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Zweitspracherwerb - Mehrsprachigkeit fördern
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Wenn ein Kind mit zwei verschiedenen Sprachen aufwächst, ist dies eine grosse Chance für seine Zukunft. Kinder können gut zwei (oder sogar drei) Sprachen lernen, wenn sie in diesen Sprachen gefördert werden. Kommt ein Kind aus einem mehrsprachigen Elternhaus, ist es sinnvoll, dass jeder Elternteil konsequent eine Sprache mit dem Kind spricht - nach der Regel: „Eine Person – eine Sprache“, um das Kind nicht zu verwirren.
Bei Kindern mit Migrationshintergrund kommt es häufig vor, dass ein Kind die zweite Sprache – deutsch – erst lernt, wenn es in den Kindergarten kommt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eltern mit ihrem Kind am besten in der Sprache sprechen, die sie selbst am besten kennen. So bekommt das Kind eine gute sprachliche Grundlage. Dies hilft ihm sehr, eine neue Sprache zu lernen.
Für die Entwicklung der Sprache ist es darüber hinaus sehr gut, wenn:
- das Kind spürt, dass auch seine Eltern sich bemühen, gut deutsch zu lernen.
- das Kind merkt, dass seine Eltern es wichtig finden, deutsch zu lernen und gleichzeitig die eigene Muttersprache schätzen und pflegen.
- je mehr Anregung in der Erstsprache, desto besser der Zweitspracherwerb
Ob ein mehrsprachiges Kind eine Sprach- oder Sprechstörung hat, die einer logopädischen Behandlung bedarf, ist übrigens daran festzumachen, ob die Störung in allen Sprachen des Kindes vorkommt.
Zweitspracherwerb - Wie lernt ein Vorschulkind eine zweite Sprache?
Die Herangehensweise, wie ein Vorschulkind eine zweite Sprache lernt, funktioniert nach den gleichen Prinzipien des Erstspracherwerbs. Es lernt auch die zweite Sprache durch direkte Erfahrungen, indem es zuhört und selbst spricht. Wie verschiedene Obstsorten heissen, merkt das Kind sich am besten, wenn es das Obst probiert. Mit einem Vorschulkind Grammatik und Vokabeln auswendig lernen nützt überhaupt nichts, sondern schadet vielmehr der Sprachentwicklung.
In der Kindertagesstätte ist ein Kind, das vor allem dort die zweite Sprache lernt, ständig damit beschäftigt, zu analysieren, was es um sich herum hört und stellt Hypothesen darüber auf, nach welchen Regeln die neue Sprache funktioniert. Es entwickelt ein eigenes Sprachsystem, das irgendwo zwischen Erst- und Zweitsprache liegt und sich während der Zeit des „Sprache Erfahrens“ immer wieder verändert.
Ein Beispiel aus dem Kindergartenalltag: Die Erzieherin sagt zum Kind „Zieh dir bitte deine Jacke an!“. Das Kind, das erst wenig Deutsch versteht, hört einen komplizierten „Lautstrom“: „Ziehdirbittedeinejackean“ und muss erst heraushören, ob es einzelne Wörter erkennt und gleichzeitig überlegen, was sie überhaupt bedeuten.
Die Bedeutung der Erstsprache
Aus der Herkunftssprache existiert bereits ein allgemeines Wissen über Sprache generell. Das Kind weiss, dass es zum Beispiel Fragen oder Bitten oder Aufforderungen gibt. Es gibt verschiedene Laute, Reime, Erzählungen. Egal in welcher Sprache. Der Erwerb der zweiten Sprache baut auf die erste Sprache auf. Wenn es in der ersten Sprache zum Beispiel keine Artikel „der, die das“ gibt, ist es für das Kind schwerer, diese im Deutschen richtig anzuwenden.
Da ein Vorschulkind auch noch dabei ist, seine erste Sprache zu lernen, muss man sich bewusst machen, dass es nicht alles von der ersten in die zweite Sprache übersetzt. Ganz sicher lernt es in der Zweitsprache Wörter, die es auf seiner ersten Sprache noch gar nicht kennt. Das Kind entwickelt ein eigenes Sprachsystem, das irgendwo zwischen Erst- und Zweitsprache liegt und sich mit der Zeit verändert.
Beziehungsebene der Erstsprache
In der frühen Kindheit ist beim Spracherwerb die nonverbale Kommunikationsebene für das Kind am wichtigsten. Mit der Erstsprache verbindet das Kind Gefühle, Vertrauen, liebevolle Zuwendung – vorausgesetzt, es kommt aus intakten Familienverhältnissen. In der Erstsprache, ihrem Klang und ihrer Sprachmelodie hat das Kind sichere Bindungen zu vertrauten Menschen aufgebaut. Verliert das Kind seine erste Sprache durch einen Umzug oder wird die Sprache in seinem Umfeld abgewertet oder gar verleugnet, kann seine emotionale Sicherheit und sein gesamtes Selbstbewusstsein Schaden nehmen.
An die Bedeutung der Erstsprache für die Persönlichkeit ist auch bei Adoptivkindern zu denken, die aus dem Ausland in ihre Adoptivfamilie kommen. Sie lernen die zweite Sprache in der Regel schnell, doch sollte ihre Erstsprache nicht in Vergessenheit geraten. Optimal ist es, wenn den Adoptiveltern die Erstsprache ihres Kindes vertraut ist. Auf jeden Fall ist es notwenig, die Erstsprache des Kindes wertzuschätzen und dem Kind die Möglichkeit zu geben, diese auch weiterhin zu sprechen und zu hören.
Auch mit der gleichen Landessprache ist es nicht erstaunlich, wenn Pflege- und Adoptiveltern ihr Kind erst einmal nicht verstehen – und umgekehrt. Ein Dialekt, eine andere Bildungsschicht, ein anderer Umgang mit Sprache kann Ursache dafür sein. Jede Familie hat ihre eigene Sprache. Wichtig für das gegenseitige Verständnis ist, sich Gedanken darüber zu machen, mit welchen sprachlichen Gewohnheiten das Kind gelebt hat, bevor es in die neue Familie kam und welche Emotionen es mit welcher Sprache verbindet. Dies kann sicherlich helfen, einige Missverständnisse auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sprache in der Pflege- oder Adoptivfamilie zu verhindern.