierten Lösungen suchen.

Aus meiner Sicht ist dazu von großer Bedeutung für das Kind, wenn unterschieden wird zwischen der Tatsache, dass

  • einerseits ein gemeinsames Leben in der Familie im Alltag nicht mehr möglich ist, dass aber
  • andererseits dieses Kind und diese Pflegeeltern weiterhin Familie

sind und bleiben wollen.

Wenn Kind und Pflegeeltern sich als Familie empfinden und dieses auch weiterhin sein wollen, dann dürfen wir diese Beziehung nicht abbrechen, sondern müssen sehen, wie sich das Problem entschärfen lässt ohne die Familie grundsätzlich auseinander zu hebeln. Hier liegt kein „Versagen“ vor, hier ist eine Situation entstanden, die nach einer Lösung schreit welche sowohl die Bedürfnisse des Kindes wahrnimmt aber die Pflegeeltern nicht auf die Anklagebank setzt.

In einer solchen Situation ist ein Einzelvormund jemand, der Entscheidungen trifft, um diese Lösung zu ermöglichen und der mit Jugendamt und Helfern an der Umsetzung dieser Lösungen arbeitet.

2. Ältere Kinder

Eine dritte Person als Einzelvormund ist auch sinnvoll bei Kindern, die schon älter waren, als sie in die Pflegefamilie vermittelt wurden. Auch hier ist die Frage der zukünftigen Entwicklung des Kindes ausschlaggebend. Sollte bei einem älteren Kind die Integration in die Pflegefamilie nicht gelingen oder nicht dauerhaft möglich sein, dann ist es wichtig, dass der Vormund unabhängig ist und als Person dem Kind erhalten bleibt, auch wenn es nicht mehr in der Pflegefamilie leben sollte.

3. Bei zeitlich begrenzter Unterbringung

Wenn die Unterbringung in der Pflegefamilie nur zeitlich begrenzt ist, dann ist wiederum eine Dritter als Einzelvormund für das Kind notwendig, damit das Kind unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes und unabhängig davon, wo es lebt, den Einzelvormund als vertraute Person uneingeschränkt behält.

4. Bei großen Problemen mit der Herkunftsfamilie und „schwankenden“ Beteiligten

Der Einzelvormund eines Pflegekindes kann das Pflegekind und die Pflegeeltern in der Sicherung der Familie deutlich stützen und unterstützen. Bei Auseinandersetzungen hilft es klar, wenn der Vormund aufgrund seiner emotionaleren Unabhängigkeit deutliche Signale setzen kann. Ein neutraler Vormund gerät nicht in die Schublade der „klammernden“ Pflegeeltern. Ihm wird die eigentliche Vertretung des Kindes eher geglaubt – er braucht sich nicht (wie die Pflegeeltern) wegen ihrer emotionalen Nähe zum Kind zu verteidigen – ihm wird man nicht vorwerfen können, dass er ja mehr für sich als für das Kind kämpft.

Ein unabhängiger Einzelvormund der klar seine Position als Interessenvertreter des Kindes vertritt wirkt auf alle Beteiligten beruhigend und ist dadurch präventiv für die Sicherheit des Kindes in der Familie und der damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten.

Ehemalige Pflegeeltern als Einzelvormünder

Ehemalige Pflegeeltern, die ihr eigenen Pflegekinder groß gezogen haben, wollen oft noch ihre Erfahrungen im Bereich Pflegekinderwesen einem Kind zugute kommen lassen, aber kein Pflegekind mehr selbst aufnehmen. Diese Pflegeeltern wären aus meiner Sicht kompetente Einzelvormünder von Pflegekindern. Pflegeeltern sind eine der meist überprüften Menschengruppen in unserem Lande. Vor und während ihrer Tätigkeit als Pflegeeltern sind sie im Fokus des Jugendamtes und der Öffentlichkeit. Diese Personen wären daher prädestiniert zur Führung von Vormundschaften.

Da das neue Vormundschaftsrecht die Begrenzung der Mündelzahl für den Amtsvormund auf höchstens 50 Mündel für eine Vollzeitstelle vorschreibt, wird es zukünftig dringend notwendig sein, Einzelvormünder für Kinder zu finden, vorzubereiten und zu begleiten. Ehemalige Pflegeeltern wären mit Sicherheit sinnvolle Ansprechpartner für diese Aufgabe.

Letzte Aktualisierung am: 
13.07.2013

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